Verbotene Liebe: Eine illegale Wanderung um Usedom (Teil 4)

in #deutsch5 years ago

2019 - 08 - Wandern Usedom (683)-HDR_Snapseed.jpgEine Million Gäste im Jahr, alptraumhaft volle Strände, Bauboom und lange Staus bei An- und Abfahrt. Die Insel Usedom ist der Deutschen liebstes Sonneneiland. 66 Kilometer lang und 24 breit liegt die Insel in der Pommerschen Bucht, eine Geldmaschine für Hoteliers und Kneiper, oft ein Alptraum für die 76.000 Einwohner, die seit jeher vom Massentourismus leben, seit der Wiederentdeckung der heimatlichen Strände durch Türkei-, Ägypten- und Tunesienurlauber aber über Verkehrsinfarkt und hohen Mieten stöhnen.

Die andere Seite von Usedom ist trotzdem noch da: Einsame Strände, endlose Sommerwiesen voller Tiere und der Sternenhimmel über dem taufeuchten Sand. Doch wer dieses Geheimnis entdecken will, muss abtauchen in die Illegalität einer Reise, die vom ersten Schritt an verboten wäre, bekäme ein Strandvogt, ein Polizist oder ein Ordnungsamtsmitarbeiter Wind davon.

Strandwandern auf Usedom funktioniert dennoch erstaunlich gut. Wenn bestimmte Regeln beachtet werden. Die Herausforderung dieser Reise ist klar - kein Hotel, kein Zeltplatz, keine Pension und kein Airbnb-Zimmer. Nur Natur, eine Woche lang, mit Zelt am Strand oder im Wald. Teil 1 hat den Start der Reise erzählt. Teil 2 berichet vom Fortgang des verrückten Plans. Mal sehen, was draus wird.

Vierter Tag

2019 - 08 - Wandern Usedom (450)-HDR_Snapseed.jpgAuch morgens sind keine Menschen zu sehen. Der Weg führt jetzt kurz zurück und dann an einer Straße entlang, die den einzigen sicheren Weg durch die Sperrzone markiert. Wie fast überall im Nordosten der Insel, die im Jahr auf fast 2000 Sonnenstunden kommt, gibt es nach einer kurzen Strecke Nur-Straße Rad- aber keinen speziellen Wanderwege, obwohl das hier der Europawanderweg E9 sein soll. Was hat zuerst gefehlt? Die Wanderer? Oder die Wanderwege?

Peenemünde, der einzige größere Ort auf dieser Schmalseite des Eilands, kommt auf gerademal 300 Einwohner, einen Konsum, eine Gaststätte, ein U-Bootmuseum, eine Physikausstellung und die Reste der imperialen Zweckbauten der Waffenindustrie des Dritten Reiches, die längst als Hauptattraktion der Region gelten. "Früher kamen Auswärtige nicht mal in die Nähe von Peenemünde", beschreibt die Kellnerin der "Alten Wache", "da saß hier überall die NVA und man brauchte einen Passierschein, um in den Ort zu kommen." Heute lebt der vom betonierten Erbe der Raketenpioniere, denn "mit Strand ist hier nicht viel". Und vom Bedürfnis zahlloser Usedom-Urlauber, ihre mitgebrachten oder gemieteten Fahrräder zu nutzen, um zu allen möglichen interessanten oder auch weniger interessanten Zielen vorzudringen.

Die Peene-Seite der Insel bleibt dabei aber für die meisten tabu. Hier, wo die einzige Attraktion aus dem Hochwasserdamm besteht, an dem entlang sich ein alter LPG-Weg schlängelt, dünnt die endlose Kette der Fahrradfahrer aus. Schon an den nach dem Zweiten Weltkrieg gesprengten Materialbunkern der Brauchitsch-Truppe klingelt es nur noch gelegentlich. Es wird wieder still und das Land weit, Felder und urwaldartige Baumgruppen prägen die Landschaft. Das Meer ist nicht mehr zu sehen und bei Mölschow ist auch kein Hauch von Ostseeduft mehr in der Luft.http://deich.kein-kohlekraftwerk-lubmin.de/docs/Deichbrosch%C3%BCre_neu.pdf

2019 - 08 - Wandern Usedom (463)_Snapseed.jpgUsedom sieht hier aus wie das Mansfeld, eine in der Sonne glühende Veranstaltung, aus der es keine Flucht gibt. Die auf den Wanderkarten eingezeichneten Schutzhütten existieren nicht, auch findet sich kein Stückchen ebene Wiese, auf dem sich das Zelt noch vor den nahenden Gewitter aufstellen lassen könnte. Die Wanderung wird zur Suchaktion, quer über abgeerntete Staubfelder und durch trockengefallene Bewässerungsgräben. Rehe und Hasen sagen sich hier gute Nacht. Touristen gibt es nicht mehr, und überhaupt keine Menschen. Dann endlich ein Stück Wäldchen mit Rasen dahinter, Schutz vor dem böigen Westwind und uneinsehbar für neugierige Bauersleute im Ort. Im Pladderregen eines Sommergewitters geht der Abend zu Ende. 60 Kilometer geschafft. 25 zu gehen.

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