In Venezuela, wo eine der schlimmsten Inflationen seit der Weimarer Republik stattfindet, kostet ein BigMäc ungefähr ein halbes Monatsgehalt. Das war allerdings
bevor eine Brotverknappung den Burger vom Menü vertrieb. Die jährliche Inflationsrate in Venezuela dürfte Erwartungen zufolge die 1.600% erreichen. Das Straßenbild erinnert stark an eine alte Wochenschau: Lange Schlangen vor Geschäften, leere Regale und Kassierer, die dicke Geldbündel wiegen.
Um zu überleben haben tausende Venezolaner damit begonnen die Kryptowährung BitCoin zu schürfen - "minería BitCoin", wie es in Venezuela heißt. Stellt man der Blockchain, dem enormen, dezentralen Hauptbuch des BitCoin-Netzwerkes, Rechenleistung zur Verfügung, wird man in BitCoin belohnt. Um eine noch größere Rechenleistung einzubringen, und dadurch noch mehr BitCoin zu bekommen, unterhalten manche Leute ganze Regale voll mit speziellen Rechnern, besser bekannt als 'Miner'
[1]. Ob sich das Schürfen lohnt hängt im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Vom Preis von BitCoin - der dieses Jahr auf Rekordhöhen stieg
[2] - und vom Preis des Stroms, der benötigt wird um die leistungsstarke Hardware zu betreiben.
Strom ist zufällig etwas, was sich die meisten Menschen in Venezuela durchaus leisten können, denn unter dem sozialistischen Regime des Präsidenten Nicolás Maduro ist der Strom so stark subventioniert, daß er praktisch umsonst ist. Eine Person, die mehrere 'Miner '
[1] betreibt kann so 500$ im Monat herausholen. Das ist heutzutage in Venezuela ein kleines Vermögen; genug, um eine vierköpfige Familie zu ernähren und um wichtige Güter online zu erwerben, wie etwa Baby-Windeln oder Insulin. Die meisten Online-Anbieter liefern zwar nicht direkt nach Venezuela, aber einige in Florida ansässigen Lieferdienste schon.
Unter diesen Umständen ist ein solcher 'Miner '
[1] durchaus mit einem Geldautomaten zu vergleichen. Professoren und Universitätsstudenten schürfen BitCoin, und Gerüchten zufolge sogar Politiker und Polizeibeamte. BitCoin wurde mittlerweile selbst unter "Nicht-Schürfern" zum Zahlungsmittel: Peer-to-Peer Online-Tauschbörsen ermöglichen es jedem - vom Ladenbesitzer bis hin zur ehemaligen Miss Venezuela - mit BitCoin Dinge zu kaufen und zu verkaufen, in etwa so wie Beispielsweise mit Venmo
[3], nur eben mit Kryptowährungen.
Doch vor kurzem begann Maduro gegen die Schürfer von BitCoin vorzugehen, die sich gut als Sündenböcke eignen, zumal er Inflationsgewinnler gerne als "kapitalistische Parasiten" bezeichnet. Aber mit BitCoin zu handeln wird in Venezuela nicht strafrechtlich verfolgt. Es ist fast so als ob Maduro sich dessen gewahr wurde, daß Kryptowährungen eines der wenigen Dinge sind, die das Land überhaupt noch zusammenhalten.
Da es in Venezuela keine Gesetze für Kryptowährungen gibt, hat die Polizei Minenbetreiber unter Angabe fadenscheiniger Gründe verhaftet. Ihre erste Zielperson war Joel Padrón, Inhaber eines Kurierdienstes, der sich durch das Schürfen von BitCoin sein Einkommen aufbesserte. Er wurde des Stromdiebstahls und des Besitzes von Schmuggelware bezichtigt und 14 Wochen lang inhaftiert.
Seitdem wurden auch andere Minierfarmen sichergestellt - und in vielen Fällen von korrupten Polizisten selbst wieder in Betrieb genommen. Das Ergebnis war, so sagte mir Padrón, daß viele aufgehört haben zu schürfen. Aber Rodrigo Souza, der Gründer von BlinkTrade
[4] der auch SurBitCoin betreibt, eine venezolanischen BitCoin-Börse mit Sitz in Brooklyn, sagt daß für andere die Versuchung immer noch zu groß ist, als daß sie widerstehen könnten. “Die Leute haben nicht aufgehört zu schürfen”, sagte er, “sie sind lediglich tiefer in den Untergrund gegangen.”
Venezuelas einfallsreichste Mineure gehen sogar über zum nächsten Inflationsbrecher, nämlich zur Kryptowährung Ethereum (ETH). Die Gewinnmargen sind höher und, wichtiger als das, der Risikofaktor ist wesentlich geringer. “Ethereum und BitCoin zu schürfen ist im Prinzip so ziemlich das selbe: Man benutzt kostenlosen Strom um Geld zu generieren”, sagte ein venezolanischer Mineur, “aber Ethereum zu schürfen ist erschwinglicher. Alles, was man dazu braucht ist eine freie Software
[5] und einen PC mit einer Graphikkarte. Jeder Polizist würde glauben Dein Ethereum-Miner sei lediglich ein normaler Computer.”
Und während die Notenpresse wertlose Bolivares ausstößt, machen die Mineure weiter indem sie das Stromnetz anzapfen und Elektronen in Dollar verwandeln.
Wow! Schoen geschrieben. Interessant waere es zu wissen ob das Land auch Betreiber hat die Waren und Dienstleisungen gegen Bitcoin handeln, das koennte echt ein guter Ausweg sein.
I'm from Venezuela and this is totally true, good job
@originalworks