Buch Blog "Geboren und Anders zu Sein" / Kapitel 1 / Vatersucht

in #autobiografie7 years ago (edited)

Der Tag war da. Nun endlich war es wieder soweit. Der blaue Koffer mit den braunen Riemen. Er sieht aus wie ein wichtiges Bestandteil meiner selbst. Aktenkoffer mäßig. Hartes Material, kein Raum für Veränderungen. Passt. Ich mag ihn.
Das Stofftier unter dem Arm, meine Mutter hinter mir auf der Treppe hinterher eilend. Ich war schneller. Denn ich wusste ja das er kommt.
Mein Papa!
Heut ist wieder einmal nach der Trennung meiner Eltern der Tag an dem er mich abholen kommt. Die Freude in mir ist kaum zu beschreiben. Ich flippe vor Aufregung fast aus und kann es nicht erwarten das er endlich ankommt. Aus dem Auto aussteigt und mich in den Arm nimmt. Die Gefühle nehmen ihren lauf und alles dreht sich.
Plötzlich reist die Berührung meiner Mutter mich aus meinen kindlichen Gedanken. Sie sagt das ich an der Strasse aufpassen muss, das ich langsamer sein soll und nicht so hektisch. Nicht das ich noch hinfalle und mir weh tue.
In dem ganzen hin und her, der Welt der Glücksgefühle und der ganzen Vorfreude bekomme ich gar nicht ihre Gefühlssituation mit. Vielleicht war das auch gut so für den Moment. So wie sich der ganze innerliche Trubel allmählich beruhigt und die Klarheit zurück kehrt folgt das Warten. Einfach warten auf das Auto meines Papas.
Fragen wie sieht er heute aus, welche Farbe hat das Auto nochmal, ob das Auto immer noch so nach ihm riecht. Es ist schon länger her und deshalb sind diese Erinnerungen nicht mehr so einfach abzurufen. Das letzte Mal das er mich abholte ist schon eine zeitlang her, doch ich weiß gar nicht mehr wie lange genau, ich weiß nur zu lange. Beim letzten Mal erinnere ich mich noch an meine Halbschwester und wie ich sie kennen lernte, denn das war das erste mal das ich meine Stiefgeschwister und meine Halbschwester kennen lernen durfte. Sehr seltsam diese Situation.
Er hat quasi eine neue Familie. Eine Frau aus der dominikanischen Republik und die hatte auch schon Kinder doch meine Halbschwester ist mit mir verwandt denn sie stammt von meinem Papa so wie ich. Meine Halbschwester ist mir hübsch in Erinnerung und mehr weiß ich gar nicht mehr. Alles ist schon so verblast und ich schäme mich etwas dafür, denn wie kann ich denn bloß die Dinge so schnell vergessen. Naja heute kann ich meine Scham wieder gut machen, denn ich werde sie ja wiedersehen und dann ist alles wieder glasklar. Ich bin auch schon ganz gespannt was es zu Essen gibt und was wir so machen werden. Spielen und Reden, denn ganz so harmonisch war es beim letzten Kennenlernen nicht. Doch ich versuchte diese Stimmung zu ignorieren und sie konnte ja nichts mit mir zu tun haben.
Meine Mutter sagt nicht viel dazu. Das ist auch in Ordnung denn immerhin sind meine Eltern nicht mehr ein Paar. Sie ist neutral. Weder positives noch negatives kommt von ihr.
Die Zeit fliegt dahin und völlig in meiner Welt kommt mir ein Gedanke. So ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Was wenn er nicht kommt? Ach nein denke ich mir. So ein Quatsch, warum sollte das passieren. Gibt ja keinen Grund dafür, ich hab ja nichts gemacht. Ich warte ja schon auf ihn und er hat ja gar nicht viel Aufwand. Ich bin ganz brav und freue mich doch.
Es wird windig. Eben wie wir nach unten gingen war es noch nicht windig. Das bedeutet das sich das Wetter verändert hat und das passiert gewöhnlich nicht innerhalb Sekunden. Zeit ist vergangen.
Und ganz plötzlich kommt wieder ein Gedanke hoch. Was wenn er nicht kommt?
Nun wird es mir langsam mulmig und ich bemerke die Blicke meiner Mutter. Irgendwie wird alles seltsam. Meine Gefühlswelt entwickelt sich schlagartig von rosa rot zu grau. Ich will in rosa rot bleiben doch irgendwie holen meine Gedanken, der Wind, die Blicke meiner Mutter mich immer wieder ins Grau. Ich traue mich kaum mich umzudrehen zu ihr. Ich weiß das wird nicht gut enden. Mein Stofftier muss nun mein Klammern ertragen und das wird immer fester. Ich sitze immer noch auf der obersten Stufe der Treppe vor unserem Haustüreingang. Mein Kleidchen weht mit bei dem jetzigen windigen Wetter doch ich presse meinen Koffer so nah an meine rechte Seite und mein Stofftier zur linken das der Wind kaum Chance hat. Kalt ist mir irgendwie schon nur lässt mich meine Angst, meine Sturheit, meine hochkommende Verzweiflung die Kälte gut abwehren. Schon wieder kommt der Gedanke hoch. Was wenn er nicht kommt?
Plötzlich bemerke ich die Berührung meiner Mutter an mir. Keine Ahnung wo, ich bin nicht wirklich bei mir. Die Gefühle überfluten mich und habe das Gefühl nicht mehr bei mir zu sein. Sie nimmt wieder Abstand. Meine Gedanken überschlagen sich doch ich kann die Realität nicht ganz verdrängen. Die Gedanken daran, dass er nicht kommt werden immer stärker und meine Trauer immer größer. Nie mehr will ich aufstehen von diesem Platz.
Stunden vergehen. Die Dämmerung schreitet fort und es wird immer kälter. Die Kälte zeigt mir, dass ich noch lebe. Alles andere ist mir völlig egal.
Dann unerwartet nimmt mich meine Mutter auf den Arm. Tränen und Schreie sind das Einzige was ich noch sagen kann. Sie trägt mich in die Wohnung. Schreiend und weinend an Ihren Hals klammernd zerfließe ich vor innerlichem Schmerz.
Dunkelheit!

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