Winter 1914. Der bis dato verheerenste Krieg der uns bekannten Menschheitsgeschichte wütet nun schon seit einem halben Jahr und fordert unermessliche Opfer. Der Mensch gerät immer mehr in den Schatten der kaltblütigen Kriegsmaschinerie, die sich mit ihren hochentwickelten Waffen immer mehr zur reinen Massenvernichtung entwickelt. Das Misstrauen unter den Völkern, welches schon lange vor dem Krieg gekeimt, gewachsen und vielfach gegossen wurde, ist so hoch wie nie zuvor.
Doch dann geschieht etwas völlig Unerwartetes, etwas Unglaubliches! Während die Westfront ins Stocken gerät und sich abzeichnet, dass der Krieg viel länger dauern wird als bis Weihnachten 14, wie es anfangs angenommen wurde, entsteht an zahlreichen Westfronten wochenlanger Friede, Versöhnung und Kooperation. Dieser Verstoß gegen die Befehle des eigenen Heeres und das Risiko, vom bewaffneten Feind in den Momenten der schutzlosen Annäherung überrannt zu werden, ist ein lebensbedrohliches Unterfangen. Doch selbst diese Lebensgefahr reicht offenbar nicht aus, dass sich Peter und Fritz, Giuseppe und Augustin, George und William und all die anderen sich feindlich gesinnten Männer die Waffen strecken und sich die Hand geben, ihre Toten gemeinsam beerdigen, Geschenke austauschen, Lieder singen, Fußball spielen und Gottesdienste feiern.
Quelle: https://www.welt.de/kultur/history/article13782421/Als-Briten-und-Deutsche-Weihnachtsfrieden-schlossen.html
Damit haben unsere Vorfahren ein unglaubliches Zeugnis an die Nachwelt, an uns, hinterlassen. Nachdem ich während des Verfassens dieser Zeilen in Tränen ausgebrochen bin, fasse ich nun wieder einen klaren Gedanken und will diesem Phänomen des Weihnachtswunders auf den Grund gehen.
Die zugrundeliegenden Fragen lauten meines Erachtens:
Wem kann ich vertrauen?
Was lohnt sich mehr: Vertrauen oder Misstrauen? Kooperieren oder Betrügen? Oder ein Mittelding?
Wie entwickelt sich die Gesellschaft wenn Betrüger überhand nehmen oder mangelnde Kommunikation zu Fehlschlüssen führt? Welche Charaktere gewinnen dann?
An dieser Stelle will ich aber auf eigene Ausführungen verzichten, sondern auf ein aufschlussreiches Spiel verweisen, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, genau diese Fragen spieltheoretisch durch zu probieren.
Der Spieler wird dabei sanft an die Hand genommen und darf anhand der Beobachtungen, die er in dieser halben Stunde macht, zu eigenen Schlüssen kommen.
Probiert es aus!
Nun wünsch ich euch viel Spaß und gute Erkenntnisse bei der Beschäftigung der Fragen rund ums Vertrauen, der Beziehungen und der Kommunikation!
https://jkoelling.github.io/trust/
Quelle: Screenshot
Mir hat es weiter geholfen und dir bestimmt auch ;)
Ein sehr wertvoller Beitrag. Vielen Dank dafür! Resteemed.
Das Spiel ist auch sehr zu empfehlen. Man sollte sich die Zeit dafür nehmen und die Regeln lesen. ;)
Diese Simulation ist wirklich ein Augenöffner!
Investiert 15min und schaut Euch das mal an.
Natürlich kann man trefflich über die Ausprägungen der Charaktere und das Belohnungssystem streiten, aber einfach mal damit herumzuprobieren ist genial gemacht.
Danke für dieses Fundstück!
Das mit dem abnehmenden Vertrauen ist eine Abwärtsspirale: Um so mehr Menschen feststellen, daß sie anderen berechtigterweise nicht vertrauen können und ihnen kein Vertrauen entgegen bringen, um so weniger wird ihre Bereitschaft zu vertrauen ausgeprägt sein.
Die Frage ist, wie man dieses verloren gegangene Vertrauen wiedergewinnen kann. Indem Betrüger konsequent bestraft und öffentlich gebranntmarkt werden?
Das mit dem branntmarken hab ich mir auch schon überlegt. Damals war es zB üblich, Betrügern (Schlitzohren) einen Schlitz ins Ohr zu schneiden, dass jeder gleich sehen konnte, dass man diesem mit angemessenem Misstrauen zu begegnen hat.
Von Strafen bin ich im Allgemeinen kein Freund, da sie Rachegelüste der Opfer fördern und außer Abschreckung vor Wiederholungstätern wenig sinnvoll sind. Brandmarken und ggf so lange in Quarantäne schieben bis sie sich resozialisiert und bewährt haben, wenn sie wirklich gefährlich für die Gesellschaft sind, halte ich für sinnvoll.
Ansonsten steckt ein Teil der Lösung auch schon im Spiel finde ich:
Wieder gezielt auf lange haltende Beziehungen setzen. Dh misstrauisch, aber erstmal freundlich ggü Fremden, und Kooperation mit Bekannten.
Ist wegen der sozialen Medien und dem ständigen Wohnungswechsel heutzutage schwieriger geworden bzw gaukelt dieser Lebensstil haufenweise soziale Kontakte vor, von denen wir von den wenigsten wirklich wissen, wie sie ticken.
Daher investiere ich wieder vermehrt in alte Bekannte aus meinem realen Leben, fühl mich in meiner schnuckeligen Ortschaft, wo jeder jeden kennt, wieder wohler und gib sozialen Medien nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bzw Einfluss auf mich.
Dann bildet sich aus der anonymen zurecht misstrauischen Masse ein autarkes Netz aus Leuten, die einander kennen, schätzen, leben lassen und vertrauen
Nie wurde ich in meiner ganzen beruflichen Laufbahn öfter angelogen als von den Menschen, die einen Krieg angezettelt und denen die die Befehle ausgeführt haben.
Seit dem 1. Weltkrieg haben sich die Zeiten geändert.
Kooperation darf getrost aus dem Spiel entfernt werden.
Nichts ist erfolgreicher als die Lüge.
Liebe Grüße
Wolfram
Kurzfristig stimm ich dir zu (kurzfristig kann auf Gesellschaften betrachtet gerne auch mal jahrzehnte- jahrhundertelang sein)
Aber langfristig siegt immer die Kooperation. Spätestens dann, wenn durch das Misstrauen, die Betrügerei und dem folgenden Einzelgängertum alles zugrunde und es ums nackte Überleben geht. Spätestens dann überleben nämlich nur noch die kleinen Gruppen der Kooperation. Wo jeder jeden kennt und Betrüger daher keine Chance haben. Die vereinzelten Betrüger verrecken dann an ihrer Egozentriertheit.
In den meisten Fällen muss es zum Glück nicht soweit kommen. Aber ich will dir damit nur aufzeigen, dass Betrüger nur durch naive Wirte kurzfristig stark werden können und langfristig durch vorsichtige Kooperanten mit Schutzfunktion gegen Parasiten in die Schranken gewiesen werden, weil dies die stärkere Form des Zusammenlebens ist.
Zwar sehr spät (die Gründe sind bekannt) meine Antwort.
Es gibt keine Soldaten mehr, die sich gegenüberstehen. Wer sich in diesen Konflikten gegenübersteht, das ist schlecht bezahltes Kanonenfutter, die ihre "Mission" unter dem Einfluss überzogener Prophezeiungen, Alkohol und Drogen in Angriff nehmen und daran scheitern. Gewinnen wird der, der die Waffen liefert.
Klassische Spieltheorie. Ein tolles Programm, das sie erklärt :). Super Empfehlung.
Das ist ein wertvoller Beitrag. Die Zeit für das Spiel ist sehr gut angelegt.
Cool gemacht.
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