Würde man Menschen, die mich schon eine Zeit lang kennen, fragen, ob ich ein „Gutmensch“ bin, käme wohl mehrheitlich ein klares „Ja“
Ich interessiere mich für die Probleme anderer und bin speziell für jene Menschen da, die am Rande der Gesellschaft stehen. Deshalb bin ich auch Sozialarbeiter geworden. Zusätzlich habe ich mich jahrelang für Menschen eingesetzt, die sich sozial oder ökologisch engagieren und damit an einer enkeltauglichen Zukunft arbeiten.
Ich selbst war im Alter von 6 bis 14 Jahren im Internat von katholischen Privatschulen untergebracht und habe am eigenen Leib erlebt wie es ist, wenn man einem übermächtigen, repressiven, totalitären System ausgeliefert ist. Das klingt übertrieben, aber sechs Jahre Psychotherapie haben mich das erkennen lassen und dabei geholfen, diese Zeit hinter mir zu lassen.
Ich bin noch immer sensibel auf diese Form von Macht, speziell wenn sie für Radikalisierung und Spaltung missbraucht wird. Leider habe ich sowas am Freitag, den 19. November 2021 erleben müssen, als die Impfpflicht in Österreich ausgerufen wurde, was mir für immer die Sicherheit genommen hat, in Österreich gut aufgehoben und vor staatlicher Willkür geschützt zu sein. Es ist ein traumatisches Erlebnis für mich erkennen zu müssen, dass dieser Schutz nicht mehr gegeben ist. Wahrscheinlich geht es vielen so. Die Verantwortlichen haben wohl keine Ahnung, was sie damit anrichten und welche weitreichende Folgen das haben kann. Diese Wunde in der Gesellschaft heilt wahrscheinlich nicht so schnell, wenn überhaupt.
Wie bei einem Krieg sind die Kollateralschäden nicht abzusehen. Die Spaltung wird enorm sein. Das ist genau das Gegenteil von dem, was sie in Dänemark gemacht haben, wo der Kampf gegen die Pandemie zu einer gemeinsamen Sache aller BürgerInnen gemacht wurde. Indem die Österreichische Regierung die Ungeimpften so stigmatisiert, lenkt sie nur von ihrem eigenen Versagen ab. Die Impfpflicht ist das brutalste Mittel im Kampf gegen die Pandemie und es sollte davor alles unternommen werden, es nicht einsetzten zu müssen. Ihre Einführung steht symbolisch für das Versagen der Verantwortlichen.
"Die Maßnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf dem Spiel stehenden Interesse stehen, sie muss verhältnismäßig sein, um ihr Ziel zu erreichen, und sie sollte die am wenigsten einschneidende Option unter den möglichen sein. Und das ist ein wirklich wichtiger letzter Punkt: 'nicht diskriminierend'", so die Sprecherin Elizabeth Throssell, Sprecherin des OHCHR.
Ungeimpfte werden eh schon extrem sanktioniert dafür, dass sie etwas NICHT machen, weil ihnen ihre Intuition sagt, dass diese Impfung ihnen nicht gut tun würde. Weggesperrt, als Sündenbock stigmatisiert und über durchgängige Test permanent ihre Gesundheit unter Beweis stellend, damit sie arbeiten gehen dürfen - das ist jener Beitrag, den die Geimpften meist übersehen. Und jetzt noch der finale Holzhammer, die Impfpflicht… Wie in einer Diskussion, bei der man einfach hinschlägt, weil einem nix mehr einfällt, um diese endgültig zu beenden. Aus meiner Sicht wurde mir total unerwartet letzten Freitag quasi aus dem Nichts mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ich taumle noch immer, bin entsetzt und kann es einfach nicht glauben, dass das tatsächlich passiert ist.
Geimpfte und Ungeimpfte sind natürlich nicht einer Meinung. Die entscheidende Frage hier ist für mich, wie geht man damit um zu glauben, auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Schürt man die Spaltung und fühlt sich auch noch gut dabei oder bleibt man emphatisch und räumt der anderen Seite ein, auch anderer Meinung sein zu dürfen. Ich bin schockiert darüber, dass es staatlich verordnet derzeit nicht danach aussieht. Umso mehr wird es salonfähig, auf die Ungeimpften hinzuspucken. Auch wenn viele diese Vergleiche geschmacklos finden, aber sowas hatten wir wirklich das letzte Mal in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts. Haben wir wirklich so wenig daraus gelernt?
Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass der Österreichische Weg einer ist, bei dem man sich zusammensetzt und versucht Probleme auszudiskutieren. Die Sozialpartnerschaft stand immer für diese gemäßigte Art der Konfliktbewältigung. Jetzt preschen wir als erstes Land der westlichen Welt mit der Impfpflicht voraus und radikalisieren damit das Land. Ich dachte, „So sind wir nicht.“
Bin ich jetzt ein Rechter Verschwörer, weil ich mich einfach nicht so schnell habe überzeugen lassen, mir diese Injektion abzuholen? Ich bin bei sowas sehr kritisch, schließlich ist mein Körper das Wertvollste was ich habe. Ich bin eher überrascht, wie schnell so viele Menschen dazu bereit waren. Bin ich ein Medikamentenverweigerer, nur weil ich den Beipackzettel durchlese? Ich war grad dabei, als die Daumenschrauben sprunghaft angezogen wurden. Zur Impfung gezwungen und bald bestraft zu werden hat bei mir eher den Eindruck hinterlassen, dass irgendwas damit faul ist. So kann man mich nicht überzeugen, das wirkt bei mir kontraproduktiv.
Mir ist wichtig, dass diese Perspektive AUCH gesehen wird, weil ich damit sicher nicht alleine dastehe. Geimpfte sagen immer öfter, dass sie die Ungeimpften nicht verstehen und deshalb so wütend sind. Ich lade mit diesem Beitrag zum gegenseitigen Verständnis ein.
P.S.:
Ich bin schwer enttäuscht von den Linken, die diese demokratiepolitisch bedenklichen Vorgänge nicht nur abnicken, sondern mitunter auch noch befeuern weil sie Angst haben, als "Schwurbler" da zu stehen. Ganz nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel.
Super! Sehr gut geschrieben!