Jeden Dienstag werde ich einen bestimmten Mythos, eine Urban Legend, Verschwörungstheorie oder ein Stück Pseudo-Wissenschaft thematisieren. Dieses Mal geht es um die Idee, das biologische Bedürfnis für ausreichend Schlaf zu ignorieren, um „viel Scheiß zu erledigen“.
Arbeite smart, nicht hart
Wir alle kennen diese Typen, die mit ihren späten Büroabenden angeben und der Zeit, die sie mit Arbeit verbringen. Die ersten am Morgen, die letzten in der Nacht – vier bis sechs Stunden Schlaf jede Nacht, jeden Tag.
Sie werden als jene angesehen, die „Scheiß erledigt bekommen“ (1). Ich mein, es scheint offensichtlich: Je mehr ihr arbeitet, desto mehr könnt ihr erreichen (2), nicht wahr?
Nun, ja und nein. Das ist nur wahr, wenn ihr die Fähigkeit habt, auch tatsächlich etwas während eurer Arbeitszeit zu erledigen. Aber lasst mich das mit einem Beispiel erklären:
In den Wirtschaftswissenschaften existiert eine Unterscheidung zwischen effektiver Arbeit (die richtigen Dinge tun) und effizienter Arbeit (die Dinge richtig tun) – und Schlafmangel hat eine Menge mit effizienter Arbeit zu tun.
„Ich wähle eine faule Person, um einen harten Job zu erledigen. Denn eine faule Person wird einen einfachen Weg finden, diesen zu erledigen.“
-Bill Gates
(Übersetzung von mir)
Von einem ökonomischen Standpunkt aus, ist es eine gute Idee, Gates‘ Herangehensweise zu folgen. Warum?
Weil es euch so viel Geld sparen kann. Ein hart arbeitender Typ wird Stunden um Stunden von Arbeit für ein bestimmtes Problem aufwenden, bis er mit einer Lösung dafür daherkommt. Ein fauler (ich mag den Begriff „smart“ mehr) Typ wird einen Blick auf das Problem werfen, ein paar Nachforschungen anstellen und letztendlich eine Lösung für ein ähnliches Problem finden, das jemand hatte, weshalb der smarte Typ das dann nur noch entsprechend anpassen muss. Er benötigt vielleicht nur drei Stunden statt zwölf – kann deshalb etwas anderes danach erledigen und produktiver sein.
Ok, das ist alles ganz spaßig und nett zu wissen, aber was hat das mit Schlafentzug zu tun?
Alles.
Das Problem ist, dass der hart arbeitende Typ sich selbst betrügt, wenn er glaubt, er erreicht mehr, weil er mehr arbeitet. Er denkt, er ist genauso effizient wie effektiv und indem er das annimmt, begeht er einen gravierenden Fehler. Nichts könnte ferner von der Wahrheit sein.
Das betrunkene Gehirn
Die Leute haben mich immer mitleidig belächelt, wenn ich sagte, dass ich gerne bis zu neun oder zehn Stunden pro Tag schlafe. Offensichtlich dachten sie, ich würde nichts erreichen, denn schließlich verschlief ich den halben Tag sowieso. Es ist wahr, ich kann nicht arbeiten, während ich schlafe. Das ist selbsterklärend.
Aber ich war fähig, so viel effizienter zu arbeiten, sobald ich wach war. Ich war fähig, das Maximum aus den vierzehn Stunden, die ich hatte, herauszuholen.
Ich weiß, ich weiß, das klingt wie irgendeine Art von Motivationsbullshit und blahblah. Aber da dieser Blog sich maßgeblich der Wissenschaft unterworfen hat, werde ich euch zeigen, warum es eine gute Idee ist, genug Schlaf zu bekommen.
Ich bin dumm und weiß es nicht
Falls euch die verschiedenen negativen Effekte von Schlafentzug interessieren, könnt ihr bei Wikipedia nachschauen. Ich werde mich hier nur auf die (zumindest für mich) interessantesten fokussieren.
In einer Studie, die von Van Dongen et al. (2003) (3) durchgeführt wurde, maßen sie die Einflüsse auf verhaltensneurologische Funktionen und Schlafphysiologie, die als Konsequenz von chronischer Schlafbegrenzung und Schlafentzug auftreten können. Es ist wichtig, sich ihre Erkenntnisse vor Augen zu führen, das gilt vor allem für die Angeber und harten „arbeite hart, feiere hart, schlaf wenig“ Typen.
Schlaflimitierung von sechs Stunden oder weniger pro Nacht korrelierte mit einem Defizit in kognitiver Leistung, welches äquivalent zu zwei Nächten von kompletten Schlafentzug war.
Auffallend ist, dass die Probanden der Studie nicht bemerkten, dass ihre kognitiven Defizite zunahmen.
Das ist vermutlich der Grund dafür, weshalb es so leicht ist, damit anzugeben – Ich werde dümmer, aber habe keine Ahnung davon. Yolo.
Einige Leute denken vielleicht, dass die negativen Effekte nur ein paar Mal am Tag auftreten – doch sie irren sich. Es ist klar, dass die verringerte Performance der Probanden ihr komplettes Leben beeinflusst hat – ganz egal, ob es mit ihrer psychomotorischen Leistung oder der des Arbeitsgedächtnisses zu tun hatte – sie erbrachten signifikant schlechtere Performance als ihre ausgeschlafenen Gegenstücke.
Diese Ergebnisse waren konsistent über verschiedene Studien hinweg (z.B. Durmer et al., 2005) (4), deshalb ist es sicher zu vermuten, dass sie die meisten Menschen ebenso beeinflussen.
Und obwohl die Probanden so viel schlechter in ihrer Leistung waren, was sie nicht wussten, haben sie sich nicht notwendigerweise schläfriger gefühlt. Das kann wahrscheinlich mit der Art erklärt werden, wie Schlaflimitierung euer Gehirn und eure Wahrnehmung beeinflusst.
Bist du betrunken?
In den meisten zivilisierten Ländern ist es per Gesetz verboten, zu trinken und zu fahren – das ist recht nützlich, denn Alkohol hat einen starken Einfluss auf das verantwortungsvolle Führen eines Fahrzeugs.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist es beeindruckend, wie vielen Menschen es erlaubt ist, mit chronischem Schlafentzug zu fahren. Lasst mich euch erklären warum.
Williamson et al. (2000) (5) konnten zeigen, dass die gemeinhin erfahrenen Arten von Schlafentzug in einer ähnlich schlechten Performance resultierten, wie jene, die der Alkoholkonsum von mindesten 0,05% BAL (manchmal bis zu 0,1%) hervorruft. Sie zeigten, dass die Leistung der Probanden so schlecht war, dass viele Länder sie als inkompatibel mit einem sicheren Fahrstil betrachten würden.
Denkt einmal hierüber nach: Viele Politiker haben 16-20 Arbeitsstunden jeden Tag, sie treffen Entscheidungen, die Milliarden von Menschen betreffen – und sie tun es, während ihre Gehirne im Grunde betrunken sind. Das ist ein ziemlich erschreckender Gedanke.
Aber wenn sich euer Gehirn auf Schlafentzug so verhält, als wäre es betrunken, erscheint es recht offensichtlich, warum die Menschen überhaupt nicht schlecht von ihrer Performance denken. Alkohol erhöht eure Selbstsicherheit und sorgt für ein stärkeres Glücksgefühl und der Zufriedenheit mit den Dingen, die ihr tut – also geht nicht zu hart ins Gericht mit den Angebern. Sie sind sich nicht nur nicht ihrer Situation bewusst, sie können auch nichts dagegen tun, da sie im Grunde betrunken sind.
Zum Mitnehmen
Ich bin mir des Umstandes bewusst, dass es für viele Menschen schwer ist, aufgrund ihrer täglichen Verpflichtungen genügend Schlaf zu bekommen. Glaubt mir, ich fühle mit euch.
Dennoch ermutige ich euch, darauf zu achten genug Schlaf zu bekommen. Es ist nicht nur hochgradig eurer Gesundheit zuträglich, sondern euer (Arbeits)Leistung ebenso. Meiner bescheidenen Meinung nach, werdet ihr erfolgreicher sein, wenn ihr genügend Schlaf in euren Ärmeln stecken habt.
Ignoriert all die harten Jungs, die denken, dass sie so viel mehr und besser arbeiten, weil sie ihr biologisches Bedürfnis für genügend Schlaf ignorieren. Beweist ihnen, wie falsch sie damit liegen, indem ihr schneller, effizienter und demnach auch bessere Ergebnisse liefert – weil ihr ausgeschlafen und fähig seid, in einem kürzeren Zeitrahmen mehr als eure Kollegen zu erreichen.
Die meisten Ärzte und Psychologen empfehlen mindestens acht Stunden Schlaf pro Nacht, was mir recht sinnvoll erscheint. Wenn ihr aber das Gefühl habt, dass ihr mehr benötigt – gönnt euch. Jeder Mensch ist ein bisschen anders, weshalb es schwer ist, da eine generelle Regel, die für jeden passt, festzulegen.
Seid keines dieser betrunkenen, schlafentzogenen Zombiegehirne, die ich jeden Tag um mich herum sehe.
Seid smart, schlaft genug und erledigt euren Scheiß effizient.
Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und schlaft gut.
Ego
Falls ihr euch für Wissenschaft begeistern könnt, dann schaut unbedingt unter #steemstem bzw. #de-stem vorbei!
Quellen
(1) https://medium.com/@Torbahax/the-getting-shit-done-sleep-cycle-f8b43ea455aa
(2) http://www.businessinsider.com/this-guy-has-only-slept-45-hours-per-day-for-two-years-2013-11?IR=T
(3) Hans P.A. Van Dongen,; Greg Maislin,; Janet M. Mullington; David F. Dinges. The Cumulative Cost of Additional Wakefulness: Dose-Response Effects on Neurobehavioral Functions and Sleep Physiology From Chronic Sleep Restriction and Total Sleep Deprivation. SLEEP. Vol. 26. No. 2. 2003
(4) Jeffrey S. Durmer; David F. Dinges. Neurocognitive Consequences of Sleep
Deprivation. Seminars in Neurology. Volume 25. Number 1. 2005
(5) A.M. Williamson; Anne-Marie Feyer. Moderate sleep deprivation produces impairments in cognitive and motor performance equivalent to legally prescribed levels of alcohol intoxication. Occup Environ Med. 2000. 57. 649–655
Being A SteemStem Member
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Ich schlafe im Durchschnitt so um die 5 Stunden pro Tag und muss dir zustimmen, es ist echt schwierig überhaupt etwas richtig geregelt zu bekommen. Von Effizienz mal ganz zu schweigen. Bedenklich ist natürlich der Vergleich zum betrunkenen Autofahren. So habe ich das noch gar nicht gesehen.
Ja, das geht vielen, die ich kenne, recht ähnlich. Dass das mitunter echt gefährliche Begleiterscheinungen haben kann, ist vielen oftmals nicht bewusst. Leider. Die Zahl der Todesfälle, die aufgrund Schlafmangels im Straßenverkehr auftritt, ist ähnlich hoch wie die bei betrunkenem Fahren.
Also schlaf besser etwas mehr :P
Für mich ist Disziplin und harte Arbeit ein klares Anzeichen dafür, dass die Sache an sich nicht wirklich Spaß macht. Der Fokus liegt auf zukünftiger Belohnung als unsere Motivation, und vergangenen schlechten Erfahrungen, die wir nun ändern wollen. Aber meiner Meinung nach werden die wirklich großen Dinge in der Freude an der Sache geboren, da unsere gesamte kreative Schöpfkraft auf das Jetzt gerichtet ist.:)
Dazu habe ich vor ein paar Tagen sogar erst was geschrieben :)
Sehr nettes Zitat. Und ich mag den Begriff "smart" auch lieber ;-)
Haha, ja, ich hatte kurz überlegt, ob ich dieses Zitat verwende, aber es passte so schön zum Grundtenor des Textes, daher habe ich es gelassen :)
Was hältst du von Schlafrhythmen wie den Übermann?
Nichts. Soweit ich die Forschung zu polyphasischem Schlafen überblicke, ist es eine Möglichkeit, um zumindest einigermaßen klar zu kommen, wenn es nicht anders geht. Generell wird jedoch davon abgeraten, wenn man die Möglichkeit für genügend Schlaf hat - aus oben genannten Gründen.
Die Leute, die z. B. Übermann anwenden, werden sicher sagen, dass sie sich fit und ausgeschlafen fühlen - was aber nicht ungewöhnlich bei Schlafentzug ist (klingt paradox, ich weiß). Bei Leistungstest schneiden sie dennoch schlechter ab.
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