Peak Performance – Oder: Was ist Flow?

in #de-stem7 years ago (edited)

Wie ist es möglich, fokussiert zu bleiben? Wie können wir unsere eigene Leistung über die Grenzen unserer Vorstellung treiben? Wie können wir völlig mit dem zufrieden sein, was wir tun?
Mit diesem Artikel werde ich auch in die Geheimnisse des sogenannten „Flow“ einführen.



Quelle

„Be water, my friend.“
Vergebt mir die etwas pathetische Einleitung, die mehr nach einer motivierenden Keynote-Ansprache denn einer wissenschaftlichen Erklärung klingt. Aber wenn ihr jetzt diese Zeilen lest, hat es funktioniert und ihr wisst es. Und jetzt lächelt ihr. Ein perfekter Start für einen Artikel über ein Konzept der Positiven Psychologie.   

Kennt ihr das Gefühl, wenn man in einer Aufgabe völlig aufgeht, sich „verliert“? Ihr beginnt etwas und plötzlich merkt ihr, dass mehrere Stunden vergangen sind, eure getane Arbeit sieht fantastisch aus und euer Magen erinnert euch daran, dass ihr während der letzten acht Stunden unglaublich fokussiert wart – und nicht einmal ans Essen gedacht habt.
Klingt bekannt? Glückwunsch, ihr habt einen mentalen Zustand erreicht, welchen der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi (das ist wahrscheinlich der unaussprechlichste Nachname, den ich je gesehen habe) entdeckt und 1975 als „Flow“ bezeichnet hat (1).
Während seiner Dissertation führte er eine Studie mit Künstlern durch, die Kunst erschufen und hielt ihre Erfahrungen fest. Es geschah, dass sie an einem bestimmten Punkt den Bezug zu ihrer Umgebung verloren und extrem fokussiert auf ihre Arbeit waren. Als sie nach ihren Gefühlen gefragt wurden, beschrieben sie diesen Zustand als würden sie von einem Strom aus Wasser getragen werden, der alles, was sie taten unglaublich leicht und angenehm anfühlen ließ. Daher der Name „Flow“ (Csikszentmihalyi, 1975).
Jahre später, 1990, veröffentlichte er endlich sein berühmtestes Buch Flow: The Psychology of Happiness (2) welches das meiste der damals verfügbaren Forschung darüber enthielt.
Lasst uns einen Blick darauf werfen, warum der Flow-Zustand so speziell ist und welche Konditionen erfüllt sein müssen, um ihn zu erfahren.

Quelle

Eine Sache von Balance und Fokus
Wie die meisten tollen Dinge im Leben, ist es nicht immer einfach sie zu erreichen. Die Erfahrung des Flow-Zustandes ist keine Ausnahme dieser Regel. Es muss ein sehr spezielles Set an Konditionen vorhanden sein, um das Auftreten einer Flow-Erfahrung wahrscheinlich werden zu lassen. Die Balance zwischen euren eigenen Fähigkeiten und der Herausforderung der Aufgabe muss sich in beinah perfekter Harmonie befinden oder unkomfortable Situationen werden die Folge sein. Die Gefahr, verunsichert zu werden, falls die Herausforderungen über dem eigenen Skill-Level liegen, ist immer präsent. Ebenso das Damoklesschwert der Langeweile, falls die Aufgaben euch nicht genug fordern (Boniwell, 2012) (3).
Csikszentmihalyi (ich war nie glücklicher über die Copy & Paste Funktion) zufolge, existieren drei notwendigen Voraussetzungen, um einen Flow-Zustand zu erreichen (4):   

  1. Klarheit der Ziele
    Ihr wisst genau, was ihr erreichen wollt und wie euch das gelingt.   

  2. Unmittelbares Feedback
    Ihr wisst genau, wie euer Leistungslevel bei der Aufgabenerfüllung aussieht (z.B. Gewinnen oder Verlieren).   

  3. Kontrolle
    Ihr wisst, dass ihr die Kontrolle über die Situation habt und fähig seid, mit allem umzugehen, das auf euch zukommt (die oben erwähnte Balance).   

Wenn diese Voraussetzungen bestehen, seid ihr nicht weit davon entfernt, in einen Flow-Zustand zu gelangen. In ihrem Handbook of Positive Psychology (2015) beschreiben Snyder und Lopez, wie dieser mentale Zustand letztlich definiert ist:  

  •  Zusammenschluss von Handlung und Aufmerksamkeit
    Ihr seid euch völlig dessen bewusst, was ihr tut (ihr erreicht eure Ziele) und das ist das Einzige, was zählt.   

  • Verlust des reflektiven Selbstbewusstseins
    Ihr verliert die Fähigkeit, euch selbst als sozialen Akteur wahrzunehmen. Ihr seid komplett auf die Aufgabe vor euch fokussiert

  • Verzerrung der zeitlichen Wahrnehmung
    Erinnert ihr euch daran, als ich davon sprach, acht Stunden durchweg gearbeitet zu haben, ohne es zu bemerken? Das passiert, wenn ihr das Gefühl habt, dass sie Zeit schneller als normal vergeht.

  • Autotelisches Verhalten
    Ihr erledigt eine bestimmte Aufgabe, weil die Tätigkeit selbst euch belohnt. Ihr findet Freude im Prozess der Handlung an sich, das Ziel am Ende ist nur eine Rechtfertigung. Der Weg ist euer Ziel. 

Klingt super, oder? Und das trifft auf völlig verschiedene Aktivitäten zu. Diese Idee hat sich selbst in Studien über Kunst und Wissenschaft, ästhetische Erfahrungen, Sport, Schreiben und anderen Dingen bewiesen (Snyder & Lopez, 2015).



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Aufmerksamkeit ist der Schlüssel
Gestern habe ich über die Nachteile von Multitasking geschrieben und Flow ist ein weiterer Weg zu zeigen, wie wichtig fokussierte Aufmerksamkeit sein kann.
Wie William James (5) es treffend formuliert hat:
Meine Erfahrung ist, worauf ich zustimme zu achten. Nur jene Dinge, die ich bemerke, gestalten mein Bewusstsein.
(Übersetzung von mir)

Die Fähigkeit, den Flow-Zustand zu erreichen ist daher vor allem damit verbunden, wie gut ihr darin seid, eure Aufmerksamkeit zu fokussieren.
Klare Ziele, unmittelbares Feedback, gute Balance von Fähigkeit und Herausforderung sind eure Werkzeuge, um an diesen Punkt zu gelangen.
Besonders das Gefühl, über Kontrolle zu verfügen, ist sehr wichtig, um das zu erreichen. Wenn ihr euch unsicher fühlt, eure Fähigkeiten anzweifelt oder vor den Herausforderungen fürchtet, die vor euch liegen, werdet ihr am Ende wahrscheinlich eher Verzweiflung als Flow verspüren.
Über die Jahrzehnte der Forschung der Positiven Psychologie wurde es immer wieder bewiesen (z.B. Ghani, 1994) (6), dass dieser Kontrollmechanismus sehr wichtig ist. Ihr könnt diese Kontrolle behalten, indem ihr euch erreichbare Ziele setzt, die euren Fähigkeiten entsprechen, damit ihr nicht gelangweilt oder enttäuscht werdet. Wenn ihr jeden Tag aufsteht und wisst, dass, was auch immer ihr tut, euch Freude bringen wird, weil ihr euch dafür entschieden habt. Weil ihr die nötigen Fertigkeiten habt, dies im bestmöglichen Weg zu tun, dann werdet ihr euch zufrieden fühlen.
Wenn die Dinge, die ihr tut nicht dazu beitragen, euch in einen Flow-Zustand zu versetzen, dann sind sie wahrscheinlich ohnehin die falschen Dinge. Findet die Arbeit, die euch zufriedenstellt, während ihr sie tut, wo die Reise selbst lohnender ist, als es das Ziel je sein könnte.
Ich weiß, dass ich mit einer Motivationsrede schließe, aber wenn meine Artikel irgendwas Nützliches zu eurem Leben beitragen, dann ist das schon mehr als genug.

PS: Danke an @sco, der mich zu diesem Artikel inspiriert hat. 
Fühlt euch jederzeit frei, meine Ideen zu diskutieren und eure Gedanken über die Dinge, die ich thematisiere, zu teilen. Niemand ist allwissend und wenn wir alle ein bisschen klüger als zuvor daraus hervorgehen, werden wir eine Menge erreicht haben.
Danke fürs Lesen und bleibt aufmerksam.
Ego   

Falls ihr euch für Wissenschaft begeistern könnt, dann schaut unbedingt unter #steemstem bzw. #de-stem vorbei!
Quellen
(1) Csikszentmihalyi, Mihaly. Beyond Boredom and Anxiety.1975. Jossey-Bass Publishers  

(2) Csikszentmihalyi, Mihaly. Flow: The Psychology of Happiness. 2013 (first 1990). Ebury Publishing

(3) Boniwell, Ilona. Positive Psychology in a Nutshell: The Science of Happiness. 2012. Open University Press

(4) Snyder, C. R.; Lopez, Shane J. Handbook of Positive Psychology. 2015. Oxford University Press

(5) James, William. The Principles of Psychology, Vol. 1. 2013. Cosimo Classics    
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den zustand kannte ich auch... Nur die Erkenntnis darüber fehlte mir!! Danke!

Je mehr Flowzustände, desto erfüllter ist das Leben.

Das wäre die Kurzfassung, ja :)

PS: Danke an @sco, der mich zu diesem Artikel inspiriert hat.

Bitte, und danke für die psychologische Aufklärung des Hintergrunds ;-)

schön geschrieben.
vinyasa krama ist sanskrit und wird heutzutage als flow übersetzt.
damit ist eine anreihung an ereignissen, bewegungsabläufen, gedanken, worte, taten gemeint.

ALLES IST FLOW...das gesetz der resonanz ist ein flow. zeit ist ein flow. egal ob man diese als gut-neutral-schlecht indiviuell betrachtet!

es ist der zufrieden, der alle zustände kennt und durchlebt hat und wieder in die eigene mitte kam...

steem on and hugs to ya

Danke für die Erklärung dieses Zustands.

Habe das regelmäßig beim Programmieren und hab mich schon öfter mal gefragt, wie das zustande kommt.

Gerne. Jetzt weißt du auch, was dahintersteckt :)