Wie russisch ist Alaska heute?

in #deutsch7 years ago (edited)

Es dürfte sehr vielen, wenn nicht den meisten, bekannt sein, dass der zweitjüngste US-Staat, Alaska, irgendwann einmal zu Russland gehörte. Ebenso viele Menschen nehmen das aber vermutlich einfach hin und denken, dass die russische Periode eine vergleichsweise kurze und auswirkungslose Zeit war.
Selbstverständlich ist Alaska heute, 151 Jahre nach dem Kauf durch die USA, weitgehend amerikanisch, mit der gelegentlichen Prise an Ureinwohnern.
Dennoch gibt es auch jetzt zahlreiche Hinweise darauf, dass vor langer Zeit Russland dort geherrscht, gehandelt und gelebt hat.

Eine russisch-orthodoxe Kirche in Ninilchik, Südalaska.

Russlands Herrschaft über Alaska
Zunächst einmal eine kurze Schilderung dessen, wie und warum Russland die Nordwestspitze des amerikanischen Kontinents regiert hat: ab 1743 begannen russische Händler, über den Pazifik nach Alaska zu gelangen, weil man sich davon lukrative Geschäfte mit Fellen und Pelzen, vor allem jenen von Ottern, welche damals sehr gefragt waren, erhofft hatte. So kam es, dass die russischen Handelsposten mit der Zeit zu permanent besiedelten Ortschaften wurden und im Jahr 1799 entstand auf kaiserlichen Erlass von Paul I. die "Russisch-Amerikanische Kompagnie". Bis zum Verkauf an die USA im Jahr 1867 wurde Alaska zu einem privat geführten Aktienunternehmen, dessen Leiter zusätzlich den Posten des Gouverneurs der neuen Kolonie besetzte. Allerdings muss man dazusagen, dass die typischen Begleiterscheinungen von Kolonialisierung während der ersten paar Jahrzehnte zu einer regelrechten Feindschaft zwischen Ureinwohnern und Russen führte: Die Kolonialherren brachten Krankheiten, gegen die ihre neuen Untertanen nicht immun waren und Widerstand gegen die Fremdenherrschaft wurde niedergeschlagen.

Aber warum hat Russland Alaska überhaupt aufgegeben? Die Gründe dafür, waren hauptsächlich wirtschaftlicher Natur. Der Handel mit Tierfellen lohnte sich mit der Zeit immer weniger, vor allem, weil die Transportkosten hoch waren und der Tierpopulation wenige Möglichkeiten geboten wurden, sich selbst natürlich wiederherzustellen. Hinzu kam die Befürchtung, dass Russland im Falle eines Krieges seine Kolonie nicht verteidigen könnte und daher begann man, einen Kauf durch die USA auszuhandeln. Trotz der Kritik, die man in Amerika zum Kauf äußerte, wurde dieser abgeschlossen und zwar um 7,2 Mio. USD.
Wenn man die Inflation berücksichtigt, so wäre dieses Geld heute 111 Milliarden USD wert!
Die USA hatten also, ohne es damals wirklich zu wissen, einen der besten Käufe ihrer Geschichte abgeschlossen, doch damals war Alaska für sie bloß ein nahezu 2 Millionen km² großer Klotz mit jeder Menge orthodoxer Kirchen und Russen.


Hochzeit zweier Ureinwohner nach russisch-orthodoxem Brauch auf St. Paul's Island, 1898.

Das russische Alaska - 150 Jahre später
Die auffälligsten Überbleibsel aus der russischen Kolonialzeit sind die Namen von Straßen, Inseln, Buchten und vielem anderen. Was jedoch überraschend sein mag, ist, dass Russland auch kulturell seinen Fußabdruck hinterlassen hat. Heute leben fast 30.000 Menschen gemischter Herkunft in Alaska, deren Eltern sowohl Russen als auch Ureinwohner waren. Viele von ihnen sprechen sogar heute noch russisch, allerdings eine sehr exotische Art davon. Vieles aus dem Vokabular stammt entweder aus den Sprachen dortiger Stämme, oder aus dem Russischen des 18. Jahrhunderts. 

Auch die orthodoxe Kirche hat nach wie vor viele Anhänger: 5% der Bevölkerung folgen dem orthodoxen Glauben. Das klingt nicht nach viel, aber man muss bedenken, dass mehr als die Hälfte der 740.000 Einwohner Alaskas in den Ballungsräumen der drei größten Städte (Anchorage, Ketchikan, Juneau) leben. Je weiter man sich von ihnen entfernt desto seltener wird der Anblick von evangelischen Kirchen und amerikanischen Gesichtern.
Bei den Ureinwohnern ist die russisch-orthodoxe Kirche sehr beliebt, da sie sich vor 200 Jahren gut um sie gekümmert hat und für deren Rechte eintrat, anders als die Amerikaner, welche übrigens bis 1971 rechtlich nicht regeln konnten, wie man sich mit den Aleuten und den anderern Völkern das Land aufteilen soll.

Das russische Erbe, auch wenn es mit der Zeit verschwindend gering wurde, lebt. Die Frage ist bloß, wie lange noch. Die zunehmende Anbindung entlegener Orte an große Transportwege und die Attraktivität des Stadtlebens unter jungen Menschen führt, wie fast überall auf der Welt, zum Aussterben von Sprachen und deren Variationen sowie ganzen Lebensstilen und Kulturen.


Quellen

(1) Russia's Colony - Alaska: http://www.akhistorycourse.org/russias-colony/the-russians-use-alaska

(2) Smithsonian - Tracing Alaska's Russian heritage: https://www.smithsonianmag.com/travel/alaska-russian-heritage-smithsonian-journeys-travel-quarterly-180959449/

(3) Pew Research Center - Religious composition of adults in Alaska: http://www.pewforum.org/religious-landscape-study/state/alaska/

(4) U.S. Census Bureau - Alaska: https://www.census.gov/quickfacts/AK

Bild 1: http://mapio.net/pic/p-3326185/

Bild 2: https://oca.org/history-archives/orthodox-christians-na/chapter-1