Die Stadt hat sich rasant verändert. Doch das Schloss am Ende meiner Straße sieht aus, wie immer. Foto von Vergeblich.
Was Hanau betrifft, ist der gute Don (@don-thomas) nicht mehr ganz im Bilde, wenn er @double-u und mir mit Ortskenntnis auf dem Steem begegnet. Käme er heute in sein altes, ehemals komplett zerbombtes Städtchen am Märchenschloss, er würde kaum etwas wieder erkennen. Die Stadt wird seit Jahrezehnten vom Bagger regiert. Lang- und Krämerstraße wandeln sich, ganz ohne schweres Baugerät, zum internationalen Bazar unter osmanischer Dominanz. Aber die Asiaten ziehen kräftig nach. Mit schillernder LED-Werbung, einem nahezu alles umfassenden Portfolio, bis hinaus auf den Bürgersteig, behaupten sie den Raum in ihrem neuen Leben.
Die Autofahrt zum Klinikum, am Ende der Langstraße, wird so zum Großtest der Selbstbeherrschung. Unter der Abwesenheit einer Straßenverkehrsordnung muss man dort das Hanauer Hier und Jetzt durchqueren. Das erfordert außerordentliche Fertigkeiten aus dem Bereich der Kleinkinderziehung, mit Fokus auf Nachsicht und unvoreingenommene Menschenliebe.
Besonders wenn du einen Fahrer mit Käppi, martialischem Gerät und stark behaartem linken Arm vor dir hast, der an jedem Friseur und Café fröhlich mit Handschlag Bekannte begrüßt, die sich zum Schwätzchen an seinen Wagen lehnen, muss du äußerste Ruhe bewahren. Gegen die Bartträger war die der FF-Clique mit bewegten Sportwagen vor der Milchbar, ein lausiger Kindergarten mit Joghurtbart und unangepasster Geschwindigkeit. Hupen ist jetzt nur kontraproduktiv. Entweder wird der Fahrer vor dir extra langsam, oder es treten mindestens drei fröhliche Helfer an dein Fahrzeug heran und befragen dich nach deinen Problemen.
So gut wie alle Fachgeschäfte wurden umgewidmet. Handwerkstube Hau, Albertis Buchladen, Sauerwein Haushaltsartikel sucht man vergebens. Altbekannte Institutionen des Hanauer Geschäftslebens gibt es kaum noch. Wer von den Inhabern nicht in Rente gegangen war, flüchtete sich an den Freiheitsplatz, neben und unter die Fittiche des „Forum“ Konsumtempels. In die aufgelassenen Läden rückten Friseure, Nagelstudios, Mobile-Händler, polnische- , oder mazedonische Spezialitäten, indische und pakistanische Bauchläden, afrikanische Zöpfchendreher, Klein-Gastronomie aller Provinienz und türkische Lebensmittel nach. Nicht zu vergessen die kleinen Zockercafés. Überall blüht und vergeht die Ich–AG, wie du ein- und ausatmest.
Western Union im Kiosk, DHL, Hermes im Bauchladen, sowie Internetlokale, zeugen von der immer präsenten Verwandt- und Liebschaft in aller Welt. Auf der Langstraße stehen Menschentrauben, besonders vor den vielen, neuen Herrenfriseuren. Die Damen scheinen sich gut versteckt frisieren zu lassen. Danach setzen sie ein Kopftuch drauf. Das öffentliche Leben der einschlägigen Straßenzüge wird von Testosteron dominiert. Man kann behaupten, dass Hanau lebt! Die Losung von Nicky Sprenger aus den Achzigern, „Nichts los in Hanau“, kannst du getrost vergessen. Den Aufkleber würde dir heute niemand mehr abkaufen. Um Sieben Uhr Dreißig wird hier auch kein Bürgersteig mehr hochgeklappt.
Der Freiheitsplatz wandelte sich zur großen Architektur–Show mit „Forum“ und avantgardistischer Stadtmöblierung. Vom Parken auf dem Paradeplatz sind kaum noch Spuren zu erkennen und um die Niederländisch-Wallonische Kirche herum, haben sie alles platt gemacht. Um es genau so wieder aufzubauen, wie es war. Nur moderner, teurer, mit Tiefgarage und ganz ohne Harzer. Alleine die Nordzeile vor der Kirche, zum Marktplatz hin, sieht noch so aus, wie immer. Den Brettern vor hohlen Gauben im Kirchendach haben sie heimelige Fenster aufgemalt. Für mehr hat es nicht gereicht. Die Niederländer und Wallonen sind auch nicht mehr so reich wie einst, als der Fürst sie willkommen hieß. Ihr Oberhaupt Heraeus, betet offenbar nur noch selten in der Kirche seiner Neustadt und in seiner Fabrik haben jetzt gottlose Berater das Sagen.
Die Feuerwehr ist an den Stadtrand, ins Lamboy gezogen. Das Bäckerhaus gibt es nicht mehr und wenn du jetzt vom Hafentor bis zum Kanaltorplatz fährst, gehen tut man da nur selten, findest du einen eckigen Kinoriegel, ein Parkhaus und das weitläufige Post-Carré–Einkaufszentrum, wo einst der Schlachthof war. Auf blutigem Boden lässt es sich einkaufen und genießen. Wo das panische Quieken der armen Säue noch in der Luft zu schwingen scheint, ist Kaufland. Das einst gefeierte Brüder-Grimm-Einkaufszentrum, am Nürnberger Tor, rutscht sichtbar in die, aus seiner etwas zu östlichen Lage determinierten, Drittklassigkeit ab. Ohne massive Security, geht hier gar nichts mehr.
Gegenüber vom Spanier, ist die ehemalige Lackfabrik Schad verschwunden. Die Tochter Schad ging mit ihrem Bundespräsidenten nach Berlin und kappte ihre Hanauer Wurzeln mit dem Verkauf des weitäufigen Geländes. So entstehen dort urbane Wohnstudios für komprimiertes Leben, bei gehobenem Standard. Sozialer Wohnungsbau in der Stadtmitte hat sich wohl nicht bewährt. Das ist schlecht fürs Geschäft, weshalb ganze Innenstadtviertel hoch- wie tiefbaulich, großzügig behandelt werden. Gentrifizierung nennen das Sozialisten. Die anderen kennen das Wort und seine Bedeutung nicht. Alle Harzer werden in die Peripherie gedrückt, in die Weststadt und dort hin, wo dreißigtausend Soldaten Platz geschaffen haben. Der Weg in den Stadtkern wird dadurch zwar länger, doch diese Gruppe hat sowieso wenig Auto, so dass sie genauso klimaneutral in die Stadt kommt, wie zuvor. In den ehemaligen Kasernen wird natürlich auch gebaut, als würden die Kredite heute nichts mehr kosten. Der Scherz musste sein.
Die neuen Bürger ziehen jedenfalls kaum noch aus und genau so wollte das die deutsche Wirtschaft auch haben. Neue Konsumenten bis zum Abwinken und Arbeiter, die von einer Gewerkschaft noch nie was gehört haben. Immerhin, wir haben jetzt echtes, urbanes Leben in der Stadt. International, versteht sich. Das ruhige, befriedete Hanau von Oberbürgermeister Martin gibt es nicht mehr. Zwar lebt seine Sperrstunde noch, hat aber ähnlich schwache Wirkung, wie die StVo von Deutschland. Ex-Bürgermeister Martin hat den Rock‘n Roll aus international bekannten Bars eliminiert. Jetzt tobt wieder der Bär, aber ganz anders, und er kommt sogar zunehmend russischer daher.
Oh, der Frosch hatte mal Landgang ...
Ach, was bin ich froh, dass ich keine Sensoren für Testosteron habe, sondern "nur" für Östrogen! ;-)
Was uns ganz besonders verbindet, darüber haben wir noch nie gesprochen, Werner. Es ging mir immer, wie dir. Wir schätzen die Frauen sehr und sie schätzen uns. Das stelle ich ganz ohne irgend einen idiotischen Hintergedanken fest. Ich habe schon als Kind gerne mit meinen Schwestern gespielt, oft zusammen mit ihren Freundinnen und konnte mir auch für mein Leben nie vorstellen, jemals ohne Östrogen zu sein. Testosteron alleine ist völlig sijnnlos, muffig und meistens sogar grenzblöd. Es ist übrigens umgekehrt das Gleiche. Du und ich, wir sind Frauenversteher. Das ist was ganz Seltenes.
Ich schmunzele und geh' jetzt kochen, ohne Frau, die ich versteh' ;-)
Schönen Abend mit deine Rose!
Mahlzeit Werner. Lass es dir schmecken!
Hanau? 🤔
Ich gebe es zu, ... musste erst einmal nach sehen wo Hanau eigentlich liegt.
Bildungslücke oder Alzheimer, ich weiß es nicht!?
Spaß gemacht hat es aber trotzdem deinen Lagebericht zur radikalen
" Landschafts(um)gestaltung " zu lesen und irgendwie kommt mir Hanau plötzlich doch so vertraut vor. 😎
Ey Muelli, da fahren wir gemeinsam hin, stellen uns neben das Grimm-Denkmal, drehen volle Lotte die Neubauten auf und werden dann irgendwann schon automatisch von @afrog und @double-u eingesammelt, da unverkennbar... Wird ein lustiger Abend... 😉
Da bin ich überzeugt von. 😎
Na ja, es ist hier eben wie überall. danke fǘrs Lesen und den Kommentar, @muelli.
so jetzt wissen alle wo Hanau liegt.
@tipu curate
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eine angenehme und erfolgreiche Woche wünsch ich Dir. Danke für deinen Beitrag
Dankeschön und Bitte gerne.
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Ich danke dem Trail-Kurator.
Sehr gerne freue mich wenn ich lohnenswerte, interessante, deutsche., contentstarke Beiträge finde!
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Starkcontent, wie Starkbier. Danke für die Einschätzung, @mima2006.
Klingt nicht unbedingt berauschend.
Wann wird es umbenannt und wo ist die große Moschee? Oder gibt es da noch keine?
Hanau, da war ich sehr oft als die Amis noch dort zu Hause waren, ich den 80igern fast täglich. Später dann ab und an. Und mit dem Taxi oder Mietwagen von Darmstadt her kommend so ab und zu.
Das Deutschland so wie ich es kennen, das gibt es wohl nicht mehr.
An das Schloss kann ich mich noch recht gut erinnern, da bin ich auch schon dran vorbei gekommen :)
Liebe Grüße aus Uruguay
Peter
Es sind nicht die Moscheen, die unsere neuen Mitbürger mitgebracht haben. Es ist die perfide Art, wie die Wirtschaft eiskalt das umsetzt, was sie braucht. Mobile, entwurzelte Menschen ohne Zusammengehörigkeitsgefühl brauchen sie. Denen hat noch niemand gesteckt dass der Staat all seinen Bürgern gehört und das muss ihnen endlich ganz klar beigebogen werden. Mit Köpfchen – nicht mit Nazis! Wir sind nicht die Konsumenten. Wir sind die, die diesen Staat überhaupt erst möglich machen.
“Neue Konsumenten bis zum Abwinken und Arbeiter, die von einer Gewerkschaft noch nie was gehört haben.
...und genau so wollte das die deutsche Wirtschaft auch haben.“
Ziel fast bis zur Perfektion erreicht, wie in jeder größeren Stadt.
Oh man.
!invest_vote
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Das macht man nur mit Bürgern, die lieber konsumieren anstatt sich um ihre Politiker zu kümmern. Bis heute hat sich die Wirtschaft um sie gekümmert, weil die Spitzklicker die Verfassung von ihren Leuten studieren lassen. Die sind uns um Lichtjahre voraus, aber wir sind nicht nur die Inhaber dieses Staates, wir sind auch die Konsumenten all der Waren. Nur da können wir sie so richtig am Arsch fassen. Also formen wir doch die Politiker nach unserem Willen. Wir sind ja neben bei auch die Wähler und der Pool, aus dem Politiker gemacht werden. Die Voraussetzungen sind eigentlich ideal. Nur der Bürger ist mangelhaft. Frage mal einen beim Grillen, ob er mit im Ortsbeirat arbeiten will. Dann hast du exakt die Antwort, warum die Wirtschaft seit 70 Jahren ihr Spielchen mit diesem Staat und seinen Bürgern spielen kann.
Und noch was, ganz im Ernst, lieber wähle ich Links, als die Idioten von Vorvorgestern, die dem bisher schweigenden Brunzdummen nach dem Maul reden. Die Linke kann die Wirtschaft überhaupt nicht leiden. Mit dem Brunzdummen kamen sie schon nach 1933 wunderbar zurecht. Da brummte das Geschäft. Hauptsache der Staat bezahlt. Ob Rot, ob Braun oder Himmelblau, die Wirtschaft hat sich bis heute noch jeden um den Finger gewickelt. Mit aufgeweckten Bürgern wäre das nicht passiert.
Absolut!
Ich würde sogar so weit gehen dem überwiegenden Teil der Bevölkerung den Staus Bürger abzusprechen und sie ausschließlich als Konsumenten zu bezeichnen.
Die Rechte und auch Pflichten sind vielen doch völlig wurscht, es zählen nur Produkte die verbraucht werden.
Deutschland will den Superverbraucher.
Die Politiker bzw Leibeigenen der Wirtschaft klammern sich an ihre Macht, stecken den Kopf in den Sand und holen das Maximum für sich selbst heraus.
Der Verbraucher sieht das und tut es ihnen gleich, denkt dabei noch der Obrigkeit eins auszuwischen.
Ist aber eigentlich nur Sklave des Mülls den er im Laufe seines Lebens ansammelt.
Aufgeweckt zu sein ist aber auch verdammt schwierig mit dem Kopf im Sand.
Und ja, mir sagen linke Einstellungen zu diversen Themen auch mehr zu als vor lauter Blindheit ein Protestkreuzchen zu malen.
Denn.
-Der Einäugige ist unter den Blinden der König-.
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@misan denkt du hast ein Vote durch @investinthefutur verdient
Congratulations @afrog!
Your post was mentioned in the Steem Hit Parade in the following category:
Thank you for the information @arcange.
You're welcome @afrog
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Ich kenne jemanden, der mal in Hanau gelebt hat. (Naja, am Rand ^^). Mein Besuch dort war die erste selbstständige "Langstrecken"reise meines Lebens. Lang ist's her.
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