Als ich „Commonplace Books: The story inside leads to a wonderland“ schrieb, wurde mir klar, dass ich mich nach und nach von digitalen Tools lösen wollte. Während ich diesen Beitrag tippe, erinnere ich mich an den Moment, als ich zwei Tage lang intensiv mein Handy und meinen Laptop aufräumte. Ich machte Schluss mit der Microsoft Cloud und stellte Youtube so ein, dass ich werbefrei Musik hören konnte. Indem ich Youtube mit Mozilla nutze und zusätzlich die Erweiterung "Ghostery". Mithilfe der App "Unhook" blendete ich auch Kommentare und Videovorschläge aus. Seitdem begrüßt mich Youtube mit "Der YouTube-Verlauf ist deaktiviert" und "Einstellungen aktualisieren" (von wegen!).
Es waren nur ein paar Klicks, aber es fühlte sich wie eine digitale Befreiung an. Danach legte ich mich ins Bett und hörte eine Playlist des Kanals „Ophelia Wilde“. Doch immer wenn ich fortan auf die leere Youtube-Startseite blickte, spürte ich eine seltsame Beklemmung.
Es fühlte sich an, als hätte ich genug Youtube-Videos für ein ganzes Leben gesehen. Sie hatten mir viel beigebracht, vor allem das Konzept des Commonplacing. (Danke an "Vashik Armenikus", "Ruby Granger", "Plan Your One Life", "ParkNotes", "Journal De Sylvie", "elle’s books", "Crystal" und "Austin Schrock") Aber als diese ständigen Reize wegfielen, fragte ich mich: Wie soll ich jetzt mit der plötzlichen Gedankenleere umgehen?
Gedankenleere ist, wie ich durch „Die Geburt des Löwen“ von OM C. Parkin gelernt habe, ein angestrebter Zustand im Buddhismus. Aber strebe ich ihn wirklich dauerhaft an? Ist es nicht manchmal an der Zeit, diese Leere zu durchbrechen und neue Gedanken zu entwickeln? Heute schlage ich statt der Youtube-Startseite mein Commonplace Book auf.
Manchmal blättere ich einfach durch die Seiten und lese alte Einträge. Dann wieder greife ich zum Stift und unterstreiche Aussagen, die mir wichtig scheinen. Oder ich ergänze den Index – dabei entdecke ich immer wieder faszinierende Verknüpfungen zwischen verschiedenen Themen.
Es ist erstaunlich, welche Ideen plötzlich auftauchen, wenn man sie in einem größeren Zusammenhang sieht.
Indem ich meine Einträge wieder und wieder lese, merke ich, wie sich allmählich mein Weltbild neu formt. Dieser Prozess erinnert mich an mein Studium. Doch jetzt ist es anders – es fühlt sich lockerer und selbstbestimmter an. Denn ich kann die Themen jetzt völlig selbst bestimmen. Und dann kommen plötzlich neue Einsichten wie „Jede Prädikation ist eine Identifikation“ oder "Es gibt keine Identität in der Identität".
Wenn du auch Lust hast, diese Methode auszuprobieren, brauchst du nicht viel. Nimm dir einfach ein Notizbuch, das du gerade zur Hand hast, und fang an zu schreiben. Halte das fest, was dir wichtig erscheint – ganz egal, ob es deine eigenen Gedanken sind oder Zitate, die dich bewegen. Schreibe so, als würdest du nicht nur für dich schreiben, sondern für eine größere Zahl an Menschen. So wird aus einem Gedanken eine ganze Welt.
"Ich möchte mehr wissen!"
Ich habe diesen Beitrag nicht ganz uneigennützig geschrieben, denn wie es der Zufall möchte, habe ich ein E-Book über eine Einführung zu Commonplace Books geschrieben: https://www.amazon.de/dp/B0DJ5HDSSB
Hier erfährst du weitere Details z.B. über die Finessen der Indexierung. Es ist, soweit ich das sehen kann, die erste deutschsprachige Monographie über Commonplace Books. Es hat großen Spaß gemacht, sich mit der Philosophie dahinter zu beschäftigen und ich empfehle dir daher, es mal auszuprobieren.
Schreibe mir hier gerne deine Fragen. Natürlich würde ich mich auch sehr über eine positive Rezension freuen.