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RE: Interpretation: Matrix Resurrections

in #deutsch3 years ago (edited)

Ja, ich glaube, ich weiß, worauf du hinaus möchtest. Ich lese Matrix generell nicht als Charakterstudie, sondern als eine Bewusstwerdung, also als ein einziges Bewusstsein, das sich entwickelt.

Für mich sind die Hauptcharaktere Teil dieses einen Bewusstseins:

Neo: Wahrheitssuche, Wille
Trinity: Intuition
Morpheus: Glaube
Smith: Neo's Alter Ego
Orakel: Psyche
Architekt: Verstand
Merowinger: wie z. B. Cypher ein gefallener Held (hätte also auch jemand wie Neo werden können, jemand, der wirklich nach Wahrheit sucht), der aber "falsch abbiegt" und, obwohl er viel weiß, andere lieber versklavt, statt ihnen zu helfen.

Ich hab vor allem immer Neo, Trinity und Morpheus im Blick. Betrachtet man Morpheus "nur" als jemanden, der Neo in seinen Träumen folgt und ihm hilft, aufzuwachen, bleiben in dem Trio nur noch Neo und Trinity als männliches Prinzip / Prinzip der Tatkraft und Trinity als weibliches Prinzip / Prinzip der innerlichen Inuition übrig. Insofern kann ich dir auf jeden Fall folgen.

Mit der Kabbala kenne ich mich nicht so gut aus, aber das Prinzip, auf das du anspielst, kenne ich aus der Philosophie als Geist vs. Materie. Die Patriarchatskritik kritisiert an den gegenwärtigen Zuständen/dem Patriarchat, dass es den Geist über die Materie stellt. Dieses Denken tritt z. B. in Rassismen auf und in jedem Denken, in dem eine Gruppe als auserwählt/höherwertig und eine andere Gruppe als minderwertig betrachtet wird.

Ich persönlich denke, dass die Unterscheidung zwischen Geist und Materie rein künstlich ist. Hegel deutete es so, dass Natur der entäußerte Geist ist, Marx wiederum deutete alles materialistisch. Für mich ist unbestreitbar, dass uns die Außenwelt ständig Auskunft darüber gibt, was auf der geistigen Ebene passiert. Die Frage, wem was untergeordnet ist, stellt sich für mich aber nicht, da sie letztendlich als ein großes Prinzip zusammenarbeiten.

Aus dieser Überlegung (ich hol jetzt ein bisschen aus ;) ) habe ich eine noch recht grobe Geschichtsphilosophie entwickelt, die dieses Prinzip widerspiegelt:

Die Geschichte, das Sein, beginnt im Monismus, in der Ununterscheidbarkeit zwischen Geist und Materie, die auch als Chaos missverstanden werden kann. Das ist der "Ort", wenn man so möchte, von dem wir kommen und zu dem wir auch wieder zurückgehen.

Der nächste große Entwicklungsschritt war das Herausbilden der zwei großen Prinzipien Geist und Materie. Ich bin mir nicht 100%ig sicher, aber ich würde diese Phase als eine Art Substanzdualismus bezeichnen. Mal (bei Hegel) wird der Geist über die Materie und dann wieder (bei Marx) die Materie über den Geist gestellt. Da wird bis heute quasi etwas "ausdiskutiert".

Und jetzt leben wir in der Moderne, in einem Pluralismus, in dem diese beiden Vorstellungen, und überhaupt alle möglichen Vorstellungen, Gültigkeit beanspruchen (können), weil quasi erstmal alles erlaubt ist. Die Vorstellungen befinden sich parallel zueinander, haben aber, und das ist das große Problem, keine Verbindung mehr zueinander und zum großen Ganzen, aus dem einmal alles hervorgegangen ist.

Die Richtung, in die es geht, ist aus meiner Sicht offensichtlich. Es geht um das Aufbrechen dieser Strukturen und darum, neue Verbindungen zu schaffen, die diese Frage (Steht der Geist über der Materie oder die Materie über dem Geist?) endlich begraben, und anerkennen, dass sie untrennbar verbunden sind und jede Trennlinie/Schneise, die man hineinzieht willkürlich ist und keine Wahrheit schafft.

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Gute Betrachtung, klingt wirklich plausibel.