Biestjaeger: Die Schwarze Pyramide -039- Die alte Ruine im Sumpf (9)

in #deutsch6 years ago (edited)


Was bisher geschah:
Grithia ist die einzige Schlangenfrau, die den Kampf überlebt hat. Nun bleibt die Frage, was die Abenteurer mit der letzten, wieder zu einer Menschenfrau zurück verwandelten, machen wollen …

Grithia war verblüfft. Erst die Bedrohung des Mannes und nun die Aussicht auf Rettung. Vielleicht war es möglich, dass diese Frau nichts von dem Mann wusste, dass er ihr gedroht hatte? Sie beschloss es zu glauben, da sie den Sumpf und die Ruine schon lange kannte. Mörme schaute die Schlangenfrau die ganze Zeit an und gab keinen Laut von sich. Auch nicht, nach dem sie alle wach waren, gefrühstückt hatten und zu der Schlangenfrau herüber gingen. Magnus blieb einige Schritte hinter ihnen und sah Grithia aus dunklen Augen an. Da sie kein Augenlicht mehr besaß, schien es als würde sie den Nordmann ignorieren.

»Dann wollen wir mal«, eröffnete Dimitrion.

Er führte die Hände zusammen, sodass sich die Fingerspitzen berührten und hielt sie in Bauchhöhe. Für diesen Spruch musste er sich gut konzentrieren. Den Spruch den er weben wollte, gab ihm eine ähnliche Sicht wie die, die er benutzt hatte um den Sumpfkaiman zu finden. Nur jetzt zeigte er die aetherische Struktur der Dinge, ob beweglich oder unbeweglich. Alles Ding’? lebt, sei es Fleisch oder Fels, hatte er in einem Buch gelesen. Dimitrion wurde nicht der Luxus zuteil, an der neu gegründeten Akademie des Aethers zu lernen, das wollte er auch nicht. Er lernte aus der Erfahrung und dem Handeln, nicht aus dem stupiden Auswendiglernen trockener Bücherpassagen der unerfahrenen Menschen oder dem fast ausgestorbenem Wissen seiner Rasse. Dimitrion besaß als Halbelf einen natürlichen Zugang zum Aether und seinen Wellen, es fiel ihm leicht in diese Welt hineinzutauchen und sie zu erkennen und zu formen.

Und dies nutzte er jetzt als sich seine Sicht verdunkelte. Es war, als senkte sich die finsterste Nacht über seine Augen. Doch nur kurz, dann entstand ein goldweißes Licht in einem Stern und unbeschreibliche Farben strahlten auf ihn ein. Er musste sich sehr konzentrieren, dies war der gefährlichste Augenblick. Wenn er die Wellen völlig über sich stürzen liess, würde sein Gehirn förmlich vor Licht zerbersten. Schweißtropfen rollten von seiner Stirn herunter als er leise sprechend vor der gefesselten Grithia stand. Grayden stellte sich hinter Dimitrion um ihn aufzufangen, was er schon erlebt hatte. Doch der Halbelf hielt dem Ansturm der Wellen stand und die Flut die auf seinen Geist eindrang wurde schwächer. Das Licht ebbte ab und hinterliess eine Fülle verschiedener Farben. Alles um ihn herum leuchtete aus der innersten Ebene der Aetherwellen. Es war unbeschreiblich schön und er drehte den Kopf um seine Umgebung zu betrachten. Die anderen sahen seine seltsamen goldweißen Augen, die mit Farbsträhnen durchzogen waren.

Er lächelte und sah die ungetrübte Wahrheit überall. Dieser knorrige Baum dort war alt, sehr alt und er leuchtete in einem fahlen Grün und in seinem Inneren pulsierte noch ein Rest güldener Lebenskraft, die hinauf in seine Äste lief. Die Steine der Mauer bildeten eine rotgoldene Zickzackstruktur überdeckt mit den goldenen Fäden der Flechten und Moose. Das Wasser in den Pfützen hatte eine hellblaue Färbung und wogte sich in einem stillen Rhythmus, den nur Dimitrion sehen konnte. Seine Freunde besaßen jeder eine ihm eigene Farbe, Rhythmus und Wellenstruktur. Grayden war in einen Kokon von Gelb und Orange bis zu einem feinen, hellen Braun gehüllt, der über seiner materiellen Gestalt lag, mit einem wabernden sandgelben Mittelpunkt.

Shanas Kokon hatte die Farbe von Wasser, wogend zwischen blau, Blättergrün und dann wieder farblosem Weiß. Jetzt merkte er, dass er nicht mehr lange diesen Spruch aufrechterhalten könne. Hinter seiner Stirn begannen die Farben ihn mit Stichen zu schmerzen und er versuchte Grithia anzuschauen. Von ihrem eitergelben und braunschwarzen, missgestaltetem Kokon verlief eine dünne und in sich verdrehte Nichtleuchtende Spur. Dimitrion wand den Kopf um dem Faden zu folgen der vor einem Mauerstein nahe dem Lagerfeuer endete. Er wagte es, sich einige Schritte darauf hinzu zu bewegen und erkannte eine wage viereckige Form in denselben Nichtleuchten wie die Schlangenfrau. Grayden bewegte sich mit ihm. Immer darauf bedacht ihn aufzufangen und sah wie sein Freund auf das Buch deutete, dass Shana im Turm gefunden hatte. Er verstand und sagte: »Du hast es gefunden, es ist das Buch aus dem Turm. Gut gemacht, Dimitrion.«

Doch der nahm nur einen seltsamen Ton wahr, mit dem ihn der Kokon von Grayden erfüllte. Die Kopfschmerzen wurden stärker und die Sicht verschwamm undeutlich, er würde gleich den Spruch aufheben müssen, das war ihm klar, doch er wollte noch Ramloc und Magnus in diesem Licht sehen und versuchte sich umzudrehen. Er sah noch einen Flecken Weiß in Grithias Kokon, dann wurden die Schmerzen übermächtig und er beendete die Magie. Die Farben verschwanden und das Dunkel kehrte nach einem letzten aufblitzendem Farbklecks, zurück. Dann sah Dimitrion wieder normal. Eine unsägliche Schwäche breitete sich in ihm aus und er fiel ohnmächtig rückwärts. Grayden fing ihn auf und liess ihn, mit Hilfe von Magnus, langsam zu Boden gleiten.

Der Halbelf erwachte mit einem leeren Kopf und er fand die materielle Sicht als fade und nichtssagend. Er richtete sich auf.
»Na? Endlich wach?«, fragte ihn jemand von der Seite.
Er konnte die Stimme nicht einordnen und erinnerte sich, dass sie dem Schildmeister Grayden gehörte und lächelte schwach.
»Wir haben uns schon Sorgen gemacht, Dimitrion. Du lagst über einen Tag ohne ein einziges Anzeichen von Leben da. Nur dein ganz schwacher Atem hat verraten, dass du nicht tot warst. Wir hatten alle Angst um dich.«
Das war eine Frauenstimme von der anderen Seite. Nur langsam kehrte seine Erinnerung an diese Welt zurück und er legte sich wieder hin.
»Ruh` dich noch aus. Hier trink das.«
Ein Becher wurde an seine Lippen gehalten und er nahm einen würzig-süßen Geruch wahr. Der erste Schluck brannte in seiner trockenen Kehle, doch dann machte sich sein Durst bemerkbar und hastig schluckte er das Getränk herunter.
»Langsam, Dimitrion, Langsam.«
Mit einem Seufzer glitt er in einen wirren Schlaf über, mit Träumen aus Farbe, Licht und Bildern. Als er wieder aufwachte, dämmerte es bereits und hungrig aber erholt, erhob er sich. Er roch Fleisch über dem Feuer braten und griff sich einen Spieß.
»Da scheint jemand endlich von´n Tot’n auferstand’n zu sein«, spottete Ramloc kameradschaftlich.

Dimitrion hob die Hand um zu zeigen, dass er verstanden habe.
»Alles wieder in Ordnung?«, fragte Shana.
»Denke schon. Wie lange war ich weg?«
»Einen ganzen Tag.«
Dimitrion rieb sich über die Stirn. Er erinnerte sich, auf etwas gezeigt zu haben.
»Habt ihr den Anker gefunden?«
»Ja, es ist das Buch und nicht der Kristall, wie ich dachte. Wir müssen uns beeilen. Grithia verfällt zusehends, weil wir sie nicht in den Kristall zurückschicken können ohne vorher in Erfahrung zu bringen wo der Tempel liegt. Hast du ihn vielleicht gesehen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ja.«

Ihm dämmerte, im letzten Augenblick bevor er ohnmächtig wurde, einen breiten, giftgrünen und purpurnen Streifen am Horizont gesehen zu haben.
»Im Südwesten habe ich etwas erkennen können, das könnte er gewesen sein«, sagte er mit geschlossenen Augen um seine Erinnerung aufzufrischen.
»Dann brauchen wir das Monster ja nicht mehr, oder?«, rief Magnus mordlustig, sodass auch Grithia ihn hören konnte.
Shana wurde wütend und drehte sich ruckartig zu dem Nordmann.
»Was ist denn mit dir los, verdammt noch mal?«, schrie sie ihn an. »Ständig geiferst du nach ihrem Tod wie ein aufgehetzter Pöbel.«
In ihr stieg trotz der Fortschritte, eine heiße Wut auf Magnus hoch. Er schaute sie an. Ihr Wutausbruch kam völlig überraschend und ihm blieben die Worte im Halse stecken.
»Zuerst Zemmgin, der uns wirklich nichts getan hat und jetzt die Schlangenfrau. Ich gebe zu, sie hat uns töten und fressen wollen. Aber sie will uns helfen wenn wir ihr helfen. Damit wir den Tempel und somit die Kinder finden. Geht das in deinen Dickschädel rein oder nicht, Magnus?«
Sie war zornesrot angelaufen und stemmte die Hände in die Hüfte.
»Wenn du irgendjemanden oder etwas töten willst, dann geh’ in den Sumpf und jag’ ein paar Krokodile.«
Magnus stotterte herum, auf der Suche nach einer Antwort oder einer angemessenen Erwiderung. Nach dem er mehrmals den Mund geöffnet und wieder geschlossen hatte, liess er einfach die Schultern hängen. In der Ruine war es schlagartig still geworden. Shanas Herz pochte laut in ihrer Brust und sie atmete schnell. Sekunden vergingen. Magnus stand auf und ging an Shana vorbei. Auf gleicher Höhe warf er ihr einen kurzen Blick zu, doch sie starrte nur geradeaus. Ramloc folgte ihm. Minuten lang sagte niemand etwas, dann ergriff Grayden das Wort: »Shana, Liebste, beruhige dich.«
Seine Stimme war sanft und schmeichelnd.
Er musste sich wiederholen, bevor sie reagierte. Langsam ebbte ihr Zorn ab, ihre Hände zitterten als Grayden sie umarmte.

Fortsetzung folgt in Episode 040: Die alte Ruine im Sumpf (10) ...



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