Früher litt ich unter einer Art Verfolgungswahn.
Nicht gegenüber Menschen oder so, sondern gegenüber dem Leben. Ich wartete immer darauf, das mein Schicksal mir den nächsten Schlag mitten in die Fresse verpasst.
Ich konnte schöne Momente gar nicht genießen, weil ich nur auf den nächsten Tiefschlag wartete, von dem ich mit 100% Sicherheit wusste, er würde kommen.
Das Lebe spielte eindeutig gegen mich und ich fühlte mich von ihm verraten.
Jedes Hindernis das meinen Weg kreuze war eine Strafe, etwas was mich aufhalten wollte und raubte mir jede Kraft.
Gott sei Dank wurde ich älter, machte eine Therapie, verbesserte meine Fähigkeit zu reflektieren und auf einmal, erkannte ich etwas Fundamentales.
Das Leben ergibt erst im nachhinein Sinn.
Phasen die für mich im Moment des Erlebens unerträglich erschienen, waren rückwirkend betrachtet, ein Segen für mein Leben.
Ich bin mir nicht sicher, was genau Ursache und Wirkung dieses Gesinnungswandels war.
Irgendwann fing ich an, aus Schwierigkeiten das Maximum herauszuholen. Ich erlebte sie ja sowieso, ob ich Lust dazu hatte oder nicht. Wenn ich eh nicht darum herum kam, wollte ich wenigstens etwas daraus lernen, damit der Scheiß nicht umsonst war.
Auf einmal hatte ich hinterher so viel aus dem Schlamassel gelernt, das ich dankbar dafür war ihn erlebt haben zu müssen.
Inzwischen hatte sich meine Haltung um 180 grad gedreht.
Wenn ich Probleme bekomme, fühle ich mich kaum noch bedroht, sondern kann sie als Chance erkennen, neue Erfahrungen zu sammeln und mich zu entwickeln.
Ich habe so viel Scheiße erlebt und für mein Empfinden erfolgreich gelöst, das ich ein tiefes Vertrauen in mich selber gewonnen habe, alles in den Griff zu bekommen und immer am Ende irgendetwas gutes daraus gewinnen zu können.
Gern möchte ich das wieder am Beispiel meines kranken Hundes zeigen.
Mylo war natürlich so gesehen ein absoluter Fehlkauf und eine katastrophale Entscheidung. Ich habe mich verarschen lassen und mir einen kranken Hund gekauft.
Ich könnte jetzt wütend sein auf seine Vorbesitzer die mich derart verascht haben und keinerlei Verantwortung übernehmen wollten für den Hund, den sie billig bei EBay-Kleinanzeigen erstanden haben. Ich könnte wütend auf mich selber sein, so naiv einen Hund in meine Familie geholt zu haben, der nicht nur mein Leben bedroht hat, sondern auch das meines Mannes.
Ich könnte mich als Opfer empfinden über all den Schmerz, den Kummer, die Angst das Bedauern und die verlorene Liebe.
Aber so empfinde ich das nicht.
Ja, zweifelsohne ist es ein unglaublich grosses Unrecht, das skrupellose Menschen aus Geldgier heraus Hunden so etwas antun und darüber hinaus auch noch Menschenleben gefährden. Mylo hat uns zwar derart übel zugerichtet, das ich sogar mit dem Notfallkrankenwagen ins Krankenhaus gefahren werden musste und mein Mann und ich werden zeit unseres Lebens deutliche Narben tragen, aber er hätte uns auch umbringen können. Es ist unmöglich und ich verstehe nicht, wie ein Mensch seine Gier nach Geld über das Leben eines Tieres und das seiner Menschen stellen kann.
Natürlich würde ich nie wieder derart leichtfertige Entscheidungen treffen ABER – ich bereute es keine einzige Sekunde, diesen Hund damals mitgenommen zu haben.
Er hat in der ersten Sekunde mein Herz erobert und es gehört ihm bis zu meinem letzten Atemzug.
Mylo war eine Bereicherung für mein Leben. Er hat mir so viel geschenkt. Er hat mich unglaublich glücklich gemacht, mir große Erfolgsmomente gegeben und mir mehr als deutlich meine Grenzen aufgezeigt.
Er war eine Bereicherung für die Beziehung mit meinem Mann. Zu erleben das wir so eine schwere Krise als Team gemeinsam bewältigen, das wir uns 100% aufeinander verlassen können, war ein unglaubliches Geschenk für unsere Ehe.
Vor Mylo waren wir ein Paar, jetzt sind wir eine Familie.
Wir sind nicht nur unglaublich an dieser Verantwortung gewachsen, es hat unser Leben rundum verändert.
Mylo zeigte uns deutlich, wie schnell alles vorbei sein kann und wie unglücklich wir waren. Wir lebten nicht das Leben, was wir wollten, wir folgten nicht unserem Herzen, sondern dem, was wir glaubten, wolle die Gesellschaft von uns.
Durch Mylo wurden wir wachgerüttelt und stellten schockiert fest, dass der Zug unseres Lebens in die falsche Richtung fährt.
Ich bin so dankbar für diese kostbare Erfahrung und bereue nichts.
Dieser Hund hat mich zu einem besseren Menschen geformt und mir ein unglaubliches Geschenk gemacht, das werde ich ihm niemals vergessen.
Alle Probleme, die uns begegnen, sind Chancen zu wachsen.
Wir können sie natürlich verstreichen lassen, eine Opferhaltung annehmen und der Welt die Schuld geben.
Ich nehm die Herausforderungen an und vertraue darauf, dass ich wachsen werde und mit jedem neuen Schritt mehr an das Potential herankomme, welches in mir schlummert.
Ein sehr schöner Artikel. Nicht mit dem Leben hadern sondern immer das beste daraus machen denn alles hat seinen Sinn.
Ich habe soviele Schläge vom Leben erhalten und habe alle richtig verstanden bzw. bin dankbar dafür :-)
Ganz am Rande ich habe eine Narkolepsie ;-) und man wollte mich schon 80% schwerbehindert beschreiben. Das habe ich aber damals 2004 nicht mitgemacht sondern habe mich dazu entschlossen ganz gesund zu werden. Nicht der kürzeste Prozess aber klappt ganz gut bisher ;-)
Wow was für eine bewegende Geschichte mein Lieber.
Respekt vor dieser Entscheidung und danke, dass du das hier mit uns teilst.
Das ist die beste Einstellung die ma haben kann, go for it egal was kommt.
Ich finde, du kannst sehr stolz auf dich sein, den schwereren Weg gewählt zu haben, dass schaffen nicht viele.
Genau, Probleme sind Chancen etwas zu verändern. Jeder muss sich selbst verändern bevor die Welt sich verändert, wenn er auf den anderen wartet und dann erst sich selbst verändert, wird es lieder nichts. Toller Post, upvoted
Genau so ist es ihr Lieben <3
Sehr schön geschrieben Rachel. Ich sehe e genau so - nicht immer aber häufig kann der größte "Shit" eines der besten Geschenke für uns sein!
Danke fürs dran erinnern :)
Es kommt glaub ich immer darauf an, was man daraus macht.
Wenn man sich hängen lässt, bleibt Shit eben Shit... oder man nimmt den Scheiss und nutzt ihn um wenigstens etwas Gutes daraus zu lernen. Find ich immer die Bessere Lösung. Heisst nicht das mans danach geil findet.
Mylos Verlust tut mir immer noch weh und ich bin nicht der einzige mensch, der ihn vermisst.
Du hast einen sehr gelungenen Beitrag geschrieben, Rachel, und einen guten Bogen der Erkenntnis gespannt. Uns allen ist der Satz mit dem "rückwärts Verstehen" geläufig. Aber eben nur intellektuell. Du konntest aus deiner einschneidenden Erfahrung am eigenen Leib und in der eigenen Seele diesen Satz integrieren und bist damit einen riesigen Schritt gegangen. Ich finde es immer wieder berührend, daß du über solche und ähnliche Ereignisse offen berichtest. So teilst du uns tiefe Einblicke in dich und dein Verständnis vom Leben mit. Dazu gehört auch sehr viel Mut, den ich bewundere. Und dazu kommt Dankbarkeit, daran teilhaben zu dürfen. Alles Liebe!
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Danke für deine lieben Worte <3
Ich tue das vor allem weil ich eben genau das glaube, das andere Menschen mehr Zugang zu sich selber finden wenn wir solche Erfahrungen miteinander teilen. Dann lernen wir vom tiefen Verständnis der Anderen.
Ich würde es nicht Verfolgungswahn nennen, jedenfalls nicht für mich. Sukzessive bewußt geworden, daß ich aus mangelnder Reflexion Fehlentscheidungen treffe, ist mir erst ab Anfang/Mitte 20. Ich unterscheide inzwischen danach, wen diese betreffen: eine Gruppe, ein paar Einzelpersonen, eine andere Einzelperson, eine oder mehrere Einzelperson(en) und mich, mich alleine. Danach richtet sich dann die Priorität, die die Lösung des Problems hat: ich komme zuletzt. Klingt jetzt erstmal komisch, aber ich bin überzeugt, daß man in einer Gesellschaft vor allem zurückstecken können muß.
Ich warte nicht aktiv auf "Unfälle", die passieren ja ganz spontan aufgrund mangelnder Planung meinerseits. Das Hindernis bin in meiner Wahrnehmung daher ich selbst.
Ich führe seit 20 Jahren Diskussionen über den Sinn und Unsinn meiner Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen, bis letztes oder vorletztes Jahr vor allem mit meinen Eltern, aktuell leider mit den Therapeuten. Wirklich gelitten hat unter dem, was ich gemacht habe, keiner. Trotzdem bin ich nicht stolz darauf, weil mir ein neutraler Blick auf die Geschehnisse wichtiger ist. Ich denke, ich bin dann glaubhafter. ;)
Der einzige Mensch der deine Entscheidungen 100% verstehen musst, bist am Ende du!
Alle anderen müssen das nicht und können das auch nicht.
Zurückstecken finde ich ein negatives Wort für mich persönlich.
Ich liebe es zu Geben, anderen Mehrwert zu schenken aber ohne selber verzichten zu müssen sondern mit eigenem Gewinn.
Etwas zu bereuen bringt ohnehin nichts, denn das was Du "bereuen" könntest liegt in der Vergangenheit und diese kann niemand ändern.
Zumindest nicht nach unserem heutigen Wissensstand.
Im Film „Edge of Tomorrow" ist es Tom Cruise ja gelungen. Das war aber nur ein Science Fiction Film.
Ursache und Wirkung in wahren Leben hängt immer davon ab was Du die meiste Zeit denkst, denn genau das wirst Du bekommen laut dem Gesetzt der Anziehung. Andere nenne es auch das Affinitätsgesetz
Seh ich genau so sehe ich es auch :)
Das ist ein toller Beitrag. Ich werde dich daran erinnern, sobald ich meine Serie fortführe. Dieser Aspekt hat viel mit deiner Person und deinem Stresserleben zu tun und passt, mal wieder, als perfekte Ergänzung zu diesem Thema. =D
Schön wie wir uns da ergänzen, das finde ich toll. Danke das du ihn gelesen hast und dir die Zeit für einen Kommentar genommen hast.
Das kann ich echt bestätigen, irgendwie ist alles zu was gut. Auch wenn man es sich in dem Moment, wo man im Schlamassel drin steckt, nicht vorstellen kann. Doch das mit deinem Hund ist schon krass, was euch da passiert ist.
Ja, zumindest kann man aus allem was Gutes ziehen, wenn man will.
Ja das war krass, aber der Kleine musste ja zu irgend jemandem kommen und ich bin dankbar, das er zu uns kam.
Das Leben wirft uns leider immer wieder Steine in den Weg. Ich finde es klasse wie du letzendlich damit umgegangen bist. Sehr schöner Artikel und für mich sehr lehrreich ;) lese gerne deine Posts
Oh das freut mich sehr, danke für das tolle Feedback und wundervoll, wenn du etwas mitnehmen konntest.
Ich denke, es ist der einzige vernünftige Weg damit umzugehen, alles andere schadet am Endeffekt nur dir selbst. Wir haben ja nur hier und heute, was wir aktiv gestallten können, dass sollten wir nutzen.
letztlich liegt in allem was uns passiert eine chance, worin die besteht ist meistens verborgen und nicht einfach herauszufinden. Es ist sehr schön wie du über einen Hund schreibst der letztlich gefährlich für dich war, nicht aus sich selbst sondern aus den Umständen heraus. Ich würde mir wünschen das mehr Menschen sich so über die Dinge erheben könnten um klarer zu sehen ..
Ui danke für die lieben Worte.
Jeder hat die Chance das best mögliche aus seinem Leben zu machen, wenn man bereit ist auch mal die Extrameile zu gehen und zu reflektieren.
So wie ich das herauslese, bist du da genauso an board wie ich :)
Schön dich dabei zu haben.
Sehr schöne und berührende Geschichte, Respekt!
Danke :)
Ja, Mylo. Er hatte von vornherein keine Chance. Wie so viele Hunde, die quer durch Europa gekarrt werden und in sogenannten "puppy mills" geboren werden. Und schön, daß er als Gewinn gesehen wird, trotz allen Schwierigkeiten.
Ich denke, wir haben alle 3 das Beste aus der Situation gemacht und das er ein, den Umständen entsprechend, gutes Leben hatte bei uns.
i am surely your post very nice post and great post.... have a nice day @asperger-kids
Thank you, you too.
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