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RE: Die Schillerstraße - Brutstätte wild wuchernder Langeweile in Zeiten meiner Jugend.

in #deutsch3 years ago

Das mit den Straßennamen ist ein interessantes Thema, welches mal ein eigenes Post (mindestens eins) verdienen würde.
Man sollte wohl den verantwortlichen für die Namensgebung etwas Gnade gewähren, denn so einfach ist das wirklich nicht. Ganz früher - und das geht wirklich sehr weit zurück - wurden die Städte (vom meist sehr überschaubarer Größe) nach Gewerben und deren Innungen aufgeteilt. Da gab es dann die Mühlengasse, die Brauergasse, die Schneider-, Gerber-, Tischler- usw. Gasse. Im 18. und 19 Jahrundert bekam die Stadtplanung mehr System, was auch dringend nötig war, wuchsen die Städte rapide an. Zudem legte man zu dieser Zeit größten Wert auf Bildung und Kunst, und Leute wie Goethe und Schiller galten ja als Giganten auf dem Gebiet. Also bekam jede Stadt ihre Schiller Straße. Und dann noch gern die Namen von angesagten Politikern, wie zB. Bismark, was sich später aber noch als Problem erweisen würde. Auch ging das Wachstum immer weiter, und so kam noch eine Menge an Baum, Blumen, Vogel, usw. Namen dazu, sowie Ortsnamen die man für historisch wichtig hielt, wie Breslau, Danzig, Berlin, Leipzig usw. - nicht zu verwechseln mit Ortsnamen wo die Straße tatsächlich ninführt, die gabs schon lange. In neuerer Zeit begibt man sich auch wieder auf dünnes Eis und benennt Straßen nach "verdienten" Persönlichkeiten. Das mag bei manchen gut gehen - bei anderen vieleicht nicht - die Geschichte wird es zeigen.
Diese Straßennamen nach irgendwelchen Helden und Patrioten können auch im Alltag schon ganz schön nerven. In Brasilien zB. haben sie oft Straßennamen wie "Rua Commandante Hector Emanuel Herreira Santos Villarosa", das kann sich kein Mensch merken, noch auf einen Brief als Adresse schreiben. Hört sich aber echt wichtig an.
Am anderen Ende des Spektrums sind da die Amis, mit der Durchnummerierung der Straßen, die aber bei der Gitterstruktur der Stadtplanung sinn macht.

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Mit einem einzigen Post kommst du da mit Sicherheit nicht an das Ziel, das du im Visier hattest.
Eher leicht abzuarbeiten hierbei das bunte Gesteck aus Blumen, Gehölze und Leihgaben aus der Tierwelt. Meist zu beobachten in Neubaugebieten, weil dort das Sortiment zur Verfügung steht, bei deren Auswahl mit dem geringsten Widerstand in den Ausschüssen zu rechnen ist.
Wohingegen Patriotismus der Topf zu sein scheint, an dem sich unter Garantie die schönsten Brandblasen angeeignet werden.
Schönstes Beispiel (weil ganz in der Nähe meiner ehemaligen Heimatstadt und daher logischerweise im Saarland, das an Übersichtlichkeit kaum zu überbieten ist), die Stadt Völklingen, die ihren verflossenen Reichtum dem Stahl und der Familie Röchling verdankt. Ohne Hermann Röchling hätte die Stadt, unweit von Saarbrücken, ein komplett anderes Aussehen. Somit ein ganz feiner Mann, der Herr Röchling. Die Tatsache, dass jener Mann direkt nach der ersten Saarabstimmung mit der Mitgliedsnummer 6.934.529 in die NSDAP aufgenommen wurde, hatte man zwar gewusst, doch sind in der Kohle- und Eisenstadt die Teppiche riesig und schwer. Einmal darunter gekehrt, passiert lange, lange nichts. Erst jetzt, als einige Projekte, mit denen man sich aus der finanziellen Misere befreien wollte, sich als Rohrkrepierer erwiesen, entsann man sich eines Themas, das vonseiten der Presse nicht gleich wieder Hohn und Spott für die Stadtverordneten bereithält. Da war doch noch was mit dem Röchling ... Nur blöd, dass von Sportvereinen, Straßennamen, Plätze oder Brücken alles mit der Familie in Verbindung gebracht werden kann. Schon wieder ein Problem!
Völklingen ist auch die Stadt, in der, am Rande einer Bürgerversammlung oder was Ähnlichem, ein Bürger sich heftigst darüber beschwerte, dass die Stadt es noch immer erlaubt, dass die Häuser mit arabischen Ziffern gekennzeichnet sind. Daher seine Frage, ob es denn so schwierig sei, sie durch lateinische zu ersetzen? Dem Mann wurde versprochen, man kümmere sich um die Angelegenheit. Vielleicht wird ja mal eines Tages eine Straße nach ihm benannt? :-)

Das ähnelt sehr der Historie der Gegend wo ich herkomme, dem Ruhrgebiet. Und besonders der Stadt Essen. Dort war bekanntermaßen die Familie Krupp zuhause. Und erheblich an der Industrialisierung und dem Aufschwung des Ruhrgebiets allgemein und Essens insbesondere beteiligt. Natürlich auch mit allerhand Spenden und solchen Sachen. Peinlich nur, das ein gutteil des Geldes mit der Herstellung von Waffen für diverse Staaten und Kriege verdient wurde. Aber Geschäft ist Geschäft, da darf man nicht pingelig sein. Sieht man ja auch zur Zeit wieder.
Entsprechend findet man in der Gegend auch heute noch Alfred Krupp Straßen und sowas. Waren halt nur kleine Kriegsverbrecher, da kann man mal ein Auge zudrücken.
Das ging natürlich nicht so in der Meisterklasse. Zwar gab es in jeder Stadt die auf sich hielt einen Adolf Hitler Platz und eine Göring Allee, Goebbels und Udet Straßen und noch hundert andere, aber die waren nach der Kapitulation 45 schnell verschwunden. Bei der Entfernung der Straßeschilder hatten die Allierten ja schon tatkräftig mitgeholfen, durch die Flächenbombardements. Erstaunlicherweise konnte sich auch niemand erinnern, wo diese Straßen gewesen waren, sogar wenn die Häuser noch standen.
Man sollte daher denken, das daraus Lehren gezogen worden sind - aber nein, das Erinnerungsvermögen der meisten Menschen ist recht beschränkt. Und so gab es bald schon wieder Adenauer- Kennedy- und seit neuestem auch Obama Plätze.
Was da wohl mal in ferner Zukunft drüber geschrieben wird? "Obama, das war doch der, der das Foltergefängnis Guantanamo nicht schließen wollte." Oder ähnliche Sachen. Aber egal, Schilder lassen sich ja leicht auswechseln.

Schilder lassen sich ja leicht auswechseln

Es dauert eben immer eine Weile und wenn dann jemand aufmuckt, dann fragt sich die betroffen dreinblickende Schar der Vergesslichen: Was soll denn der jetzt angestellt haben?
Guantanamo war schließlich nicht der einzige "Freizeitpark" auf dem sich Obama ausgetobt hat. Nach ihm dürften, wenn überhaupt, ausschließlich Sackgassen benannt werden - oder der Feldweg zum nächsten Truppenübungsplatz. Doch, wie du sagst, es warten jede Menge Obamas und Friedensnobelpreisträger auf ihre Verewigung auf Schildergröße.