Venezolaner nutzen BitCoin zum Überleben, nicht zur Spekulation
Für die meisten von uns ergibt die Welt von BitCoin wenig Sinn, doch in diesem Land ist die lukrative Kryptowährung eine “Frage des Überlebens”.
Publiziert auf news.com.au am 15. Dezember 2017
übersetzt von @besold
Letzten Monat kaufte John Villar zwei Flugtickets nach Kolumbien, erwarb die Medikamente für seine Frau und bezahlte die Angestellten seines Start-Up-Untenehmens — und das alles in BitCoin.
Während Venezuelas Landeswährung dramatisch an Wert verliert, haben sich Tausende der Welt der Kryptowährungen zugewandt um die kläglichen Reste ihrer zunehmend wertlosen Bolivars [Landeswährung in Venezuela] zu retten.
“Hier geht es schon lange nicht mehr um Politik,” sagte Villar, “es geht ums wirtschaftliche Überleben.”
Sowohl arme venezolanische Rentner, als auch vermögende Wirtschaftsführer wechseln mittlerweile ihre Landeswährung online in BitCoins und nutzen die digitale Währung dann, um für alles Mögliche damit zu bezahlen, angefangen von Arztterminen über Hochzeitsreisen und Motorräder bis hin zu exklusiven Bieren. Die Transaktionen sind relativ schnell wenn man ein Smartphone benutzt — Webseiten wie LocalBitcoins und ColiBit dienen als Wechselstuben, bei denen Venezolaner BitCoins über ihre heimischen Bankkonten kaufen und verkaufen können.
Die Hinwendung zu Kryptowährungen in Venezuela findet zu einer Zeit statt, da der Preis von BitCoin gerade einen Höchststand von 13.700€ diesen Monat erreicht. An einer großen US-Börse wurden diese Woche BitCoin Futures erstmals gelistet. Doch während BitCoin in den Industrieländern ein Spekulationsobjekt ist, wurde er in Venezuela zu einem Mittel, um die Familie über Wasser zu halten. Einige Venezolaner kaufen Bruchteile von BitCoins um sich damit Ersparnisse anzulegen. Die Anzahl der Venezolaner, die BitCoin benutzen bleibt unklar, aber das wöchentliche Handelsvolumen auf einer weitverbreiteten Website stieg in der ersten Dezemberwoche rapide von ungefähr 225.000 auf 2,1 Millionen US-Dollar an — und das in einem Land, in dem der monatliche Mindestlohn bei unter 2US$ auf dem Schwarzmarkt liegt.
John Villar fing an BitCoin statt Bolivars zu nutzen um den Absturz des Bolivars finanziell überleben zu können.
Bild: Fernando Llano / Quelle: AP
Laut der Daten-Website CoinDance, liegt diesen Volumen deutlich höher als das Volumen der selben Seite in weniger benachteiligten Ländern in der Region, einschließlich Argentinien, Brasilien und Chile.
“Venezolaner flüchten in digitale Währungen,” sagt ColiBit-Gründer Rafael Useche.
Einer von ihnen ist Jorge Ochoa, 34, der einen Teil seiner BitCoin-Ersparnisse veräußert hat, um seine Frau auf Hochzeitsreise nach New York City zu führen.
Der Trend hin zu Kryptowährungen in einem Land, für das eine Inflation von über 2000 Prozent prognostiziert wurde, ähnlich wie in anderen Ländern die vom Wirtschaftskollaps bedroht sind. Im Zuge der Krise in Griechenland, der Hyperinflation in Zimbabwe und den Unruhen in der Ukraine, benutzten notleidende Bürger zunehmend BitCoin.
In Venezuela erlaubt es die sogenannte “Krisenwährung BitCoin” den verzweifelten Venezolanern lebensrettende Dinge zu kaufen. In den letzten zwei Jahren waren etliche Medikamente für die Behandlung der Multiplen Sklerose seiner Frau für Villar in Venezuela nicht auftreiben. Diese Geschichte ist nicht unüblich in einem Land, in dem der Gesundheitssektor durch Kürzungen stark eingeschränkt wurde. Er kaufte die Medikamente stattdessen im Ausland mit BitCoin und nutzte Logistikdienste für die Lieferung.
“Für viele Menschen in Venezuela wird BitCoin längst nicht mehr nur als Geschäftsmöglichkeit gesehen”, sagte er.
Ein Mann benutzt einen BitCoin-Automaten in HongKong.
Bild: Kin Cheung / Quelle: AP
Die Frühnutzer von BitCoin in Venezuela waren großteils Ingenieure und Wirtschaftsführer, aber heutzutage, so Herr Useche, sei er überrascht von der Zahl von armen, betagten Venezolanern, die kleine Mengen an BitCoin kaufen. Zwar ist der Preis von BitCoin hoch volatil, doch Venezolaner, die kaum oder keine Möglichkeit haben, ihre Bolivars in irgendeine andere Währung zu tauschen, glauben, daß BitCoin immer noch sicherer ist als die venezolanischen Geldscheine, die beständig an Wert verlieren, und zwar von einem Tag auf den nächsten. “Vielmehr als nur ein Anlagewert, der derzeit im Preis steigt, ist BitCoin eine Reservewährung”, sagt Herr Useche.
Kryptowährungen sind so angesagt, daß sogar Präsident Nicolas Maduro den Vorschlag einbrachte, eine von der Regierung gestützte Digitalwährung herauszubringen, die "Petro" heißen soll, und Mitglieder seiner Regierung haben sich mit venezolanischen BitCoin-Unternehmern getroffen um zu beraten, wie so eine Währung funktionieren könnte. Obwohl recht wenige Einzelheiten nach außen gedrungen sind, zeigten sich viele aus der BitCoin-Welt der Idee gegenüber äußerst skeptisch. Sie sagen, die Venezolaner würden keiner digitalen Währung trauen, die von einer Regierung herausgegeben wird, zu der sie kaum vertrauen haben.
Doch finden sich zu BitCoin auch viele Nörgler von der Wall Street bis Caracas. Kritiker betonen, daß BitCoin weder an eine Bank noch an eine Regierung gebunden ist, was es den Benutzern ermöglicht, ihr Geld anonym auszugeben, was wiederum rechtswidrige Zahlungen ermöglicht. Das ist in einem Land wie Venezuela durchaus ein Grund zur Sorge, da es sich um ein wichtiges Transitland für Drogen handelt, und als eines der korruptesten Länder überhaupt gilt. Die Behörden erlauben den Handel mit BitCoin weitgehend, obwohl sie Leute schwer bestraft und verhaftet wurden, die Computer nutzten, um BitCoin zu verdienen, indem sie Transaktionen in Kryptowährungen prüfen. Sogenannte "Mining"-Unternehmen brauchen massive Mengen an Strom, der in Venezuela stark subventioniert ist — was automatisch bedeutet, daß der Staat am Ende dafür bezahlt.
Natürlich sind BitCoins im realen Leben nichts weiter als viele Einsen und Nullen.
Bild: Rick Bowmer Quelle: AP
Ein venezolanischer BitCoin-Miner, der aus Furcht vor Repressionen unerkannt bleiben wollte, sagte, daß die Behörden von ihm erst 20.000 US$ Bestechungsgeld verlangt haben, sich aber dann mit elf seiner etwas mehr als zwanzig Mining-Maschinen zufriedengaben. Er sagt auch, daß die selben Beamten ihn gelegentlich kontaktieren, wenn sie technische Hilfe benötigen. Andere berichten, daß sie von Beamten erpresst wurden, und daß die eine Bezahlung in BitCoin verlangten. Obwohl die Benutzung von BitCoin immer beliebter wird, werben nur wenige Geschäfte damit, BitCoin zu akzeptieren, und zwar aus Sorge, man würde sie deswegen auch erpressen. Es ist also immer noch schwierig, in Venezuela mit BitCoin einzukaufen, daher wandeln die Leute BitCoin in Bolivars um, um Lebensmittel und andere Dinge einzukaufen. Venezolaner, die BitCoin besitzen, können ihre Digitalwährungen auf einer von einem halben Duzend virtueller Börsen verkaufen, die voll sind mit Landsleuten, die BitCoin kaufen möchten.
Der Dollar ist zwar nach wie vor gefragteste Fluchtwährung für viele Venezolaner, die gerne ihre Bolivars loswerden wollen, aber es ist nicht leicht an Dollar zu kommen, und normalerweise wird dazu ein Schwarzmarkt-Broker benötigt. Kauft man hingegen BitCoin, erübrigt sich die Notwendigkeit eines Mittelsmannes, da die Transaktionen direkt von Nutzer zu Nutzer gemacht werden können. Außerdem braucht man kein ausländisches Konto, um BitCoins zu sparen. Venezolaner können nämlich keine Dollarkontos bei den Landesbanken besitzen.
Kryptowirtschaftsberaterin Mariana Leon sagte, sie habe vielen Betrieben in der Zucker-, Schokoladen- und Rum-Branche geholfen, ihre Bolivars in Kryptowährungen zu investieren, um sich dadurch auf dem Markt zu behaupten, während andere Betriebe bankrott gegangen sind.
“Der einzige Grund, warum sie überlebt haben war weil sie in Kryptowährungen investiert haben,” sagte sie.
Für Villar ist das Risiko besonders hoch, und zwar nicht nur für sein Geschäft. Ein Ingenieur, der früher ein Biometrieunternehmen leitete, setzt seine finanzielle Zukunft nun in die Entwicklung eines Computerspiels, welches mit der alternativen Kryptowährung PepeCash läuft. Ein Dutzend Angestellter arbeiten in einem kleinen, mit Computern gefüllten Büro in einem Industriegebiet östlich der Hauptstadt. Alle erhalten einen Teil ihres Einkommens in BitCoin. Seine Frau, auch eine Ingenieurin, ist mittlerweile an den Rollstuhl gebunden.
“Ich besitze derzeit nicht einen einzigen Bolivar”, sagt er.
news.com.au (Australien) - »Venezuelans seeing bitcoin boom as survival, not speculation«
sehr interessant. Auf steemit ist die Venezolanische Community sehr aktiv.
Eine ganz interessanter Beitrag von BTC Echo zu Venezuela und Bitcoin: