Der Dammbruch - Deutsche Demokratie Dreht Durch

in #deutsch5 years ago (edited)

Normalerweise halte ich mich ja zurück, wenn es um deutsche Politik geht. Aber jetzt ist mir doch der Kragen geplatzt.

Hintergrund: In Thüringen wurde im 3. Wahlgang Kemmerich von der FDP zum Ministerpräsidenten gewählt, & das mit Stimmen der AfD. Die AfD hatte einen eigenen Kandidaten, diesem aber keine Stimmen gegeben.

Der Aufschrei von links war zu erwarten. Daß "Die Linke" - deren eigene Demokratietreue durchaus angezweifelt werden darf - am lautesten schreit, auch. Was nervt, ist aber die durchgeknallte Reaktion aus der Mitte.

Den Bock abgeschossen hat da ganz klar SPD-Chef Norbert Walter-Borjans:

"Dass die Liberalen den Strohmann für den Griff der Rechtsextremisten zur Macht geben, ist ein Skandal erster Güte."

Weiß nicht, was der Mann raucht oder trinkt, aber muß schon recht starkes Zeug sein. Ich bezweifle gar nicht, daß es bei der AfD Nazis gibt, aber daß die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten dazu führen soll, daß eine Minderheit in der AfD die Macht in Deutschland oder auch nur in Thüringen übernehmen könne, ist doch ein Witz.

Ein Vorschlag zur Güte: Man lasse Kemmerich erstmal eine Regierung bilden & ein Regierungsprogramm erarbeiten. Dann kann man auf sachlicher Grundlage von Fall zu Fall entscheiden, wie man abstimmt.

Dieses dogmatische "Alles, wofür es AfD-Stimmen gibt, wird abgelehnt." ist mir zu hirnrissig. Außerdem riecht mir das zu sehr nach Einheitsfront. Das Demokratieverständnis, das Politiker aus CDU & SPD gerade zeigen, ist jedenfalls fragwürdig & keineswegs besser als das, was sie der AfD vorwerfen.

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Wenn man wirklich glaubt, daß die AfD verfassungswidrige Ziele verfolgt, soll man halt ein Parteiverbotsverfahren einleiten. Dazu wird es natürlich nicht kommen, weil man weiß, daß das Verfassungsgericht mehr bräuchte als ein paar rechtsradikale Spinner in einer Partei, um diese als rechtsextremistisch & verfassungsfeindlich einzuordnen.

Mein Vorschlag für die deutsche Demokratie: Auflösung aller Parteien oder zumindest der Parteiendemokratie. Deutschland wird in 600 Wahlkreise aufgeteilt, in denen jeweils ein Kandidat mit absoluter Mehrheit ins Parlament gewählt wird. Fraktionen sind erlaubt, aber Fraktionsdisziplin wird verboten. Jeder Abgeordnete ist nur seinem Gewissen (& seinem Wahlkreis) verantwortlich.

Als Minarchist wäre es mir natürlich lieb, wenn das mit einer Minimierung staatlicher Einrichtungen einherginge.
Träumerei. Ich weiß.

Edit: Sorry, hatte Kemmerich ohne K geschrieben. Kommt davon, wenn man einfach drauflosschreibt.

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Hi Bossel,

gut zusammengefasst, wobei ich die sogenannte "Mitte" seit Jahr und Tag nicht mehr wiedererkenne.

Ich habe mich mein Leben lang in dieser Mitte gut aufgehoben gefühlt. Keine Angst, ich werde hier nicht mein Leben niederschreiben, aber politisch war ich als Jugendlicher eher der SPD zugeneigt, das hat sich in den Nullerjahren in die CDU verschoben, weil ich vom Wesen her eher wertkonservativ bin und mit vielen Spontiaktionen meiner Generation nicht einverstanden war und z.B. die Polizei schätze und nicht aus Prinzip ablehne oder skeptisch sehe.
Diese Mitte erodiert seit vielen Jahren nach links.

Wenn man sich beispielsweise das Programm der AfD anschaut und das was führende Vertreter über die Jahre in Interviews gesagt haben, so kann ich als politisch Interessierter, der noch weiß, was die CDU und auch die SPD noch vor fünfzehn bis zwanzig Jahren als normal, als mittig bezeichneten, nicht in den Chor der hysterischen Stimmen einstimmen, wir würden vor einem neuen Holocaust stehen. Selbst Björn Höcke, der viel Gescholtene, ist kein waschechter Rassist oder Faschist. Einige Dinge wurden skandalisiert und in der Hochphase der Dämonisierung vor drei-vier Jahren brauchte man diese O-Töne, um die AfD als Ganzes zu diffamieren, damit die Flüchtlingspolitik der "breiten Mitte" weiter ohne Gegenstimme und ohne Kritik laufen konnte.

Es gibt gewisse biologisch-deterministische Aussagen von Björn Höcke, die meinetwegen ein Geschmäckle haben, aber wissenschaftlich fundiert und richtig sind. Es gibt keinen ernsthaften Biologen, der nicht die skandalisierten und verkürzten Thesen von Björn Höcke bestätigen würde. Würde natürlich niemand machen. Man möchte ja nicht wie James Watson enden.
Genauso wie kein Genetiker Thilo Sarrazin vor einer Kamera recht geben würde. Jeder würde die Nase rümpfen, aber an der Wissenschaft kommt am Ende keiner vorbei.
In diesem 1984 Paradigma leben wir schon seit einigen Jahren. Und deswegen meine ich, diese politische, sich in die Tasche lügende, feige Mitte gibt es nur noch auf dem Papier, denn sie wird von links aus von einer Narretei in die nächste gejagt und wer ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr mitwill, wird halt ausgegrenzt und mit dem Label Nazi/Faschist/Rassist bedacht.

Dem kann ich weitgehend zustimmen. Es gibt aber zum Glück in der CDU immer noch einen großen Teil Konservativer. Die Frage ist, wieviel Einfluss die in Zukunft haben werden.

Den Trend nach links gibt es übrigens nicht nur in Deutschland. Ich gebe den 68ern die Schuld. (In Deutschland kommt noch der Einfluss der Wiedervereinigung dazu.) Diese werden sich in den nächsten Jahren aber von der Bühne verabschieden. Mal sehen, ob sich das politische Spektrum dann wieder in die andere Richtung verschiebt.