Geschwurbel #5 - Das sonderbare Buserlebnis

Da trat ich gerade aus der Universität und machte mich auf den Weg Richtung Bus. Eine nette Dame spricht mich an, mit Mundschutz und Faceshield von allen Gefahren des aktuellen Lebens perfekt geschützt. Wie wir mittlerweile wissen, lauert hinter jeder Ecke der Tod. Und so erzählt sie mir von der angeblich schwierigen Prüfung. Die Mundbarrikade und das Windschutzsegel vor den Augen trüben natürlich das Verständnis, aber was macht man denn nicht alles für den Gesundheitsstaat?

Gespräch beendet, auf den Weg zur Haltestelle. Ein Mann schreitet das Trottoir entlang. Zwei Kinder im Schlepptau, vielleicht acht Jahre alt. Herzallerliebst tragen sie rosa Masken mit Glitzerfeen. Schön, dass diese gefährliche Welt auch zuckersüß sein kann. Der Bus kündigt sich an und ich steige ein.

In feinster Militärmanier ziehen sich beim Eintreten alle den Mundschutz über. Auch ich, denn bekanntlich muss man sich vor Strafe schützen. Bald steigt uns ein grimmiger Mann zu, ohne Maske. Was für ein Schreck, hat er denn kein Bewusstsein? Er möchte bei der nächsten Haltestelle aussteigen, doch der Busfahrer hält nicht an. Kalkulierend. Wie sonst kann man den Herrn fortgeschrittenen Alters klar machen, dass er sich auch an die förderlichen Regeln halten muss. Der Mann schreit los und seine Stimme donnert durch das Abteil: „Der Fahrer ist furchtbar. Halten Sie jetzt bitte mal an?“

Endlich erlahmte das Gefährt und der Beteiligte darf den Bus verlassen. Die Insassen schütteln alle nur den Kopf und werfen ihm bösartigste Blicke zurück. Die Spannung sprang praktisch von einem zum anderen. Nun steige ich um. Fahrt Richtung Heimat.

Wieder Menschen im Bus, die vor lauter Wohlsorge ihrer Mitmenschen ernsthafte semi-maskierte Gesichter zeigen. Wie toll, diese Krise spornt auch noch zum Selbstdenken an und transformiert die Menschen noch zu permanent-denkenden Nitzsches und Voltaires. Der Bus rattert dahin und ein Gemisch von heimischen und fremdländisch wirkenden Kindern steigt an. Sie schreien herzallerliebst umher, sodass die Busfenster zu springen drohen. Bis sich erneut ein Herr erhebt und dem fröhlichen Tumult ein jähes Ende bereitet: „Kennt’s ihr bitte stü san? Wia san ja net am Hindukusch.“
Die Jünglinge halten still, fangen dann aber nach zehn Sekunden an zu grinsen und machen sich über den Mann lustig. Bevor es zum Eklat kommt, steigen sie jedoch aus. Wieder das repetitive Kopfschütteln des vorherigen Busses.

Eine hitzige Diskussion beginnt zwischen zwei Damen. Man könnte meinen, dass sie sich gleich gegenseitig ins Grab schicken. Wie schön, dass die Menschen wieder untereinander reden und sich gernhaben. Die Beleidigungen waren bestimmt nur eine Untermalung des freudigen Zustands. Der Bus hält an der Endstation. Ich trete aus der Tür. Die Welt vor mir ist schön, die Menschen auch. An einem Parkplatz setze ich mich auf einen großen Stein. Der Himmel ist blau, die Sonne ist glänzend und doch fühle ich mich so ausgelaugt, wie schon lange nicht mehr.

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