Vorweihnachtliche Samba-Wienerlieder
Heute spielen wir ein kleines Spiel, angelehnt an die Black Stories, die das Um-die-Ecke-Denken fördern sollen. Viel Spaß beim kreativen Nachdenken!
Das Szenario
Schauplatz:
Einkaufsstraße und Shoppingcenter etwas außerhalb von Amsterdam
Zeit:
Etwa eine Woche vor dem Nikolausfest
Szene:
Sambarhythmus tönt durch die Straße, eine kleine Gruppe von bunt angemalten Menschen - „gekleurde Pieten“ genannt - tanzt die Geschäfte entlang und verteilt Luftballons an Kinder. Und da beginnt die Melodie des Stückes: „Oh du lieber Augustin, Augustin, Augustin...“ noch immer vor besagtem Sambarhythmus. Die Kinnlade sinkt nach unten und Fragezeichen treten in die Augen vom Drachen.
Frage: Was ist hier los?
O du lieber Augustin gesungen von Michael Heltau.
Des Rätsels Lösung
Das Lied vom lieben Augustin ist in Holland zwar auch bekannt, mit gleicher Melodie. Man hat aber auch einen Alternativtext für ein Nikolauslied darauf gedichtet:
„Daar wordt aan de deur geklopt - hard geklopt, zacht geklopt; daar wordt aan de deur geklopt – wie zou dat zijn?”
(Da wird an der Tür geklopft – laut geklopft, leise geklopft; da wird an der Tür geklopft - wer mag das sein?).
Wer sind die bunten Menschen?
Früher hieß der Helfer des Nikolaus Zwarte Piet (der schwarze Peter). Nach einigen - aus unserer Sicht verständlichen - Diskussionen (Details erzählen wir weiter unten im Artikel) wurde der Piet nicht nur "gekleurde" (also farbiger) Piet genannt, sondern das wurde auch tatsächlich wort-wörtlich aufgegriffen: Die Pieten des 21. Jahrhunderts sind ganz oft richtig bunt angemalt!
Und der Sambarhythmus?
Der war wohl ein Marketing-Gag, denn der entspricht auch in Holland nicht der Originalversion!
Normalerweise sieht ein Besuch vom Nikolaus mit gekleurde Pieten in etwa so aus:
Nikolaus in Holland und Österreich - eine Gesamtübersicht!
Wer in Österreich Nikolaus gefeiert hat, kennt nur die Hälfte der Geschichte. Man kennt die Geschichte des Bischofs von Myra, der Geschenke an die Armen verteilt hat. In Österreich kommt er am 6. Dezember zu den Kindern und bringt Süßigkeiten und gelegentlich kleine Geschenke. Dabei hilft ihm der Krampus, der sich um die weniger gehorsamen Kinder kümmert. Der Nikolaus, so erzählt man sich in Österreich, kommt mit dem Esel. Woher er kommt und wohin er geht – darüber wird nicht so viel gesprochen.
Anders in Holland: Dort kennt man zwar den Hintergrund vom Heiligen Nikolaus, den sie dort Sint Nicolas, Sinterklaas oder einfach nur Sint nennen, dem Bischof von Myra. Einig ist man sich auch noch beim Feiern – jedenfalls einigermaßen, denn die Schokolade und Geschenke für die Kinder (wenn auch etwas ausufernder als in der Alpenrepublik) sind so ungefähr dasselbe. Doch im Gegensatz zu den Österreichern sind die Holländer über die Reisemodalitäten des Nikolaus wesentlich besser aufgeklärt: Er kommt aus Spanien. Mit einem Schiff. In Holland selber bewegt er sich dann auf dem Pferd fort - und gelegentlich auf dem Fahrrad, vor allem in Downtown Amsterdam. Aber zu den Kindern kommt er schon am 5. Dezember.
Einen Krampus kennen die Holländer nicht. Stattdessen gibt es die Zwarte Pieten, die als Knechte des Nikolaus fungieren. Ist ja auch alles eine Riesenlogistik – das Schiff fahren, das Pferd füttern, den Sack mit den Geschenken tragen, und natürlich die Rute und die vielen Säcke mit den nicht ganz so braven Kindern, die mit nach Spanien genommen werden, was eigentlich gar nicht so ganz schlimm ist im Vergleich mit den armen kleinen österreichischen Kindern, denen man gar nicht dazusagt, wohin sie der Krampus bringt!
Hier ein Bild vom Krampus für all jene, die ihn auch nicht kennen, weil sie zu brav waren oder aus Regionen kommen, in denen es keinen Krampus gibt. Bild von Pixabay / NickyPe.
Warum die Pieten schwarz sind, sei an dieser Stelle nur kurz angerissen. Man sagt sie wären Mauren, da diese in Spanien überwiegend gelebt haben, und daher hatte Nikolaus wohl auch welche als Diener. Man sagt auch, es sei vielleicht gar nicht so diskriminierend gelaufen und die Pieten seien nur deshalb schwarz, weil sie die Geschenke durch den Schornstein abliefern und es dort rußig ist. Was davon stimmt sei dahingestellt. Heutzutage sind die Pieten jedenfalls nur vom Ruß schwarz. Am 6. Dezember ist Sinterklaas wieder dahin, auf seinem Schiff.
Der Reiseplan des Nikolaus im Überblick
Der findige Leser hat aus diesen Geschichten bereits die wichtigsten Fakten für ein komplettes Bild der Nikolaus’schen Reise- und Transportlogistik extrahiert – hier sei sie nochmals zusammengefasst:
- Nikolaus kommt aus Myra, irgendwo in der heutigen Türkei, mit dem Schiff erst mal nach Spanien.
- Entweder dort, oder bereits in seiner Heimat organisiert er sich seinen Trupp an zwarte Pieten (die zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich noch gar nicht schwarz sind) um ihm ein paar Wochen lang zu helfen.
- Jedenfalls muss er in Spanien Station machen, denn es ist von dort ja noch eine Weile zu schippern bis nach Holland.
- Er hat allerhand Sachen dabei: Ein Pferd, einen Esel, ein paar Ruten, ein paar Ketten, kleine und größere Geschenke für Kinder zwischen 1 und 99 Jahren und wahre Unmengen an Süßigkeiten – vor allem Schokolade, Marzipan, Nüsse und Lebkuchen (Dabei wird eigentlich logisch, warum die übriggebliebenen Schokoosterhasen im Frühling angeblich gleich wieder eingeschmolzen und zu Nikoläusen verarbeitet werden – da muss man rechtzeitig anfangen!)
- So ausgerüstet segelt er also mit seinen Helfern nach Holland, wo er Ende November ankommt. Er bleibt dort ein paar Wochen um sich ein Bild zu machen, was jedes Kind braucht.
- Am 5. Dezember geht/radelt/reitet er mit seiner Gefolgschaft von Haus zu Haus. Die Pieten stopfen Geschenke in Schornsteine (die kommen dann irgendwo im Zentralheizungssystem wieder raus und manifestieren sich auf dem Gabentisch), andere nehmen die schlimmen Kinder mit nach Spanien, wieder andere zeigen Kindern die Rute, damit diese ihren Kindern und Kindeskindern noch stolz berichten können, dass sie noch wissen, wie eine Rute ausgesehen hat. Der Nikolaus selber hat alle Hände voll zu tun um die Süßigkeiten zu verteilen – in die Stiefel der Kinder, die sie – mit Karotten für das Pferd gefüllt – nach draußen gestellt haben.
- Das Pferd hat am 5. Dezember auch viel zu tun: Es frisst sich vermutlich gleichzeitig ordentliche Bauchschmerzen an, weil es von ein paar Millionen holländischen Kindern Karotten geschenkt bekommt.
- Hinterher geht es zurück aufs Schiff: Kinder verstauen, das Pferd in die stabile Seitenlage bringen und mitsamt den Pieten und dem Schiff zurück nach Spanien schicken. Nikolaus selber nimmt aber von hier weg den Esel – beladen mit dem wesentlich kleineren Teil des Proviantes (die österreichischen Kinder bekommen ihre großen Geschenke schließlich vom Christkind) – und verschwindet in einer Nacht- und Nebelaktion aus Holland während die aufmerksameren Menschen nur das Schiff ablegen sehen.
- Ebenso heimlich wie er aus Holland verschwindet, taucht er in Österreich noch in derselben Nacht auf. Nikolaus hat einen schnellen Esel, der noch dazu jetzt wochenlang auf dem Schiff geurlaubt hat und der gar nicht weiß wie schnell er von der wackligen Wasseroberfläche weg und auf richtiges Land kommen soll. Alles Taktik!
- In Österreich trifft er sich mit seinem alten Freund, dem Krampus.
- Er überreicht ihm feierlich die Ketten und die Rute – Sack braucht der Krampus keinen, denn er hat ja seine Putte – und dann ziehen sie gemeinsam weiter.
- Krampus macht vor allem Lärm, Nikolaus füllt Stiefel, Teller und sonstige bereitgestellte Gefäße und der Esel, auch wenn er anfängt etwas hungrig zu werden, ist froh, dass er nicht das Schicksal des Pferdes teilt, das wahrscheinlich noch ein paar Wochen Bauchweh hat.
- Am Ende des 6. Dezember gehen Krampus und Nikolaus wieder getrennter Wege. Während der Nikolaus den Krampus schon lang kennt, weiß er doch zu schätzen, dass er mit ihm nicht so viel Zeit verbringen muss, wie mit den Pieten in Holland. Doch eins haben sie gemeinsam: sie kümmern sich gut um die Kinder. Und die meisten, die einige Zeit mit dem Krampus verbracht haben, sind im nächsten Jahr brav wie die Lämmchen (und sie sind jedenfalls im folgenden Jahr wieder bei ihren Familien, was bedeutet, dass sie jedenfalls nicht verschwinden - auf einem Urlaub in Spanien waren sie vermutlich aber trotzdem nicht).
- Nikolaus und sein Esel machen sich danach wieder auf in die Türkei. Sie haben jetzt Zeit für die Heimreise. Wenn sie keine Lust haben zu Fuß zu gehen setzen sie sich sogar tatsächlich auf ein Schiff – die Donau geht schließlich bis ans Schwarze Meer!
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