Vor einem knappen Monat wurde wieder auf Winterzeit umgestellt. Auch politisch ist die Zeitumstellung ein heißes Thema. Doch dabei ist Zeit oft ein dehnbarer Begriff. Bild: Pixabay / annca
Zeit ist flexibel!
Fast jeder, der schon einmal auf Reisen gewesen ist, kennt das Gefühl: In anderen Ländern scheinen die Uhren anders zu gehen. Schneller. Langsamer. Unterschiedlich schnell zu unterschiedlichen Tageszeiten. Und mit der Pünktlichkeit und den Wegzeiteinschätzungen ist es auch so eine Sache.
In den Niederlanden ist dies nicht anders, hat der Drache bemerkt – und dies schon recht schnell nach der Übersiedlung in leidvollen Erfahrungen festgestellt. Das beginnt schon rein sprachlich. Dem Österreicher ist der Gruß „Guten Morgen“ auf die frühen Vormittagsstunden vorbehalten – ein Gruß, der zum Tragen kommt, wenn man gerade in den Tag startet oder in der Arbeit ankommt. Später heißt das „Grüß Gott“ (in Deutschland wohl eher „Guten Tag“, aber unsere deutschen Leser wissen, was gemeint ist). In den Niederlanden, wo Gott nicht an jeder Ecke gegrüßt wird und wo meist auch nicht einfach ein guter Tag gewünscht wird, muss man auf die Uhr schauen. Ist es schon 12 Uhr gewesen? Nein? In dem Fall ist es eisern noch morgen [morchen]. Und goede morgen [chudemorchen] der dazugehörige Gruß. Nach 12 hingegen ist es middag - und dazu gehört sich einen goede middag zu wünschen. Das geht dann bis, naja, etwa 18 Uhr, so deutlich ist das nicht immer. Dann haben wir erst avond.
Der Versuch, Vormittag und Nachmittag zu definieren …
Wer sich jetzt fragt, wie das dann ist mit dem Vormittag (in Österreich etwa die Zeit zwischen 9 und 12, die mindestens eine Zwischenmahlzeit erfordert) und dem Nachmittag (etwa von 13-16 Uhr, mit ebenfalls einer Zwischenmahlzeit je nach Arbeitsintensität), der wird in den Niederlanden enttäuscht. Einen „voormiddag“ gibt es nicht. Die dazugehörige Zwischenmahlzeit kann man somit getrost overslaan (überspringen).
Gefrühstückt wird in de ochtend - das ist alles vor 12 und fast synonym mit de in de morgen, wobei der ochtend subtil etwas früher ist – ähnlich wie im Deutschen „in der Früh“ ("am Morgen") vs. „am Vormittag“. Frühstück, ontbijt (kommt, etymologisch, wie im Englischen vom Fastenbrechen), gibt es irgendwann in dieser Zeit. Und in Cafés durchaus bis 12 Uhr.
Dann muss aber Schluss sein – denn dann ist middag. Und zu Mittag gibt es lunch. Auch hier wird der Österreicher enttäuscht. Lunch bezeichnet das, was man in Österreich als herzhafte Jause verstehen würde – vor allem belegte Brote oder vielleicht eine Suppe kommen dann auf den Tisch. Allerdings war’s das dann noch nicht mit dem Mittag. Der ist gekommen um zu bleiben! Und zwar bis 18 Uhr. Um es noch etwas verwirrender zu machen gibt es außerdem noch den namiddag. Der fängt allerdings nicht um 18 Uhr an, aber jedenfalls irgendwann nach 15 Uhr. Das klassische Fettnäpfchen ist, sich am namiddag zu verabreden und als deutschsprachig-blauäugiger Mensch damit 14 Uhr zu meinen. Oder sich zu wundern, warum die Postsendung, die „in de middag“ angekündigt war, um 17 Uhr noch immer nicht da ist. Keine Sorge – die kommt noch, die hat um 17 Uhr sogar noch eine ganze Stunde Zeit! Am einfachsten ist es, den Begriff namiddag überhaupt aus dem eigenen Sprachgebrauch zu verbannen und nur mehr mit dem middag zu arbeiten. Dann gibt’s auch keine Verwirrungen!
Die unterschiedliche Länge von Wegzeiten
In den Niederlanden ist alles „weit weg“, was man nicht in spätestens einer halben Stunde mit dem Fahrrad oder dem Zug erreichen kann. Einfach mal so jemanden in einer anderen Stadt besuchen, die weiter weg ist, ist fast „not done“, da müssen schon hohe Feiertage sein. Oder man muss nächtigen können. Zwei Stunden in eine Richtung, für einen Tagesausflug? Jetzt wird’s aber abenteuerlich! Der Dodo gehört damit zur Gruppe der Extrem-Expeditionsteilnehmer, wenn er zur Uni fährt - warum schreibt darüber eigentlich noch keine einzige Zeitung?
Achja, deswegen: In Österreich ist es selbstverständlich, zu jemandem auf Besuch zu fahren, dessen Domizil ein Autostunde entfernt liegt oder jemanden abzuholen, der eine Stadt weiter gestrandet ist. Tagesausflüge ans andere Ende eines Bundeslandes oder gleich ins nächste sind ebenfalls keine Seltenheit. Weit weg ist in Österreich, wofür man über einen Berg muss. Oder ans andere Ende des Landes. Aber Amsterdam-Groningen? Das sind 2,5 Stunden mit dem Zug. Ohne Umsteigen! Das ist geradezu ideal für einen schönen dicken Tagesausflug! Wie Wien-Salzburg! Für den Durchschnittsamsterdamer ist Groningen jedoch am anderen Ende der Welt.
Woran liegt das?
Während auch dem Drachen die „einzige Wahrheit“ hinter dem Phänomen der „österreichisch-niederländischen Zeitverschiebung“ verborgen bleibt, so kann man eventuell spekulieren, dass einerseits der Tagesrhythmus eine Rolle spielt. Viele Menschen fangen später zu arbeiten an als in Österreich, auch die Schulen beginnen morgens eine Stunde später. Dafür geht es am Abend etwas länger weiter – im Gegensatz zu Wien ist es in Amsterdam abends gute 45 Minuten länger hell. Das würde den verkürzten Vormittag und den verlängerten „Mittag“ erklären. Zudem sind die Niederlande mit einem bemerkenswerten Mangel an topographischen Erhebungen, einer relativ kleine Landesfläche und einem ausgezeichnete öffentlichen Transportsystem ausgestattet. Es ist also selbstverständlich, dass ein Weg von A nach B kurz, direkt und bequem ist. Wenn man in drei Stunden von Amsterdam nach Maastricht kommen kann, dann fühlt sich eine Wegstrecke ins Hinterland, die zwei Stunden dauert, überzogen an. Nicht verwunderlich also, wenn man sich hier einen „bequemeren“ Zugang angewöhnt hat.
Lektion des Tages:
Nur weil man in derselben Zeitzone wohnt, muss das Zeitempfinden nicht dasselbe sein!
Niederländisch | Deutsch |
---|---|
de ochtend | der (frühe) Morgen |
de middag | der Zeitraum von etwa 12-18 Uhr |
de namiddag | der Zeitraum von etwa 15-18 Uhr |
de avond | der Abend (beginnt nach 18 Uhr!) |
de nacht | die Nacht (beginnt erst relativ spät, wenn es vollständig dunkel ist, jedenfalls nach 24 Uhr, vor allem im Sommer) |
Goede morgen! | Guten Morgen! (Standardgruß bis Schlag 12 Uhr) |
Goede middag! | Guten Tag! (Standardgruß zwischen 12 und 18 Uhr) |
Goede avond! | Guten Abend (Standardgruß nach 18 Uhr) |
Zugabe, für alle, die sich fragen, wie man sonst noch grüßen kann | |
Hoi! / Hallo! | Hallo! |
Dag | Guten Tag (zB am Telefon, wenn man selber anruft) auch: Auf Wiedersehen (zB beim Verlassen eines Geschäftes) |
Tot ziens! | Auf Wiedersehen! |
Doei! [du-ie] | Tschüss! |
Achja.
Ich könnte auch mal einen Artikel über bayrische Zeitangaben verfassen.
Ohja, gerne! Die sind vermutlich ähnlich unübersichtlich wie die in Österreich...?
Keine Ahnung, auf jeden Fall erscheinen sie mir als Zugezogene ähnlich diffizil wie die niederländischen. ;o)
Na da sind wir schon auf dein Resümee zum Thema Zeitrechnung gespannt!
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Diese Einteilung nach "weit/lange" bzw eben nicht weit/lange ist aber auch in Deutschland unterschiedlich je nachdem ob man auf dem Land oder in der Großstadt wohnt. Eine Stunde Fahrt zu nem Kaffeeklatsch? In der Kleinstadt würd man sich das doppelt überlegen, in der Großstadt ist eine Stunde Fahrtzeit ganz normal.
Als jemand, der zwischen den Grenzen zwischen Wien und seinem Umland wandelt, kann ich (Dodo) nur sagen: Es gibt noch ganz andere Anomalien im Raum-Zeit-Kontinuum in Österreich: Wenn du außerhalb der Stadtgrenze wohnst (ca. 40 Minuten Fahrtzeit) ist das (gefühltes) Ausland; wenn du aber innerhalb Wiens 40 Minuten gondeln musst - kein Problem. Ich denke, dass WienerInnen (oder Menschen, die dort schon länger wohnen) ein Gefühl entwickeln, dass zwischen Wien und dem Umland etwa 100 km Todeszone liegen - so richtig inklusive Radioaktivität, Monstern, bösen Hexen und Zauberern, Stacheldraht, Landminen und was noch allem - durch die man sich todesmutig kämpfen muss ;-)