Die Postmoderne findet ihre Inkarnation (und hoffentlich Kulmination) im Hipstertum, das äußerlich kopiert, was schon mal da war (ja, auch die Bärte) und dessen Markenkern die Ironisierung ist. Bequeme Nummer; wann immer jemand einem argumentativ an den Karren fährt, verzieht man sich auf die nächste Ironie-Ebene und hat es natürlich ganz anders gemeint, viel mehr „meta“ und so.
Ironie geht aber nur, wenn die ironisierte Ebene verstanden ist. Und da habe ich bei der „Cold Brew/Craft Beer“-Fraktion Zweifel... ach, sorry, Kinders, falls Cold Brew und Craft Beer schon „out“ sind und ich eure „language preferences assumed” habe. Ehrlich gesagt, alle sechs Wochen wechselnde Modeströmungen scheren mich einen Dreck.
Interessant immerhin finde ich die Moden, die sich bei euch über Jahre halten. Interessant allerdings auf zoologischer Ebene, so wie eine Amöbe unter dem Mikroskop interessant ist; wenn ich sie beobachte und mich wundere, was sie tut, möchte ich noch lange keine Amöbe sein.
„Choice“ ist so eine persistente Modeerscheinung. Wählen können, was man sein will. Männlein, Weiblein, irgendwas dazwischen, selbst Nilpferde [1] sind schon vorbeigekommen.
Kategorisierung? Sich auf irgendwas festlegen? Naaain. Heute „hü", morgen „hott“... ach, ihr werdet sie gar nicht kennen, diese Redewendung [2], sie ist auch gar nicht englisch-international-fluid genug.
Choice. „Wählen können“, jeden Tag eine neue Identität und ein neues Pronomen dazu. „Er, sie, xier, nin, hen“. Das letzte war übrigens Schwedisch, habt ihr das gemerkt? Schade, nicht Englisch; „Huhn“ gefiele mir.
Ihr Hühner! Macht euch klar, was „Choice“ bedeutet. Ja, „Wahl“.
Eure Illusion ist, dass man diese Wahl jeden Tag neu treffen kann.
Selbstverständlich kann man das, aber der Satz war noch nicht beendet. Nochmal:
Eure Illusion ist, dass man diese Wahl jeden Tag neu treffen kann und dafür keinen Preis zahlt.
Ein Kind kann Hirnchirurg werden, oder Bergsteiger, Dichter, Politiker, Mönch. Alle Optionen sind offen. Phantastisch, nicht wahr? Aber ihr verwechselt die Wahl zwischen zwölf Kaffee/Schaumscheiße-Sorten bei Starbucks, die tatsächlich jeden Tag neu besteht, mit der Wahl zwischen Lebenswegen.
Wer Hirnchirurg wird, der wird nicht gleichzeitig Mönch, Bergsteiger und Starpianist, denn jeder der vier Wege kostet Zeit, und unsere Lebenszeit ist begrenzt. Wir können nicht alle Wege gehen.
Naja, wir können schon... aber dann bleiben wir eben auf jedem der Gebiete ein erbarmungswürdiger, wenn nicht peinlicher Dilettant.
So ist das mit den Identitäten auch. Wer heute Männlein ist, morgen Weiblein, übermorgen Professix, der/die/das ist zwar uuunheimlich fluid, aber er/sie/es verwirrt seine Mitmenschen... und letztlich sich selbst. Er/sie/es kommt nirgendwo an.
Spielt es denn eine Rolle, wer ich bin, wie ich angeredet werden möchte? Ist nicht viel wichtiger, was ich kann, um diese Welt zu einer besseren zu machen? Können verlangt Training. Gut in dem zu werden, was man/frau/„das da“ sich vorgenommen hat, erfordert mindestens 10000 Stunden Ausdauer. Diese 10000 Stunden sind nicht zu schaffen, wenn sich jeden Tag der Plan ändert; dann bleibt man Dilettant.
„Choice“ heißt wählen. Und entscheiden. Entscheiden heißt: Man verzichtet auf Tausende von Wegen, man beschreitet sie nie, um des einen Weges Willen, für den man sich entschieden hat. 10000 Stunden, um gut darin zu werden.
Kümmert euch nicht so sehr darum, wer oder was ihr sein wollt; Nabelschau führt ins Unglück [3]. Sucht euch eine Aufgabe. Fragt euch: „Welches Problem will ich lösen?” Das ist der Weg zum Glück; egal, welches Geschlecht man hat.
[1] https://www.lifesitenews.com/pulse/im-tranimal-scholar-identifies-as-hippo-in-peer-reviewed-article
[2] https://www.phraseo.de/phrase/heute-hue-und-morgen-hott/
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Paradox_of_hedonism
Interessante Posts hast Du da - Steem On!!