Der tiefe Blick in die Brieftaschen der Bürger gehört in der EU künftig zur Fürsorgepflicht des Staates. Abb.: Kümram, Pastellfarben auf Geldschein |
Was muss, das muss, da kann die EU keine Rücksicht auf deutsche Gefühle nehmen. Und des war eilig, denn nach der Wahl ist vor der großen Ungewissheit: geht der große Plan auch in der neuen Kommission noch durch? Mit dem neuen Abnickparlament? Mit der Verhängung einer strikten Bargeldobergrenze von 10.000 Euro greift die Kommission also jetzt noch einmal hart durch gegen Geldwäscher, Bareinkäufer, Banknotenmissbraucher und Ewiggestrige, die immer noch glauben, mit ihrem hart verdienten Geld tun und lassen zu können, was sie wollen. Punktlandung vor dem Wahltag!
Zugleich aber lässt EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness Milde walten. Statt gleich die angestrebte einheitliche Geldwäscheregel für die gesamte EU auszurufen, die sich am bulgarischen und Höchstbetrag von 5.000 Euro oder dem portugiesischen von 2.999 Euro hätte orientieren müssen, durften sich Unterhändler von EU-Rat und Europaparlament auf vorerst 10.000 Euro einigen. Das eigene Geld gehört Dir nicht nur! Du kannst in gewissen Grenzen auch damit tun, was Du willst!
Rest ist Formsache
Dass die Entscheidung glatt durchging, war reine Formsache. Vor den anstehenden EU-Wahlen am Wochenende mussten noch möglichst viele Entscheidungen in die berühmten trockenen Tücher gebracht werden, um das Tempo der Verkprzung der Freiheitsgrade aufrechtzuerhalten. Und weil es bei der hausinternen Korruption seit Monaten nicht mehr vorangeht, der "Green Deal" wankt, der "Chips Act" keine Fortschritte zeigt, musste im Wahlkampf wenigstens ein Zeichen gegen Kriminelle, Kinderschänder und die üblichen Verdächtigen aus Russland gesetzt werden.
Das neue, "strenge" (DPA) Anti-Geldwäsche-Paket bringt zwar keine europäische Lösung im Sinne einheitlicher Grenzen. Die deutsche Bundesregierung etwa hat für ihre Insassen eine Bezahlbarkeit bis 10.000 Euro durchgesetzt - nach Preisen von 2001 entspricht das knapp mehr als 5.000 Euro. Der Generalverdacht gegen Bürgerinnen und Bürger gilt damit EU-weit, aber abgestuft: Für Barzahlungen gilt eine EU-weite Obergrenze von 10.000 Euro, so dass "Kriminellen die Geldwäsche erschwert wird". Mitgliedstaaten haben aber die Möglichkeit, eine niedrigere Obergrenze festzulegen. Kriminelle müssen dann in Partnerstaaten ausweichen, um ihre dunklen Geschäfte legal abwickeln zu können.
Langer Weg, schwere Geburt
Eine schwere Geburt am Ende eines langen Weges zu einer so einfach erscheinenden Lösung. Lange wehrten sich bestimmte Kreise heftig dagegen, dass Kommission, Rat und Parlament planten, Beteiligte bei jeder Bargeldtransaktion von über 3.000 Euro zu verpflichten, die Identität aller anwesenden Personen zu ermitteln, zu
überprüfen und zu protokollieren. Doch unendliche Geduld ist eine der Grundtugenden EU-Europas: Je länger die Gremien berieten, desto weniger interessierte es Medien und Öffentlichkeit. Als die Bargeldbremse nun beschlossen wurde, erregte das kaum mehr Aufsehen als der wegweisende Beschluss zur umfassenden Überwachung aller Fahrzeuge, der bereits 2018 gefallen war, erst jetzt aber gewisse Unruhe in der Redaktion der "Tagesschau" erregt hat.
Niemand hat die Absicht, einen EU-weiten Generalverdacht zu schüren. Doch wer nichts zu verbergen hat, der muss auch keine Bargeldbremse fürchten. Die wird es Unionsbürgers auch künftig erlauben, unabhängig von Glauben, Religion, Parteizugehörigkeit und ideologischer Überzeugung illegale Geschäfte zu tätigen, aber je nach nationaler Bargeldgrenze eben nicht jederzeit und überall. Griechen, die größere Einkäufe mit mehr als 500 Euro bar zahlen wollen, können das weiter in Italien tun, wo die Bargeldbremse erst bei 5.000 Euro greift. Belgier, die wegen der vielen Korruptionsfälle im Brüsseler Parlament eine besonders strenge Grenze von nur 3.000 Euro haben, sind gezwungen, nach Deutschland auszuweichen.
Bares ist verdächtig
Eine saubere Lösung, die Bargeldnutzung nach so vielen tausend Jahren, in denen es hieß, "Bares ist Wahres", nicht sofort gänzlich abschafft, seine Nutzung aber unter einen generellen staatlichen Prüfungsanspruch stellt. Der Ehrliche ist der Dumme, er aber wird auch künftig leicht nachweisen können, woher er sein eventuell zum Ausgeben gedachte Bargeldbestände bezogen hat. Wer nichts hat, hat auch nichts zu verbergen, heißt es in Brüssel. Klar ist: "Im Schrank gefunden" oder "gespart", "Flaschen gesammelt" und "geschenkt bekommen" wird nicht reichen, denn die Behörden wollen es genau wissen: Wie, wer, wann, warum und wo? Weshalb, weswegen und ist das alles versteuert?
Nach mehr als zwei Jahrzehnten stabilen Kaufwertverfalls des Euro endet eine Ära in aller Stille. Die EU schiebe der Bargeldnutzung "einen Riegel vor", lobt der "Spiegel", die "Tagesschau" verweist darauf, dass das alles erst "ab 2027" gelte, also mit der EU-üblichen Vorlaufzeit, die gewährleistet, dass es erst niemand zur Kenntnis nimmt und später keiner mehr ändern kann.