Baukrise: Das kann Deutschland von der DDR lernen

in #deutsch8 days ago


Hunderttausende sollten es werden, Hunderttausende wurden es, nur auf der Fehlseite. Mit dem Ausbruch der Zinskrise verfiel der Wert von Immobilien in Deutschland, dafür stiegen die Baukosten und im Zuge der Entbürokratisierung durch Lieferkettengesetz und neue Klimaauflagen wurden Sanierungen so teuer, dass Wohnungsgesellschaft klagen, sie müssten für einfach renovierte Wohnungen in 50 Jahre alten DDR-Wohnblock 17 Euro Miete pro Quadratmeter aufrufen, um allein die Zins und Tilgung der Baukredite stemmen zu können.

Die Not ist groß

Die Not ist groß, denn das Land wächst wie seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr. 3,5 Millionen Menschen wohnen heute mehr in Deutschland als vor zehn Jahren, besser: Sie würden gern wohnen, können aber nicht. Zwar gilt Deutschland als eines der attraktivsten Zuzugsziele weltweit, doch hier Fuß zu fassen ist schwierig, weil vor allem in den begehrten Metropolregionen und erst recht in den besonders beliebten Zentren bereits alles belegt ist.

Während hierzulande dennoch kaum noch neuer Wohnraum entsteht, liegen fertige Pläne für eine wirklich große staatliche Wohnungsbauoffensive in den Berliner Regierungsarchiven. Mit Hilfe dieser Unterlagen hatte es die fünfmal kleinere DDR zwischen 1973 und 1990 geschafft, zumindest offiziell drei Millionen modernste Plattenbauwohnungen zu errichten. Bei einer Nachzählung später stellte sich zwar heraus, dass die etwa 1,1 Millionen davon nur auf dem Papier existierten. Doch mit der wirtschaftlichen Kraft des vereinigten Deutschland dürfte es leicht gelingen, bis 2040 mindestens zehn Millionen zu bauen - 650.000 im Jahr, eine weit ehrgeizigere Zahl als die von der Bundesregierung in den Blick genommenen 400.000.

Industriell Klotzen

Der Schlüssel waren industrielle Verfahren, Bauvorhaben mit dem Anspruch, nicht im Kleinklein zu verharren, sondern den Druck vom Mietwohnungsmarkt zu nehmen, indem ganze Städte errichtet werden. Auch die DDR stand seinerzeit wirtschaftlich auf dünnen Beinen, die einheimische Mark war schwach, Importe waren teuer, der Zinssatz lag wie heute bei 3,5 Prozent. Aber der Wille war da,  obwohl auch die sozialistischen Planer mit Fachkräftemangel und teuren Baumaterialien zu kämpfen hatten. Standardisierung, Blockbauweise, erfolgsgebundene Leistungsprämien und ein Verzicht auf Schnickschnack zugunsten eines höheren Bautempos machten sich schnell bezahlt.

Ein Vorbild, an dem sich Deutschland orientieren kann. Mit einer einheitlichen Bauordnung, einheitlichen Wohnungsgrößen, Fertigteilen, die sich überall verwenden ließen und einer nachgelagerten Ertüchtigung des Wohnumfeldes mobilisierte der Staat seinerzeit die letzten Kräfte, um die Wohnverhältnisse von weit mehr als der Hälfte seiner Bürger zu verbessern. Das gelang nicht ganz, aber doch deutlich besser als zuletzt im vereinigten Deutschland, wo jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht und selbst die SPD der kruden These zuneigt, dass Wohnungsbau Privatsache sei und der Staat allenfalls dafür zuständig sein könne, Sozialwohnungen für Geringerverdienende bereitzustellen.

Nur der Staat kann das können

Mit dem Satz "Was der Staat kann, kann nur der Staat", hat der frühere Parteivorsitzende Franz Müntefering schon vor Jahren davor gewarnt, sich Illusionen darüber hinzugeben, was der freie Markt zu leisten vermag, wenn er nicht von einer aktivierenden öffentlichen Verwaltung angetrieben wird. Zweieinhalb Jahre lang ist die Ampel-Koalition - vermutlich auf Druck der FDP - dem Glaubenssatz, dass es der Markt schon richten werde, dennoch gefolgt. 

Doch nun hat sich die Lage auf eine Weise zugespitzt, dass um den Gang in die Archive mit den Grundlagendokumenten der DDR-Planer kein Weg mehr herumführt. Auch der Aufbau der Leitungsstäbe, der Wohnungsbaukombinate, der Plattenwerke und der Baubrigaden wird schließlich noch einige Zeit dauern, dazu kommt der Aufschluss neuer Kiesgruben, Zementwerke und das Heranbilden einer neuen Generation von kernigen Ballas. Und Zeit ist es, die viele Mietende nicht mehr haben.