Passive Bewaffnung: Kettenhemdverbot für Messerzonen

in #deutsch4 days ago
Bereits heute verboten, aber in der Macho-Männer-Szene ein beliebtes Accessoire: Das Einhandmesser.

Niemand wollte auf Nancy Faeser hören. Niemand nahm die Bundesinnenministerin ernst, der ein gewisser Hang zum Bedrohungshopping nachgesagt wird. Stets taucht die Sozialdemokratin dort auf, wo Medien gerade eine akute Gefahr an die Wände malen. Faeser ist es dabei gleich, ob türkischer Enkeltrick oder russische Cyberkrieger, islamischer Sprengstoffanschlag oder reichsbürgerliche Stichverletzung - die Melodie, dass insbesondere der wachsende Rechtsextremismus die größte Bedrohung für das friedliche Zusammenleben bildet, kann Nancy Faeser nachgewiesenermaßen auf jeden Grundton singen.

Gefährder auf dem Schirm

Sie hat zugleich auch immer alle Gefährder auf dem Schirm, mit einem 360-Grad-Blick, der ihr schon vor einem Jahr klar bedeutete, dass es neben den Reichsbürgern und Rechtsextremen vor allem die Messer sind, die Menschen glauben lassen, das Leben in Deutschlands sei nicht mehr sicher.  Während Wissenschaft und Forschung noch zweifelten, ob es überhaupt entsprechende Zahlen gebe, und wenn ja, was sie aussagen wollten, zog Nancy Faeser Konsequenzen. Auch auf die Gefahr hin, dass es aussehen würde wie ein Offenbarungseid der Behörden, forderte sie ein Messerverbot in Zügen und Nahverkehr, "um die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln erhöhen

Doch niemand wollte hören. Zwar schlossen sich die Innenminister der Länder unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit an, doch die Gesellschaft blieb taub. Angeblich sei Deutschland immer noch sicher. Seit den berüchtigten "Baseballschlägerjahren" im Osten sei das Ausmaß an Sicherheit sogar deutlich erweitert worden - niemand müsse mehr vor "national befreiten Zonen" gewarnt werden oder gar davon  abgehalten, als ausländisch lesbarer Besucher ins Land zu kommen. Im Gegenteil: Viele blieben sogar, so dass sich das Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, immer weiter verringere.

So sicher wie nie

Doch gerade weil Deutschland so sicher ist wie nie seit den Tagen der deutschen Teilung, erregen schon 25 sogenannte Messerattacken pro Tag die Aufmerksamkeit der Politik, die eine Gelegenheit sieht, sich selbst als Ordnungskraft zu inszenieren. 9.000 Fälle von Messergewalt jährlich bedeuten zwar, dass nur einer von 10.000 Bürgerinnen und Bürgern pro Jahr Opfer eines "Vorfalls mit einem Messer" (Der Westen) wird. Doch diese 0,01 Prozent der Bevölkerung reichen Politikern aller Parteien, eine Messerkrise inszenieren, die es so nach Erkenntnissen von Faktenfindern gar nicht gibt.

Im politischen Berlin aber ist die Verzweiflung nach der Abfuhr bei der EU-Wahl parteiübergreifend gewaltig. Schon vor Jahren sind die symbolischen Messerverbotszonen eingeführt worden, zulässige Klingenlängen wurden beschränkt, sogar das Mitführen illegaler Waffen per Gesetz unterbunden. Doch gereicht hat es nicht. Im Unterschied zu einer Zeit, als niemand irgendeine Notwendigkeit sah, Angriffe mit blanken Waffen statistisch zu erfassen, haben die Deutschen zuletzt eine beängstigende Vorliebe für Hieb- und Stichwaffen entwickelt: Messermänner sind Einzelfälle, sie treten allerdings gehäuft auf. Eine neue Messerkultur, der bisherige klare Antworten des Rechtsstaates offenbar nicht ausreichen.

Gegen den Widerstand der Wissenschaft

Gegen den Widerstand der Wissenschaft, die Messer als Auslöser von Vorfällen wie in Mannheim, Wolmirstedt, Gmünd und Frankfurt noch infrage stellt, regiert der Generalverdacht. Wie zuvor schon Nancy Faeser hat auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nun "ein generelles Verbot des Mitführens von Messern an öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen" gefordert und die Innenminister der Länder sind einer niedersächsischen Initiative vom vergangenen Jahr beigesprungen, die die verbale "Bekämpfung der zunehmenden Messerkriminalität" zum Ziel hat. 

Neben einem Verbot sämtlicher Springmesser soll es in Deutschland künftig untersagt sein, Messer mit einer feststehenden Klinge ab sechs Zentimetern mit sich führen, die als Verantwortliche, Ursache und Auslöser von so viel Messerleid und Messerschmerzen gelten.

Es ist nun doch so weit. Das radikale, allumfassende und ausnahmslose "Total-Verbot" (Die Welt) für "Macho-Messer", das "unser Land sicherer machen würde als jede Islam- oder Hartz IV-Debatte" (Welt), es kommt. Eine Liste der Innenminister der Länder führt detailliert auf, was alles außer dem verboten wird, was schon verboten ist, um die rätselhafte Messerkriminalität weiter einzudämmen.

Kettenhemd statt Akkubohrmaschine

Vom Küchenmesser über das Brotmesser bis zum Klappmesser, von dort weiter zu übergroßen Brieföffnern, kleinen Beilen und großen Äxten, auch Hämmern und spitzen Rundfeilen, Schraubenziehern, Akku-Bohrmaschinen, Nagelfeilen und Zimmermannsnägeln fällt vieles darunter, das derzeit noch anmeldungsfrei transportiert werden darf. Es gebe es "keinen vernünftigen Grund, dergleichen Gegenstände mit sich zu führen", heißt es im politischen Berlin.

Verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie hier und da geäußert werden, könnte die große Koalition aus Ampelparteien und der in den Ländern regierenden Union plus der Linkspartei am Ende allerdings auch umgehen. Eine Pflicht zum Tragen eines Kettenhemdes könnte, so hieß es am Rande der Innenministerkonferenz, der einfachere und wirksamere Weg sein, Deutschland noch sicherer zu machen.