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RE: Ignoranz oder wirkliche Freiheit? "Freiwillig Frei" über Tommy Robinson und Co

in #deutsch7 years ago (edited)

Der wichtigste Satz kommt am Schluß:
"Deshalb werde ich nicht schreien: 'Auf die Straße!', niemals! Sondern ich werde mir überlegen: 'Wer will, daß ich jetzt auf die Straße gehe und was schreie?'"

Das ist der Punkt. ich kann hier nur meine Erfahrungen aus der Ex-DDR und dem Ostblock beitragen.

Es gab dort schon lange eine eher kleine Oppositionsbewegung, die mit den Zuständen im real existierenden Sozialismus unzufrieden war und mehr oder weniger ihr Ding gemacht hat - im Rahmen der Möglichkeiten natürlich. Die hat aber keine Breitenwirkung entfaltet, weil die meisten Menschen mit dem Alltag ausgelastet waren und auch keine Helden sein wollten. Die haben sich im Osten eingerichtet und heulen ihm heute immer noch hinterher.

Und dann kam die Wende. Es ging los mit den Ausreisewilligen, die sich plötzlich zum "Friedensgebet" jeden Freitag Abend in den Kirchen versammelt haben. Auch dieses Friedensgebet gab es schon seit Jahren und hatte bisher keine Sau interessiert. Und plötzlich war es dort immer voll. Man durfte dort sein persönliches Anliegen im Gebet formulieren und die haben dann gebetet, daß sie bald rauskommen aus der DDR. War schon ein kleiner Skandal, das durfte man so eigentlich nicht öffentlich sagen.

Dann kamen die Demos und es wurde brenzlig. Niemand wußte was als nächstes passiert, in Leipzig war es kurz davor, daß man im Peking-Style alle zusammen schießen wollte. Aber das Ganze war nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr Leute wagten sich hervor und gingen auf die Straße. Was ja eigentlich gut war.

UND DANN ging es plötzlich sehr schnell: Überall Deutschlandfahnen. Plötzlich wurde die (west)deutsche Nationalhymne gesungen. Plötzlich wurde der Patriotismus hochgehalten und ständig von unseren "Brüdern und Schwestern" im Westen geredet. Wo kam das her? WER hat das unter die Leute gebracht? Das war nicht das, was schon seit Jahren im Untergrund gedacht wurde und sich endlich Bahn brechen konnte. Ganz sicher nicht.

Viele Leute fingen gerade mal an sich zu fragen, ob sie dieses System so wollen und ob es nicht auch anders geht. Und da wurde plötzlich dieser pathetische Patriotismus drauf gepfropft und Deutschlandfahnen verteilt. Von wem?

Ich weiß es bis heute nicht. Helmut Kohl hat irgendwann die Staatssicherheit als Mitinitiator der Wende vermutet und da hat er sicher recht. Und vermutlich hatten auch westliche Geheimdienste ihre Finger im Spiel.
Jedenfalls ist das was ICH mir gewünscht habe NICHT passiert. Es gab keine Bewußtwerdung, keine Auseinandersetzung, keine Aufarbeitung und keine Entwicklung hin zu mehr Freiheit. Die ganze Wende war vorbei bevor sie richtig angefangen hatte. Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, ein paar Sonntagsreden, "blühende Landschaften", Deckel drauf und am Ende große Depression.

Wie hätte es anders laufen können? Ich habe keine Ahnung.
Aber ich habe KEINE Deutschlandfahne durch die Gegend getragen, ich habe NICHT Helmut Kohl zugejubelt und ihn als Retter begrüßt und ich habe auch NICHT CDU gewählt bei den Wahlen im März 1990 (auch nicht SPD, sondern irgendeine Minipartei, die es längst nicht mehr gibt). Und darüber bin ich heute noch froh.
Ich habe zwar nicht durchschaut was da passiert, aber ich habe mich zumindest nicht verarschen lassen.

Das wollte ich nur sagen. Vielleicht kann ja jemand was damit anfangen.
Liebe Grüße

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Durchaus interessant! Vielen Dank dafür!

Jap. Da schließe ich mich an!