Dies ist ein Auszug aus meinem Buch "Nur bei Grün – den Amis ein Vorbild". Die restlichen Auszüge finden sich auf meinem Steemit-Blog:https://steemit.com/@kryptokrat
Von Verwandten habe ich erfahren, dass in Deutschland ein sehr kalter Winter herrschte. Es soll sogar Schnee gegeben haben – und das im Januar! Davon ließ ich mich jedoch nicht beeindrucken. Denn in Minnesota verdienen die Winter noch ihren Namen. Sie sind eisigkalt. Wenn in Deutschland zu Heiligabend einmal Schnee fallen sollte, dann ist er häufig doch schon am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht mehr zu sehen. Besonders in den urbanen Regionen schmilzt der Schnee schnell dahin. Wenn man in Minnesota am 26. Dezember den Schnee vom Heiligabend nicht mehr sieht, dann liegt es meist daran, dass dieser schon von ein paar Inches Neuschnee bedeckt ist. Wenn man den Weihnachtsschnee also gerne wieder sehen möchte, dann muss man sich in Minnesota schon mal bis zum nächsten Frühling gedulden.
Der 30. Januar 2010 war definitiv kein solcher Frühlingstag. Mit 20 Grad Celsius unter null war es zwar noch ein recht angenehmer Morgen, dennoch konnte ich mich als Deutscher einfach nicht an diese Temperaturen gewöhnen. Nichtsdestotrotz, es half alles nichts. Ich machte mich also daran, die Windschutzscheibe meines Autos freizukratzen. Nach einer Weile stellte ich jedoch fest, dass ich dabei nur wenig Erfolg hatte. Trotz meines aufwendigen Kratzens, war die komplette Scheibe noch mit Eis bedeckt. In meiner Verzweiflung suchte ich im Auto nach einem besseren Werkzeug zum Freikratzen. Ich durchsuchte das überdimensionierte amerikanische Handschuhfach und hob darauf meinen Blick zur Windschutzscheibe, die es frei zu kratzen galt. Sofort erkannte ich meinen Fehler. Das Glas war nicht nur von außen gefroren sondern auch von innen. Die Feuchtigkeit im Inneren des Fahrzeugs hatte auf der Windschutzscheibe kleine Eiskristalle gebildet. Ich startete also den Motor und nach zwei Minuten war die Scheibe wieder glasklar.
Auf der Rückbank lag noch eine Getränkeflasche, die ich während des Autofahrens immer mit mir führte. Der geschmackvolle nasse Inhalt war jedoch bei der in Minnesota vorherrschenden Kälte so stark expandiert, dass er nun das gesamte Flaschenvolumen einnahm. Ich wusste nicht, wie viel Kraft der nun steinharte Inhalt der Flasche auf diese ausübte. Mir war aber klar, dass in der Flasche ein enormer Überdruck herrschen musste. Ich traute mich daher nicht, die Flasche anzufassen oder sie gar ins warme Haus zu tragen. So entschied ich mich, los zu fahren. Mit meinem scheinbar nicht gefederten SUV und den amerikanischen Straßenverhältnissen war dies mit der scharfen Granate auf der Rückbank ein riskantes Unterfangen. Es ist jedoch zum Glück nichts passiert.
Ich bin mir sicher, dass es nun deutlich wurde, dass an diesem vorletzten Januartag wirklich kein Badewetter herrschte. Trotzdem fuhr ich zu einem See, von denen es tausende in Minnesota gibt. Der See, zu dem ich fuhr, war jedoch ein besonderer. Denn in der Mitte dieses Sees veranstaltete ein Radiosender einen sogenannten „Polar Bear Plunge“-Tag. Ganz frei übersetzt kann man es vielleicht als Eisbärenarschbombe bezeichnen. Es handelte sich um eine Charity-Veranstaltung kombiniert mit einem Kostüm-Contest. Man bezahlte einen bestimmten Betrag an Geld um in einem möglichst merkwürdigen Kostüm in ein Loch in der Mitte des Sees hinein zu springen. Wer das verrückteste Kostüm trug und darüber hinaus den Sprung ins kalte Nass überlebte, durfte sich als glücklicher Gewinner des Polar Bear Plunge 2010 schätzen. Aber die Amerikaner sind alle verrückt. So gab es hunderte von Teilnehmern. Die Verkleidungen reichten von typisch amerikanischen Cowboys bis zu irischen Leprechauns. Aber nicht nur Amerikaner waren so lebensmüde und sprangen dort ins Wasser. Auch ein Tourist aus Down Under, welcher nur mit einer australischen Flagge bekleidet bei diesem schrägen Kostüm-Contest antrat, war mutig genug, teilzunehmen. Mutig waren auch die vielen Autofahrer, mich eingeschlossen, die ihre schweren amerikanischen Karren mitten auf dem See parkten, obwohl hier und da kleine Risse im Eis zu sehen waren. Auch das Fahren auf dem See war ein Abenteuer für sich. Gefährlicher war jedoch das Laufen auf dem See, welcher extrem rutschig war. Jedoch war der See nicht sehr eben und zum Eislaufen völlig ungeeignet. Es schien sogar so, als seien die Wellen auf der Seeoberfläche mit eingefroren.
Also meine lieben Landsleute: Meckern Sie nicht über Ihren Winter in Deutschland. Der Unterschied des deutschen Winters zum Winter in Minnesota gleicht von den Celsius Graden her dem Unterschied zwischen Mallorca im Sommer und Deutschland im Winter. Und welcher Deutsche freut sich im kalten Januar nicht schon auf den Sommerurlaub im 17. Bundesland?
Excellent