Es war einmal...
in einer Kleinstadt mit vielen Mehrfamilienhäusern ein kleiner Ficus Benjamini, der ein einsames Dasein in einem Treppenhaus fristete. Glücklicherweise war dieses Treppenhaus ausreichend mit Licht versorgt und ab und zu füllte auch jemand mal Wasser nach. Wirklich zufrieden oder gar glücklich mit seiner Situation war der Ficus allerdings nicht. Das sah man ihm auch an, da er seine Blätter teilweise hängen lies oder an manchen Stellen schon ganz kahl war.
"Rauswerfen müsste man ihn aber erst im neuen Jahr", glaubte er den Hausmeister vernommen zu haben. Na, was war denn das für eine Perspektive? Und so schüttelte es den armen Ficus vor Schreck, sodass er gleich noch ein paar Blätter mehr verlor.
Aber was war das? Er vernahm Kindergeschrei und schlagende Türen! "Oh nein, die Menschen streiten sich...", dachte er leise in sein dünnes Gehölz hinein. Es war nie schön, wenn das passierte. Diesen Stress und Kummer spürte nämlich auch er durch seine fasrige Hülle. Es passierte meistens in der Winterszeit. Plötzlich fingen die Menschen an hektisch zu werden, obwohl er doch nur seine Ruhe haben wollte, um diese dunkle und leider auch kühle Jahreszeit einigermaßen unbeschadet zu überstehen. So richtig verstehen konnte er es also nicht.
Schließlich spürte er eine etwas ziehende Berührung an einem seiner unteren Äste. Schreck durchfuhr in wieder. "Ob mir wohl jemand jetzt Äste abzwickt, um mich auf's neue Jahr 'vorzubereiten'?"
Aber es passierte nichts. Er spürte kein reißen. Vielmehr war das ziehende Gefühl nach kurzer Zeit auch schon vorbei und er spürte nur noch, dass da eine Kleinigkeit an ihm dran zu hängen schien. "Puh, nochmal Glück gehabt!", dachte er sich.
Er vernahm weitere Stimmen im Flur und schließlich ein leises entfernt klingendes Lachen gleich mehrere Menschen. Sie freuten sich scheinbar - also doch keine Streiterei.
Nach einer geraumen Zeit kamen andere Leute und blieben in der Nähe des kleinen Ficus stehen. Er bemerkte dies an der plötzlich etwas zunehmenden Wärme. Er spürte einen Ruck, dann wie er wieder abgesetzt wurde, dann weitere Bewegungen an seinen Ästen und einer gewissen Schwere an sich. Er schien auch nicht mehr im Treppenhaus zu sein, da die Luft anders war.
Langsam erkannte er, dass er sich in einer der Wohnungen befand. Die Neuen - mehrere ebenfalls jüngere Menschen in einer Wohnung - mussten ihn wohl herein geholt haben. "Da haben wir unseren Weihnachtsbaum!", drang eine weibliche Stimme fröhlich zu ihm durch. "Egal, was der Hausmeister meint, den geben wir nicht mehr her!".