Degenerierende Kommunikationskultur - Fall: Ebay-Kleinanzeigen

in #deutsch7 years ago (edited)

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„Ich bin sprachlos“, sage ich einem Bekannten und schlürfe an meinem Kaffee. Wir sprechen über ebay-kleinanzeigen und die Nachrichten, die wir so zu unseren Angeboten bekommen. Er hat soeben über einen Nachrichtenverlauf berichtet, der sich über Wochen zog und am Ende wurde der Interessent beleidigend. „Sehr viel Zeit und Nerven verloren“, meint mein Bekannter.

Da ich selber quasi seit Anbeginn des von Ebay bereitgestellten Dienstes mit dabei bin und die rückschrittige Entwicklung in der Kommunikation in den letzten Jahren miterleben darf, kann ich das von ihm Geschilderte sehr gut nachvollziehen. Spannend ist dieses Thema insofern, als dass es auf das angebotene Produkt ankommt, wie sich eine Konversation aufbaut und entwickelt. Bestimmte Produktklassen triggern bestimmte Menschen, die mehr oder minder die Bedeutung des Wortes „verhandeln“ verstanden haben.

Früher war alles besser

Als das Projekt ebay-kleinanzeigen das Licht der Welt erblickte, fanden sich interessierte Menschen auf der Plattform, die in der Lage waren, das angebotene Produkt in seinem realen Wert zu bestimmten und ein passables Angebot zu äußern, sodass man in der Regel bereits in wenigen Minuten zu einem Konsens fand, mit dem beide Parteien zufrieden waren. Ebenfalls war es Usus, dass man respektvoll miteinander kommunizierte, Hallo und Tschüss sagte und sich bedankte, wenn es angebracht war. Eine schöne Zeit: Man hatte Spaß, Zeit und Energie in die Erstellung eines Angebots zu investieren, eine detaillierte Beschreibung und gute Fotos zu integrieren.

Ich erinnere mich, wie ich auf Bitten eines Bekannten seinen Oldtimer Mercedes verkaufen sollte, der seit Jahren in der Garage stand. Zwei Tage habe ich den Wagen geputzt, poliert, speziell dafür Chromepolitur besorgt. Zwei Stunden Fotos erstellt und sie bearbeitet. Den Wagen Probe gefahren und sichergestellt, dass alles funktionierte. Eine 3000-Wort-starke Beschreibung erstellt und erst dann die Anzeige veröffentlicht. Die Investition hatte sich gelohnt und es fanden sich schnell Liebhaber, die quer durchs Land fuhren, um den Wagen anzuschauen und anschließend für einen guten Preis zu kaufen. Alle waren zufrieden.

Und jetzt

Jetzt hat jeder ein Smartphone.

Jeder kann die App installieren. Jeder kann nebenher in den Kleinanzeigen fingern und die Verkäufer mit undurchdachten Nachrichten vollspammen. Das Resultat ist meiner Erfahrung nach oftmals sehr ernüchternd. Wenn es ein wirklich guter Tag ist, bekomme ich einen Einzeiler. Oft sowas wie: „Ist das Produkt noch da?“ oder als Variation: „Verkaufen Sie das noch?“ – Ich denke mir dann immer: „Ja, es ist da, schließlich hast du es ja gefunden und angeklickt/-toucht, omg“. Ich meine, was soll die Frage? Doch anscheinend hat die Masse das Prinzip tatsächlich leicht missverstanden. Daraus resultiert die Ergänzung in mittlerweile jeder fünften Beschreibung: „Solange das Produkt zu sehen ist, ist es auch noch da“, o.ä.

In dem letzten Jahr jedoch war ich bereits mehr als froh, einen ganzen Satz in der Nachricht lesen zu können. Denn mehr und mehr trudelten Anfragen im Umfang von zwei bis drei Worten ein. Beispiele? Gern:


Ja, Hlo, ehm... OK


Hallo auch. Gegen was denn? Glaube nicht, dass in der Beschreibung etwas von "tauschen" steht.

Und mein Liebling aus den letzten Nachrichten


Hallo 30€ (...)

Ja, was soll ich denn damit? Als es damit angefangen hat, habe ich reagiert, in dem ich freundlich nachgefragt habe, was denn gemeint ist. Doch die Gespräche mit solchen Interessenten verliefen meist im Nichts oder endeten in einer Frustration meinerseits.

Ich stellte immer wieder fest, dass es einfach nur verlorene Zeit ist, denn die Leute, die solche Anfragen schreiben, sind nicht wirklich an dem Produkt interessiert oder nur dann, wenn man es völlig unter Wert verkauft. Von vielen habe ich auf meine Reaktion keine weitere Nachricht erhalten.

Wo ist die Verhandlungskultur geblieben? Sogar auf einem türkischen Basar (im traditionellen Sinne) geht es gesitteter zu. Das liegt wahrscheinlich daran, dass einem der Mensch, mit dem man verhandelt, direkt gegenübersteht. In der Smartphoneära ist man distanzlos und der Respekt geht komplett verloren. Schade.

Aber wie eingangs bereits erörtert, man kann nach Produktklassen(-kategorien) differenzieren, wie und auf welche Art und Weise nachgefragt wird. Bei Kleinelektronik (wie Smartphones) kann ich mittlerweile eine sehr gute Vorhersage in Bezug auf textlichen Umfang und Ansprache des Interessenten treffen. Diese fällt nicht sonderlich positiv aus. Geht es dagegen zum Beispiel um Ersatzteile für das Rennrad, hebt sich das Niveau der Anfragen auf ein Maximum. Durch manch eine Konversation ist sogar mal eine interessante Bekanntschaft entstanden, ohne dass das eigentliche Produkt verkauft worden ist.

Leider habe ich vor einem Jahr nicht daran gedacht, die witzigsten Anfragen und Kommunikationshistorien zu sammeln. Das wäre heute eine beachtliche Spaßlektüre für Zwischendurch. Aber ab heute werde ich fleißig sammeln. Spaß muss sein!

Und nun?


Nachtrag

Zwei Stunden nach der Beitragsveröffentlichung fiel mir das Buch "Treffen sich zwei Träume. Beide platzen" von Patrik Salmen in die Hände. Und während ich darin blättere, stoße ich auf die folgende Seite (Klick aufs Bild mahts größer):

Welch ein Zufall ;)

Sort:  

"Leider habe ich vor einem Jahr nicht daran gedacht, die witzigsten Anfragen und Kommunikationshistorien zu sammeln. Das wäre heute eine beachtliche Spaßlektüre für Zwischendurch."
Derartiges ist zwar irgendwie auch traurig, aber man kann mit derartigen Sammlungen definitiv seinen Spaß haben. ;)

Ja, es ist traurig. Wie so viele Dinge.. Man muss lernen, es mit Humor zu nehmen, ansonsten liegen die Nerven irgendwann Mal blank...

habe da sehr ähnliche Erfahrungen gemacht.. aber Lochsteine wurden mir noch nie angeboten =D

Schöner Artikel, sehr lesenswert und ich kann den Inhalt absolut bestätigen. "Nehm ich für x€" (dabei liegt x meist zischen 1/10 und 1/100 des Angebotspreises) ist die häufigste Reaktion die ich kenne. Schade, Schade, Schade

Nehm ich für x€

Ja, ist wohl die zweithäufigste Anfrage nach "Ist es noch da?" ;)

Symbolbild - nicht Kleinanzeigen, aber genauso schlimm:

Gut ist auch wenn man etwas zum Verschenken einstellt und dann noch gefragt wird, ob man es auch quer durch die Stadt liefern kann. Oder man einen Abholtermin macht, zu Hause wartet und keiner kommt.

Ich hatte mal eine neue, unbenutzte Badehose für 2€ eingestellt. Mit dem Interessenten habe ich 4 Wochen(!) lang geschrieben, nie fand sich ein Termin, obwohl er nur 800m weit weg wohnte. Die landete dann ebenfalls in der Kleiderkammer.

Kleineres Zeug packe ich jetzt immer in eine Zu verschenken-Kiste und stelle sie auf die Straße - ist meist in ein paar Stunden leer. Alternativ haben wir hier 'nen Umsonstladen, 'ne Kleiderkammer und Verschenke-Regale. Ist deutlich weniger stressig.

Eine Verschenkegruppe hier bei Steemit wäre vielleicht auch was :D

Oh damn, das its ja abartig... Soviel IQ auf einmal. Das kann man sich ja gar nicht geben..

Kleineres Zeug packe ich jetzt immer in eine Zu verschenken-Kiste

Mache ich auch so...

Tausche alte Winterreifen gegen Lochstein

Kleinanzeigen macht teilweise echt kein Spaß.

Auch wenn man selbst was sucht.. ich habe nicht nur einmal diverse Verkäufer angeschrieben und dabei lediglich 2-3 Fragen gestellt. Es wurde dann oft, scheinbar wahllos, lediglich auf eine der Fragen geantwortet, natürlich so kurz es geht.
Wo ist da das Verkaufsinteresse.. ich hab mir angewöhnt bei solchen Verkäufern einfach das "Gespräch" einzustellen.

Aber ja, noch schlimmer ist wenn man selbst etwas anbietet, solche "3 Wort-Anfragen" ignoriere ich mittlerweile einfach.

Anfängliche "Interessenten" melden sich auch plötzlich nicht mehr, absagen ist ja scheinbar zuviel.

Jup, so isset. Alles schon erlebt. Meeeeega frustrierend.

Ich bin seit 2001 auf eBay - die letzten Jahre ging es definitiv stetig bergab. Man kriegt da teilweise Anfragen da denke ich nur Häh? Wat will der/die? Fragste nach kommt nix oder noch ein Halbsatz. Wechselt man auf English - weil man ist ja freundlich und versucht zu kommunizieren kommt auch meist nix vernünftiges raus.
Als ich vor kurzem einem Betrüger aufgesessen bin (AccountID gestohlen) kam von eBAY exakt NULLLLL support - außer bla bla automaitsche Antworten - bis die Beschwerdefrist rum war und mein Ticket autoclosed wurde. zum Glück habe ich über Strafanzeige wohl die empfangene Bank (die sich erst geweigert hat) dazu bewogen mir mein Geld (>1000€) zu erstatten.
Maßlos enttäuscht - welche Platform ist deutlich besser??

welche Platform ist deutlich besser??

Keine. Einzige "Alternative", sofern möglich, ist der Face2face Kauf/Verkauf. Aber auch da habe ich schon Sachen erlebt... ai ai ai

Ein Bewertungssystem würde dem Ganzen mehr Seriosität verleihen. Das gefällt mir so an eBay. Dort wird wirklich versucht (meiner Auffassung zumindest) eine saubere Bewertung von 100% zu erreichen, um für Deals vertrauenswürdiger zu erscheinen.

Hmm, darüber hab ich auch schon nachgedacht. Müsste für Kleinanzeigen auch recht einfach umsetzbar sein. Keinen Plan, warum das nicht passiert. Die BEwertungen dürften auch schwerer zu fälschen sein als bei amazon, wo jeder zweite ein Fake ist..

Ebay Kleinanzeige ist Konkurrenz für ebay selbst. Wieso sollen die es für dich kostenlos und besser machen? Ich würde mich nicht wundern wenn die machen extra Spam mit AI bots.

Lieber obvious,

da hast du wohl einen Nerv getroffen 😂

Ich kanns auch immer nicht fassen und reagiere auf solche Fragen einfach gar nicht mehr. Meist wird dann auch nicht mehr nachgefragt.

Was kostet? - Ist definitiv die am weitesten verbreitete Variante! Und steht doch der Preis schon deutlich in der Anzeige!!?

Meine Onkel hole heute 5 Euro! - Ist auch immer schön!

Oder bei Wohnungsgesuchen - Wo?

Danke für den lustigen Beitrag!
Herzliche Grüße - Mo

Herrlich :D
Wenns um Geld geht, hört oft das Benehmen auf -.- hab da auch einiges schon erlebt.

Ja, dem kann ich nur beistimmen. Ich bin zwar auch kein großer Schreiber, aber eine respektvolle Kommuniaktion ist und bleibt für mich auch in der Smartphoneära das um und auf:-)

Vielleicht hat sich still und heimlich mit der Smartphone-Kultur ein Missverständnis etabliert, das als solches gar nicht mehr erkannt wird: Kleinanzeigen = Nur für Bürger mit kleinem Hirn, die fest davon überzeugt sind, das ein Satz auch mit einem Prädikat und zwei Adjektiven auskommt?
Wir können uns doch noch glücklich schätzen, dass nur wenige aus der erwähnten Gruppe über ein Diktierprogramm verfügen. Was dabei raus käme, möchte wohl niemand lesen. Oder das Programm kapituliert!
Gruß, Wolfram

Prädikat

Was ist das denn? Donald Trump ist doch Prädikat und zwei Adjektive hat er auch in seiner Hose ^^

Der Spruch ist der Aufmacher für die nächste Titanic. Ich kann vor Lachkrämpfen mich schon nicht mehr auf den Beinen halten.

So ist es wirklich.
Besonders schön ist es auch wenn man ewig verhandelt und der Käufer danach sagt er hätte per Paypal bezahlt, obwohl er das nie vor hatte. Wenn man dann besorgt nachfragt ob das Geld evtl. an die falsche Adresse geschickt wurde, wird dann empört wieder bestätigt, dass das Geld schon richtig überwiesen wurde. Das Spiel geht dann noch so lang weiter, wie man Geduld dazu hat.
Mir scheint das eine Masche zu sein in der darauf gepokert wird, dass jemand die Ware schon ohne Bezahlung los schickt. Habe das jetzt schon bei einigen verschiedenen Artikeln mit verschiedenen Käufern erlebt.
Kopfschüttel....

Jau, solche Maschen gibt es zu Hauf. Man muss höllisch aufpassen. Ich bin generell einer, der alles zwei Mal prüft, aber auch ich bin letztes Jahr das erste Mal auf die Nase geflogen.. Nichtsdestotrotz versucht die Masse nicht zu bescheißen. Sie kann nur nicht mehr kommunizieren ^^

Viele versuchen doch nur, effizient mit ihren Worten umzugehen... :D

Was letzte Preis!?!?

Zwei Geld

Drei Geld!

Ein philosophisches Genie, dieser Homer J. Aristoteles

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Sehr cooler Beitrag. Leider geht es vielen sozialen Plattformen genau so. Erreichen Sie eine Größe wo alle meinen dabei sein zu müssen, dann verändert sich die Kommunikation.

Einzige Möglichkeit ist, dass man es selbst besser macht und immer und immer wieder vorlebt.

“Was is letzte Preis“ fehlt noch 😂

Für einen Außenstehenden äußerst unterhaltsam, wenn auch ein bisschen erschreckend
Für einen betroffenen Verkäufer, wohl einfach nur nervenaufreibend und enttäuschend...

Leider muss ich bestätigen, dass ich einen Kumpel habe, der auch denkt, dass es im Internet so viele Angebote gäbe, die alle nur genau auf ihn warten würde, dass er mit solchen dulli-Anfragen wie "15€", ohne eine Begrüßung oder weiteres, ankommen kann und für ihn vom Verkäufer aus der Preis auf 10@ gesenkt wird... Wenn er dann wenigstens verstehen würde, warum niemand an seinen Nachfragen interessiert ist...

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Ebay-Kleinanzeigen ich wurde auch beleidigt also glaube hat kein sinn ,früher hat alles besser funktioniert.

Bei mir wird angefragt, aber nachdem man geantwortet hat, wird sich grundsätzlich NICHT mehr gemeldet. Das ist mittlerweile leider Standard geworden. Verstehe das wer will... Das Ätzende hierbei ist, dass man teilweise Artikel blockiert, wofür sich vielleicht andere Nutzer interessieren. Mal ganz abgesehen von der verschwendeten Zeit! Lieben Gruß, bin voll bei Dir. ;-)

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