Die Einleitung findet ihr hier
Das Phänomen Stress
Unser moderner Alltag erzeugt in allen Lebensbereichen Stress, sei es am Arbeitsplatz, in der Schule, im Straßenverkehr oder unzähligen weiteren Situationen. Man begegnet dem Begriff in vielfältiger Art und Weise, beispielsweise dem Beziehungsstress, dem Freizeitstress oder dem Lernstress.
Der Begriff Stress wird in den meisten Fällen synonym für Distress, die negative Form von Stress verwendet, weshalb ich hier meinen Fokus auf diese Form des Stress lege.
Stress
Der Ausdruck ‚Stress‘ ist auf den englischen Begriff ‚stress‘ zurückzuführen und umfasst Bedeutungen wie ‚Druck‘, ‚Spannung‘ und ‚Beanspruchung‘.
Betrachtet man den emotionalen Verlauf eines Organismus über den Tag verteilt, klagen viele Menschen über den kontinuierlichen Stress. Verschiedene Ereignisse stellen Anforderungen an einen Organismus, welche dieser mithilfe seiner Ressourcen zu lösen versucht.
Heutzutage leben wir ein hektisches, sich stetig veränderndes Leben. Kontinuierlich gilt es Schwierigkeiten zu überwinden und seine Fähigkeiten zu verbessern. Einer Situation, welche als nicht lösbar erscheint, versucht jede Person zu entgehen. Solche Situationen werden belastend wahrgenommen und daher als Stresssituation bezeichnet.
Stress wird in diesem Kontext als ein Phänomen verstanden, welches durch zwei Merkmale gekennzeichnet ist:
- Das betroffene Individuum wird Gegebenheiten konfrontiert, die es auf Grund seines psychischen, beziehungsweise physischen, Wohlbefindens als gefährlich einschätzt.
- Das betroffene Individuum ist sich unsicher bezüglich seiner Fähigkeit mit diesen Gegebenheiten umzugehen.
Zwei essentielle Grundbegriffe, neben dem zentralen Grundbegriff:
Stressor: Steht für das von außen einwirkende, belastende Ereignis. Unter einem belastenden Ereignis wird eine Situation verstanden, in der äußere oder innere Bedingungen einem Organismus eine Anpassungsreaktion abverlangen.
Stressoren besitzen in vielen Fällen eine negative Valenz, sprich negative affektive Verbindungen zu Menschen, anderen Lebewesen oder Symbolen. Des Weiteren ist die Häufigkeit, Intensität und Dauer eines Stressors entscheidend. Der letzte Punkt betrifft die Vorhersehbarkeit eines Stressors. Hier lässt sich festhalten, dass vorhersehbare negative Ereignisse gleichen, nicht vorhersehbaren Ereignissen vorgezogen werden. Basierend auf allen aufgeführten Aspekten ist entscheidend, dass nicht der Reiz den Stress darstellt, sondern der Stress im Organismus selbst stattfindet!Bewältigung: Beschreibt die Reaktion eines Organismus auf die von ihm geforderte Veränderung. Es gibt physiologische, behaviorale, emotionale und kognitive Reaktionen. Jede Reaktion des Organismus stellt eine Kombination aus diesen Möglichkeiten dar
Das Erleben von Stress geht einher mit Beanspruchungssymptomen auf verschiedenen Ebenen: Physiologische Ebene, psychische Ebene, verhaltensbezogene Ebene. Auf der physiologischen Ebene äußert sich Stress über Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen. Psychische Symptome äußern sich in Form von belastenden Gedanken und Gefühlen, beispielsweise Angst, Hoffnungslosigkeit und Depressionen. Diese beiden Ebenen erlebt ein Organismus subjektiv. Für Außenstehende erkennbar wird das Stresserleben eines Organismus anhand von Verhaltensänderungen. Darunter verstehen sich Verhaltensweisen wie übermäßiger Alkoholkonsum, verändertes Sozialverhalten und motorische Unruhe.
Geschichte der Stresstheorie
Der Begriff ‚Stress‘ war zu Beginn des 19.Jahrhunderts hauptsächlich in der Mechanik verbreitet. Das Hookesche Gesetz führte diesen Begriff dort ein. Dieses Gesetz beschreibt Stress als diejenige Kraft innerhalb eines Festkörpers, welche von einer äußeren Kraft hervorgerufen wird. Die Übertragung des Stressbegriffes auf den Menschen wagte der amerikanische Phy-siologe W. Cannon. Cannon beschäftigte sich mit der Aufrechterhaltung und dem Zusammenbruch der Homöostase eines Organismus. Homöostase stellt für ihn einen relativ gleichen Zustand dar, in welchem ein Organismus unter wechselnden äußeren Bedingungen verharrt. Die Definition Stress als exzessive physikalische oder emotionale Reize zu bezeichnen lehnte sich an die physikalische Definition an. Populär wurde der Begriff ‚Stress‘ erst durch den Physiologen Selye. Anhand von Tierversuchen konnte er belegen, dass ein Organismus auf eine Vielzahl unterschiedlicher Reize mit demselben Reaktionsmuster reagiert. In seine ‚Theorie des Allgemeinen Adaptionssyndroms (AAS)‘ integriert war die Idee, dass Tiere und Menschen einem Druck der Umwelt ausgesetzt sind. Dieser Druck führt zu einer Auseinandersetzung mit den individuellen Anpassungskapazitäten, sprich einer permanenten Interaktion von Individuum und Umwelt. Stress ist in diesem Zusammenhang nicht mehr der Reiz sondern die Reaktion auf einen Reiz. Diese Definition wurde von dem amerikanischen Psychiater Mason revidiert, mit dem Verweis auf Emotionen als Auslöser der Reaktion des Menschen. Dies weckte das Interesse der Psychologie. Die Stressforschung erbrachte bisher keine einheitliche Definition von ‚Stress‘. Bezogen auf die Ausrichtung ihrer Forschungsinteressen haben Forscher dem Phänomen unterschiedliche Definitionen zugeschrieben. Es entstand eine enorme Aspektfülle und Vieldeutigkeit des Stressbegriffes. Trotz der doch sehr unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Bedeutung von ‚Stress’ ist es möglich drei zentrale Traditionen der Stressforschung zu bestimmen:
Stimuluskonzepte:
Stimuluskonzepte beziehen sich vor allem auf die Situation, sprich sie sind reiz bezogen. Diese Konzepte übernahmen die physikalisch-technische Stressdefinition des Hookeschen Gesetz, daher wird Stress ausgehend von einem äußeren Reiz oder einem Umweltereignis verstanden. Unterschieden wird dabei zwischen Anforderungen der äußeren Umwelt, hier werden die Begriffe Stress und Stressor synonym verwendet, sowie der Reaktion auf diese Anforderungen.Aktivationskonzepte:
Aktivationskonzepte stellen reaktionsbezogene Ansätze dar. Der Begriff Stress findet dabei synonyme Anwendung für die Beanspruchung eines Organismus. Der Fokus liegt dabei auf der Anpassungsreaktion des Organismus. Anpassungsreaktionen umfassen kognitive, emotionale, physiologische und verhältnismäßige Reaktionen auf die Beanspruchung. Neben der Abwehr-reaktion sind für diese Konzepte auch der entstandene Schaden des Organismus wesentlich.transaktionale, kognitive Konzepte:
Kognitive oder transaktionale Stresskonzepte stellen Ungleichgewichtskonzeptionen dar. Diese Konzepte besitzen eine sehr umfassende Auffassung von Stress, welche sowohl den Stressor als auch die Beanspruchung beinhalten. Dieses Konzept verfolgt die Annahme, dass die Eigenschaften einer Person auf die Situation und deren Bewältigung Einfluss nimmt. Stress tritt demzufolge dann auf, wenn die Person ein Ungleichgewicht zwischen dem Stressor und seinen persönlichen Ressourcen feststellt. Kognitive und transaktionale Stresskonzepte müssen in der Hinsicht unterschieden werden, dass Ersteres eine einseitige Beeinflussung des Verhaltens der Person durch die Umwelt annimmt, während der zweite Ansatz von einer wechselseitigen Beziehung zwischen Person und Umwelt ausgeht.
Bewertungs- und Bewältigungsprozesse
Die theoretischen Ansätze der Stressforschung werden bisher von dem transaktionalen Stress-modell nach Lazarus dominiert. Der Perspektivenwechsel der Psychologie ermöglichte es Lazarus sein Stressmodell unter dem Gesichtspunkt kognitiver Bewertungsprozesse zu entwickeln. Die Prozesse der Bewertung und Bewältigung stellen den Mittelpunkt seiner Stresstheorie dar.
Im Vergleich zu früheren Stresstheorien geht Lazarus nicht mehr davon aus, dass die objektive Beschaffenheit der Reize oder der Situationen für die Stressreaktion bedeutend ist, vielmehr schreibt er diese Bedeutung der subjektiven Bewertung des Betroffenen zu. Er beschreibt in seiner Stresstheorie „Bewertungsprozesse“ als kognitive Vorgänge, welche auf der Einordnung eines Ereignisses in eine Reihe von Bewertungskategorien beruht. Diese Kategorien beziehen sich entweder auf die Konsequenzen für das Wohlbefinden oder verfügbare Bewältigungsstrategien. Jeder Mensch bewertet demnach Belastungen unterschiedlich!
Die Länge des Posts hat mich davon abgehalten auch die einzelnen Schritte ausführlich zu erläutern. Ich hoffe das Bild spricht für sich, falls nicht schreibt mir gerne eure Fragen!
Literatur
Richard S. Lazarus: Emotion and Adaptation. Oxford University Press, New York NY u. a. 1991
Richard S. Lazarus: Stress and Emotion. A new Synthesis. Free Association Books, London 1999
Jerusalem, Matthias. Persönliche Ressourcen, Vulnerabilität und Streßerleben. Göttingen: Verlagfür Psychologie Hogrefe, 1990
Lazarus, R & Launier, R. „Streßbezogene Transaktion zwischen Person und Umwelt.“ In Stress-Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen, von J. Nitsch, 213-259. Bern, 1981
Lazarus, R. & Launier, R. „Stress-related transactions between person and environment.“ In Perspectives in interactional psychology, von L. Pervin und M. Lewis, 287-327. New York: Plenum, 1978
Lazarus, Richard & Folkman, Susan. Stress, appraisal, and coping. New York: Springer, 1984
Lazarus, Richard. Psychological stress and the coping process. New York: McGraw- Hill Book Company, 1966
Bildquelle: wikipedia: Stressmodell nach Lazarus
Stress ist nicht per se schlecht. Es kommt eben auf den Autonomiegrad an. Also, ob man sich selbst Stress macht oder ob er einem gemacht wird. Letztes ist natürlich schlecht und führt meist zu gesundheitlichen Schäden.
Wie heißt es im Roman so schön:
«Samuel hatte schon sehr früh diesen Sinn für innere Ordnung, kam aber nie aus dem Gefängnis der Unruhe frei.» (aus dem Roman „Brainstorming eines Rasenden“)
http://www.amazon.de/SCHWANZRASUR-oder-Brainstorming-eines-Rasenden-ebook/dp/B00PYJGS5I
Ich gebe dir absolut Recht. Das Konzept "Eustress" habe ich an dieser Stelle bewusst außen vor gelassen.
Das Zitat finde ich äußerst amüsant =D
wirst du noch etwas zu Eustress schreiben? :)
Soll ich ? ;)
Klar!
Sehr schöner und richtig ausführlicher Artikel
Etwas über Eustress, fänd ich auch spannend.
Freu mich auf den nächsten Teil :)
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