21. August 2017
Nachdem ich es in meinem Jubiläumspost vom Samstag angekündigt hatte [1], möchte ich im Rückblick einen Artikel über das Bergrennen St. Ursanne - Les Rangiers veröffentlichen, welches am vergangenen Wochenende stattgefunden hat. Schon im vergangenen Jahr hatte ich einen kurzen Artikel dazu eingestellt [2], ich war vor allem von der Leistung des Engländers Darren Warwick angetan, der zum ersten Mal bei diesem Rennen an den Start ging und sich auf der für englische Verhältnisse breiten Strecke sogleich sehr gut zurechtfand.
Google Maps Bild der Bergrennstrecke St. Ursanne - Les Rangiers [3].
Die Strecke selber ist eine der schnellsten und spektakulärsten in Europa, was allerdings auch für die Gefährlichkeit zutrifft. Immerhin geht es permanent stark bergauf, auf 5180 Metern länge sind ca 360 Meter Höhendifferenz (von ca. 440 auf ca. 800 Höhenmeter) zu überwinden, was in einer durchschnittlichen Steigung von knapp 7 Prozent resultiert. Für Zuschauer ist das Besuchen des Abschnitts Grippons mit der langen Geraden und der schnellen Kurve unter der Brücke hindurch visuell und akustisch sehr zu empfehlen. Aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten mit dem bewaldeten, engen Tal ist es für Zuschauer nicht möglich, ähnlich weite Teile der Strecke einzusehen wie etwa in Oberhallau, aber wer einmal bei Grippons ganz nahe an der Strecke gestanden hat und die Boliden vorbeibrausen gesehen hat, dem wird der Besuch trotzdem gefallen haben.
Das mittelalterliche Kleinstädtchen St. Ursanne liegt im Nordwesten der Schweiz im Kanton Jura im Gebiet Clos du Doubs, einigermassen mittig zwischen dem Kantonshauptort Delémont und der Stadt Porrentruy.
Das Städtchen wird zum Fahrerlager. Eigene Aufnahme aus dem Jahr 2014, als ich selber vor Ort war. Eigene Aufnahme.
Der Wolf GB08F1 Prototyp mit RPE 3 L V8 Motor, mit dem David Hauser 2014 an den Start ging. Eigene Aufnahme.
Der Prototyp des Tschechen Dan Michl, den er schon unter dem Namen Opel Speedster und Lotus mit verschiedenen Bezeichnungen an den Start brachte. Eigene Aufnahme.
Das Städtchen St. Ursanne mit dem Fluss Doubs [21] im Frühling.
Die Ausgabe 2017 fand überwiegend bei gutem Wetter statt. Am Samstag konnten die 3 Trainingsläufe weitgehend wie geplant absolviert werden. Den Rennsonntag prägten eine Reihe von Zwischenfällen, so dass man bangen musste, ob die beiden Rennläufe wirklich bis zum Ende durchgeführt werden können. Schliesslich gelang es, aber der letzte Fahrer erreichte das Ziel nicht wie geplant um 17:30, sondern um 20:08 Uhr. Verzögerungen ergaben sich zum Glück nicht deswegen, weil die Unfälle besonders heftig waren, sondern weil einige Reparaturen an den Leitplanken vorgenommen werden mussten, was stets einiges an Zeit in Anspruch nimmt und in jedem Fall korrekt durchgeführt werden muss.
Letztes Jahr hatte ich ein Video mit Highlights des Serien-Europameisters und Ausnahmekönners Simone Faggioli [4] verlinkt, der auch in der Ausgabe 2017 nicht zu schlagen war, allerdings nach zwei Läufen nur gerade um 0,603 Sekunden die Oberhand behielt. Der zweite Ausnahmekönner aus Italien, Christian Merli [5], hielt mit allen Kräften dagegen und brachte es fertig, bei nicht mehr erstklassiger Sicht am Sonntagabend um 20:06 Uhr als letzter Teilnehmer noch einen absoluten Rekord aufzustellen. Beide Fahrer lenken sogenannte Sportwagen, Faggioli einen französischen Norma M20 FC von Norma Auto Concept [6], Merli einen italienischen Osella FA30 EVO. Osella ist ein Chassis-Hersteller mit langer Tradition, in den 1970er und 1980er Jahren war die Firma auch in der Formel 1 engagiert [7].
Bevor Faggioli 2014 zu Norma wechselte, war er Werksfahrer bei Osella und war entscheidend an der Etablierung dieses speziell für Bergrennen entworfenen Fahrzeugs beteiligt. Faggiolis Norma M20 FC wird von einem englischen Zytek 3L V8 Motor angetrieben, Merlis Osella von einem Fortech 3L V8, Fortech ist ein italienischer Motorenfabrikant. Beide Motoren sollen gut 500 PS leisten. Beide Fahrer sind übrigens keine wahnwitzigen jungen Draufgänger, sondern sehr erfahrene Rennfahrer, Faggioli ist 39 Jahre alt (geboren am 24. Juli 1978 in Florenz), Merli 45 (geboren am 12 August 1972 in Trento). Auf dem dritten Gesamtrang landete der Schweizer Marcel Steiner [20], der einen Lob Art Mugen Prototypen fährt.
Die Top 3 im Gesamtklassement [8] waren, mit Geschw. ist die Durchschnittsgeschwindigkeit gemeint:
Fahrer | Zeit 1 | Geschw. | Zeit 2 | Geschw. | Zeit gesamt |
---|---|---|---|---|---|
Simone Faggioli | 1:41.597 | 183,55 | 1:41.722 | 183,32 | 3:23.319 |
Christian Merli | 1:42.392 | 182,12 | 1:41.530 | 183,67 | 3:23:922 |
Marcel Steiner | 1:49.035 | 171,03 | 1:48.709 | 171,54 | 3:37.744 |
Bei den Tourenwagen kam es auch zu einem Paukenschlag, erstmals blieb ein Fahrzeug unter der 2-Minuten-Grenze. Reto Meisel brachte sein in letzter Zeit defektanfälliges Einzelstück SLK 340 [9] ohne Probleme durch das Rennen, was sich prompt in einer Rekordzeit und dem klaren Sieg äusserte. Sogar im Gesamtklassement reichte es noch für Rang 10. Auf Rang 2 landete der Tscheche Dan Michl [10] in seinem Prototyp mit 2,8 L V8 , der nicht als echter Tourenwagen gilt, sondern als Silhouettenrennwagen. Von einem Sachverständigen könnte meine Art der Klassementsführung kritisiert werden. Auf Rang 3 landete der erste turboaufgeladene Bolide, der Mitsubishi Evo VIII mit Roger Schnellmann hinter dem Lenkrad [11]. Grundsätzlich hatten die turboaufgeladenen Tourenwagen im Rallyestil auf dieser Strecke meist einen eher schweren Stand. Auf Rang 4 schaffte es der Franzose Nicolas Werver, der dieses Jahr zum ersten Mal mit einem Porsche GT2 antrat und auf Rang 5 landete der Tscheche Jiri Los [12], dessen Mitsubishi Lancer Evo IX auch als Silhouettenrennwagen gilt.
Fahrer | Zeit 1 | Geschw. | Zeit 2 | Geschw. | Zeit gesamt |
---|---|---|---|---|---|
Reto Meisel | 1:57.875 | 158,20 | 1:59.398 | 156,18 | 3:57.273 |
Dan Michl | 2:00.548 | 154,69 | 2:02.401 | 152,35 | 4:02.949 |
Roger Schnellmann | 2:04.900 | 149,30 | 2:05.197 | 148,95 | 4:10.097 |
Nicolas Werver | 2:06.170 | 147,80 | 2:06.001 | 148,00 | 4:12.171 |
Jiri Los | 2:06.200 | 147,77 | 2:07.759 | 145,96 | 4:13.959 |
Unterhalb des Berichts möchte ich noch einige Videos verlinken, zunächst eines von der diesjährigen Ausgabe des Rennens. In den kommenden Tagen werden weitere Videos veröffentlicht werden, wenn die Schneidearbeiten erledigt sind.
Von den Abschnitten Garage und Grippon, Kanal CXD77 [13]:
Dann ein unschönes Video, bei dem man sehen kann, was passiert, wenn wirklich etwas schiefgeht. Im letzten Jahr zeigte der Schweizer Joël Volluz in seinem Osella FA30, wie man ein solches Fahrzeug übel zerlegen kann [14]. Soweit mir bekannt, entstieg der Fahrer dem Wrack unverletzt, das Auto fiel auch so auseinander, wie es sollte, die Fahrerzelle blieb heil. Die Zuschauer, die neben der Kamera standen, hatten auch nicht mehr viele Worte übrig, ein Fluch und ein «au nom de Dieu» (im Namen Gottes) sind deutlich zu hören.
Abschliessend will ich gerade von den genannten Fahrern noch Onboard-Aufnahmen verlinken, da diese von besonderem Reiz sind. Von allen Menschen, denen ich diese Aufnahmen gezeigt habe, wäre kaum einer bereit gewesen, auf einem imaginären Beifahrersitz Platz zu nehmen. Insbesondere die Reihe an schnellen Kurven durch das bewaldete Tal ist fahrerisch höchst interessant, da anspruchsvoll. Für die Kompensation von überzogenem Risiko ist nur äusserst beschränkt Platz vorhanden.
Zunächst das beliebteste dieser Videos. Es handelt sich um eine Aufnahme des schweizerisch-luxemburgischen Doppelbürgers David Hauser in einem Dallara GP2 aus dem Jahr 2013 [15]. Dieses Video erreichte mehr als 1,4 Millionen Aufrufe, mit 1:45.7 liegt die Zeit 4,2 Sekunden über dem aktuellen Streckenrekord:
Von Joël Volluz gibt es eine Onboard Aufnahme, aus der Zeit, als er noch einen modifizierten Formel 3000 pilotierte, aus dem Jahr 2012, Zeit 1:46,30 [16]:
Es gibt noch eine weitere, sehr interessante Aufnahme, nämlich diese von Marcel Steiner, auch aus dem Jahr 2012, in der sowohl die aktuelle Geschwindigkeit, als auch Querbeschleunigungswerte eingeblendet sind [17]:
Dann sollen auch die geschlossenen Fahrzeuge noch gezeigt werden. Zum einen der Tscheche Dan Michl mit einer Aufnahme von 2014 [18].
Den Schluss soll es eine Aufnahme des Opel Kadett Piloten Christoph Zwahlen aus dem Jahr 2013 sein [19]. Dieser vermochte es regelmässig, mit seinem Kadett für unmöglich gehaltene Zeiten zu fahren. Leider verunglückte er nur wenige Wochen nach dieser Aufnahme schwer. Er überlebte den Unfall, aber die Erholung davon zog sich sehr lange hin.
[1] Post in eigener Sache 002 - Jubiläumspost - 1 Jahr auf Steemit - Racing!. @saamychristen, 19. August 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/post-in-eigener-sache-002-jubilaeumspost-1-jahr-auf-steemit-racing
[2] Bergrennen 002 - St. Ursanne, Darren Warwick @saamychristen, August 2016 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/bergrennen-002-st-ursanne-darren-warwick
[3] Hillclimbfans Motorsport Wiki: http://www.hillclimbfans.com/wiki/index.php?title=St._Ursanne-Les_Rangiers
[4] Simone Faggioli, official Website: http://www.simonefaggioli.com/
[5] Christian Merli, official Website: http://www.christian-merli.it/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Norma_Auto_Concept www.norma-auto-concept.com
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Osella_Engineering
http://www.osella.it/wrp/de/
[8] Course de Côte St. Ursanne - Les Rangiers. Rennergebnis. Scratch Total 2017 http://rangiers.ch/images/resultatsfinaux2017/Scratch-Total.pdf
[9] Projekt SLK 340 von Reto Meisel. http://www.slk340.com/
[10] https://www.facebook.com/michlmotorsport
[11] http://www.schnellmann-racing.ch/
[12] https://www.facebook.com/3L-Racing-team-450980024971583/
[13] St-Ursanne Les Rangiers 2017 European Hillclimb CRAZY FULL GAS (PURE SOUND). SCD77 YouTube Kanal, 20. August 2017
[14] Crash Rangiers 2016 Osella 250 km/h. 21Moustique YouTube Kanal, 12. September 2016
[15] Onboard with David Hauser (Dallara GP2) - Course de côte de St. Ursanne - Les Rangiers 2013. Gary Hauser YouTube Kanal, 19. August 2013
[16] Joel VOLLUZ - Les Rangiers 2012 caméra embarquée. boumbake25 YouTube Kanal, 19. August 2013
[17] TERRIFIC Onboard Hillclimb St. Ursanne - Les Rangiers 2012 - Osella FA 30 - V8 3.0 - Marcel Steiner MPZRACEVIDEO YouTube Kanal, 12. August 2013
[18] Dan Michl, Lotus Evora, Les Rangiers 2014. HP P YouTube Kanal, 19. August 2014
[19] Onboard Christoph Zwahlen St.Ursanne-Les Rangiers 2013. MotorSportMafia YouTube Kanal, 01. März 2014
[20] http://www.steinermotorsport.ch
[21] Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert. Datum: 30. März 2008, Urheber: Yesuitus2001 bei de.wikipedia. Gefunden wurde die Datei unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Saint-Ursanne
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Anfang September haben wir hier im Odenwald auch ein Bergrennen. Aber wahrscheinlich wirst Du @saamychristen fragen, wo hier denn die Berge sind! ;-) ;-) ;-)
Na gut, Bergrennen heisst ja nicht, dass man unbedingt auf einen grossen und hohen Hügel hochfahren muss. Bedingung ist soweit mir bekannt nur, dass das Ziel einigermassen signifikant höher liegt als der Start.
In der Schweiz wird auch kaum in wirklich alpinem Gebiet gefahren, es gibt das Arosa ClassicCar, an welchem oft wirklich prominente Namen am Start sind. Dort liegt das Ziel auf etwa 1'800 m ü. M. Die Rennen, die es im Kanton Wallis gibt, starten tief im Tal und gehen dann recht steil hoch, aber führen auch nicht zur Bergspitze wie es beim Pikes Peak Rennen in den USA der Fall ist.
Ganz flach ist es ja längst nicht überall in Deutschland.
Ist das Rennen, welches du meinst, das Bergrennen Unterfranken in Eichenbühl? Ich hab davon mal ein paar Highlights-Videos gesehen.
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