30. Oktober 2018
Am Sonntag 28. Oktober 2018 fand nicht nur die eher regional bedeutende Wahl im deutschen Bundesland Hessen statt [1], sondern auch die Stichwahl zur Präsidentschaftswahl in Brasilien [2], mit 8'515'770 km2 Fläche und etwa 210 Millionen Einwohnern immerhin das fünftgrösste Land der Erde. Wer diese Wahl [3] gewonnen hat, dürfte mittlerweile um die Welt gegangen sein, es ist der konservative Kandidat und Ex-Militär und Katholik Jair Messias Bolsonaro (geboren 1955) [4], dessen lange vorbereitete Kampagne erfolgreich war. Bolsonaro, der für die Partido Social Liberal (Sozial-liberale Partei) [5] antrat, besiegte seinen Rivalen Fernando Haddad (geboren 1963) [6] von der Partido dos Trabalhadores (Arbeiterpartei) [7], der auch die früheren Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff angehörten. Haddad ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität São Paulo und hat libanesische Wurzeln, er ist ein Mitglied der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien.
Das Wahlergebnis sah folgendermassen aus [3]:
Jair Bolsonaro | Fernando Haddad | |
---|---|---|
Stimmen Runde 1 | 49'277'010 | 31'342'051 |
Wähleranteil Runde 1 [%] | 46,03 | 29,28 |
Stimmen Runde 2 | 57'797'466 | 47'040'859 |
Wähleranteil Runde 2 [%] | 55,13 | 44,87 |
Gewonnene Bundesstaaten | 15 + DF | 11 |
Anmerkung: Die Abkürzung DF steht für Distrito Federa (Bundesdistrikt), welcher um die Hauptstadt Brasilia liegt und über eine Fläche von etwa 5'790 km2 verfügt. Jair Bolsonaro konnte diesen Distrikt für sich entscheiden und sonst die Bundesstaaten im Süden, Westen und Nordwesten, womit ein klarer Sieg resultierte. Sein Konkurrent Fernando Haddad gewann im Osten und Norden.
Die Siegesrede des zukünftigen Präsidenten gibt es bei YouTube auf dem Kanal von France 24 in englischer Übersetzung [8]:
Vor einigen Wochen habe ich bereits einmal über das Thema geschrieben [8], wohl wissend, dass ich zum Thema Südamerika nicht über profundes Fachwissen verfüge. Sehr eindrücklich im Zusammenhang mit dem brasilianischen Wahlkampf war es, immer wieder die internationale Berichterstattung anzusehen. Jair Bolsonaro ist nämlich kein Produkt der Massenmedien, sondern eines der dezentralen sozialen Medien. In Brasilien, so wenigstens mein Eindruck aus einigen Episoden der Sendung Update Brasil des konservativen Katholiken Allan dos Santos, war es in der Vergangenheit so, dass eine eigentlich sehr konservative und hauptsächlich christliche Bevölkerung sich mit einer progressiven Intelligentsija konfrontiert sah, die Medien und Politik dominierte.
Der konservative Philosoph Olavo de Carvalho [9-11], der in den USA lebt, hat aus diesem Grund eine politisch-gesellschaftliches Modell für Brasilien entworfen. Grob gesagt besteht dieses Modell aus einer konservativ-christlich geprägten Marktwirtschaft inklusive dem Willen, ihren Gegnern, besonders wenn sie vom Staat bezahlt werden, entschieden Widerstand zu leisten. De Carvalho hat die Literatur libertärer Ikonen wie Ludwig von Mises, Frédéric Bastiat und weiterer studiert. Diesem Modell konnten er und seine Anhänger auf eigenen Wegen, Aufsätze, Videos, Bücher und Kurse zu Popularität verhelfen, ohne dass man dabei auf umfangreiche Unterstützung durch den medialen Mainstream, Schulen und die Politik zählen konnte. Olavo de Carvalho gab schon vor einiger Zeit bekannt, dass er Jair Bolsonaro unterstützt und dürfte damit einer der ganz entscheidenden Wahlhelfer gewesen sein.
In den internationalen Medien wurde davon aber kaum etwas darüber geschrieben, sondern Jair Bolsonaro wurde als ein rechtsradikaler, teilweise auch ultrarechter oder rechtsextremistischer Kandidat [12-19] bezeichnet, inklusive der geläufigen Attribute homophob, frauenfeindlich, rassistisch und militaristisch. Teilweise wurde das durch entsprechende Zitate belegt [20], die zumeist nicht gerade ganz aktuell und nicht ausufernd lang waren. Das bedeutet, dass der Kontext der Aussagen nicht ganz einfach nachzuvollziehen ist. Umstände, unter welchen ich Zitate meist nicht auf die Goldwaage lege. Bolsonaro scheint sich, so ist wenigstens mein Eindruck, keine grosse Mühe zu geben, seine wahren Ansichten in Klarheit darzulegen und sie nicht in einer zuckersüssen, manipulativen Verpackung anzubieten und ein Feigling scheint er auch nicht zu sein. Mir ist das lieber als Leute, die erst alles schönreden, um nach der Wahl ihre volle Grausamkeit zu zeigen. Ich hoffe, nur die Zukunft kann es zeigen, dass die Rhetorik in diesem Fall drastischer ist als die folgenden Taten. Das bedeutet nicht, dass ich ein Loblied auf Bolsonaro anstimmen will, denn dafür sind meine Kenntnisse über ihn nicht umfassend genug. Aber ich sehe, dass die, die mit grosser Vehemenz gegen ihn agitieren, in der Regel politisch weit links stehen. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Beiträge des Typs These gegen Antithese, als um analytische Darstellungen von These und Antithese inklusive folgender Synthese.
Längere Artikel gab es auch, etwa bei der Welt [21] oder bei der New York Times [22]. Der letztjährige "Kanzlerkandidat" Martin Schulz (SPD) - in Anführungszeichen geschrieben wegen seiner von realistischerweise äusserst geringen Erfolgschancen - war vor kurzem auch in Brasilien und besuchte den wegen Korruption im Gefängnis sitzenden früheren Präsidenten Lula da Silva [23]. Der im deutschsprachigen Raum auftretende politische Analyst Alexander Benesch hat den Verdacht geäussert, Jair Bolsonaro könnte durch seine Vergangenheit beim brasilianischen Militär über Verbindungen zum amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA verfügen [24].
Der britische Journalist Paul Joseph Watson, der auch im alternativmedialen Bereich tätig ist, hat vor einigen Tagen den brasilianischen Lehrer für internationale Politik Filipe G. Martins [25] befragt. Dieser ist Mitglied der Partei, der auch der zukünftige Präsident Jair Bolsonaro angehört. Er legt über eine halbe Stunde seine Einschätzungen dar, was ich für definitiv aufschlussreich halte, weil man diese Informationen über die Berichterstattung der etablierten Medien nicht erhält. Trotzdem würde ich dem Video nicht den Titel The Truth About Brazil & Bolsonaro (Die Wahrheit über Brasilien und Bolsonaro) [26] geben, wie es Herr Watson getan hat. Das impliziert eine unabhängige, objektive Darstellung, welche ein involviertes Parteimitglied eher nicht leisten kann. Plakativ ist ein solcher Titel definitiv, aber er ist nicht ehrlicher, als man es von den etablierten Medien gewohnt ist.
Auch Felipe G. Martins weist auf die Schlüsselrolle der sozialen Medien hin, in denen gemäss meinem Dafürhalten die politisch eher rechts stehenden Aktivisten und Gruppen den links stehenden den Rang abgelaufen zu haben scheinen. Man kann das sehr gut auch an den Einschätzungen etablierter Medien erkennen. Im Zuge des arabischen Frühlings, der im Ergebnis eher zweifelhaft war, frohlockten westliche Medien, auch die öffentlich-rechtlichen, geradezu über die Möglichkeiten, die durch Netzwerke wie Facebook erst entstehen. Mich stimmte das skeptisch, da mir unmittelbar klar war, dass solche Kampagnen gegen jede Regierung und Organisation geführt werden können, nicht nur gegen die, die westliche Medien und Politiker zu einem bestimmten Zeitpunkt für ungeliebt erklären.
Durch Ereignisse und Kampagnen wie dem Brexit, der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, regierungskritischen Beiträgen zur Euro- und Migrationskrise und nun der Wahl von Jair Bolsonaro verhalten sich diese Medien und auch Politiker weitaus weniger euphorisch. Sie verkündeten ein postfaktisches Zeitalter, wollen auch gesetzlich gegen sogenannte Falschmeldungen und Hassreden vorgehen und ganz allgemein in die Rede- und Meinungsfreiheit eingreifen. Allein diese Aussicht sollte einen wenigstens erahnen lassen, dass Staaten die möglicherweise entstehenden Dynamiken stets unter ihrer Kontrolle halten wollen. Es muss eine Mischung aus zwei Dingen sein, einerseits sollen sich die Leute ablenken, unterhalten und sich austauschen, andererseits sollen sie die vorherrschenden Verhältnisse möglichst nicht zu sehr in Frage stellen. Diese Gratwanderung irgendwie zu beherrschen und sich dennoch nicht in die vollständige Konformität zwingen zu lassen, ist die Herausforderung, mit der sich unabhängige Autoren, Kommentatoren und Analysten konfrontiert sehen. Deswegen bezeichne ich mich zum Beispiel auch als treu zum Westen und zur Schweiz, sollte irgendjemand Zweifel hegen, wenn ich in meinen Ausführungen sehr kritisch wirke.
[1] Politik 104 - Landtagswahl in Hessen - AfD in allen Landtagen. @saamychristen, 29. Oktober 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-101-landtagswahl-in-hessen-afd-in-allen-landtagen
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Brazil
https://de.wikipedia.org/wiki/Brasilien
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Präsidentschaftswahl_in_Brasilien_2018
https://en.wikipedia.org/wiki/Brazilian_general_election_2018
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Jair_Bolsonaro
https://de.wikipedia.org/wiki/Jair_Bolsonaro
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Social_Liberal_Party_Brazil
https://de.wikipedia.org/wiki/Partido_Social_Liberal
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Fernando_Haddad
https://de.wikipedia.org/wiki/Fernando_Haddad
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Workers'_Party_Brazil
https://de.wikipedia.org/wiki/Partido_dos_Trabalhadores
[8] Brazil's newly elected president Jair Bolsonaro victory speech. FRANCE 24 English YouTube Kanal, 28. Oktober 2018
[9] Politik 096 - Der Spin des Westlichen Mainstreams - Brasilien Präsidentschaftskandidat Bolsonaro. @saamychristen, 07. September 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-096-der-spin-des-westlichen-mainstreams-brasilien-praesidentschaftskandidat-bolsonaro
[10] Persönlichkeiten 015 - Olavo de Carvalho - Ein Brasilianischer Konservativer. @saamychristen, 20. September 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/persoenlichkeiten-015-olavo-de-carvalho-ein-brasilianischer-konservativer
[11] https://en.wikipedia.org/wiki/Olavo_de_Carvalho
https://de.wikipedia.org/wiki/Olavo_de_Carvalho
[12] Brasilien - Warum wir Bolsonaro als rechtsextrem bezeichnen. Tagesschau.de, 27. Oktober 2018, von Matthias Ebert https://www.tagesschau.de/ausland/bolsonaro-rechtsextrem-101.html
[13] Bolsonaro siegt in Brasilien - Rechtsextremer wird neuer Präsident. Tagesschau.de, 28. Oktober 2018 https://www.tagesschau.de/eilmeldung/brasilien-bolsonaro-115.html
[14] Stichwahl in Brasilien - Ein Wahlkampf voller «Fake News» und Hass-Attacken. SRF.ch, 27. Oktober 2018, von Karen Neundorf https://www.srf.ch/news/international/stichwahl-in-brasilien-ein-wahlkampf-voller-fake-news-und-hass-attacken
[15] Ultrarechter Ex-Militär - Jair Bolsonaro ist Brasiliens neuer Präsident. SRF.ch, 29. Oktober 2018 https://www.srf.ch/news/international/ultrarechter-ex-militaer-jair-bolsonaro-ist-brasiliens-neuer-praesident
[16] Ultrarechter wird Präsident - In Brasilien ist nichts mehr selbstverständlich. SRF.ch, 29. Oktober 2018, von Karen Neundorf https://www.srf.ch/news/international/ultrarechter-wird-praesident-in-brasilien-ist-nichts-mehr-selbstverstaendlich
[17] Jair Bolsonaros Brasilien - «Wir stehen vor einem Systemwechsel». SRF.ch, 30. Oktober 2018 https://www.srf.ch/news/international/jair-bolsonaros-brasilien-wir-stehen-vor-einem-systemwechsel
[18] Umweltpolitik in Brasilien - «Bolsonaro sucht die Annäherung an Donald Trump». SRF.ch, 30. Oktober 2018 https://www.srf.ch/news/international/umweltpolitik-in-brasilien-bolsonaro-sucht-die-annaeherung-an-donald-trump
[19] Ausland - Präsidentschaftswahlen - Brasilien erlebt den Beginn einer rechten Revolution. Welt.de, 08. Oktober 2018 https://www.welt.de/politik/ausland/article181798078/Praesidentschaftswahlen-Brasilien-erlebt-den-Beginn-einer-rechten-Revolution.html
[20] Brasilien - "Ich bin für Folter": Bolsonaro in Zitaten. ZVW.de, 28. Oktober 2018, dpa https://www.zvw.de/inhalt.brasilien-ich-bin-fuer-folter-bolsonaro-in-zitaten.8467622f-7265-4c05-9a7a-3dc0d5d14d4d.html?
[21] Literatur - Der Untergang Brasiliens. Welt.de, 27. Oktober 2018, von Marcelo Backes https://www.welt.de/print/die_welt/literatur/article182827360/Der-Untergang-Brasiliens.html?
[22] Opinion - Brazil’s Sad Choice. The New York Times, 21. Oktober 2018, by The Editorial Board https://nyti.ms/2R4N9vl
[23] Ausland - Schulz bei Lula im Gefängnis - „Keine Macht der Welt kann mich daran hindern“. Welt.de, 31. August 2018, dpa/sst https://www.welt.de/politik/ausland/article181375392/Martin-Schulz-bei-Lula-da-Silva-Was-treibt-die-SPD-nach-Brasilien.html
[24] Bolsonaro in Brasilien: Antikommunist, aber CIA-Eugeniker?. Alexander Benesch, 30. Oktober 2018
[25] Filipe G. Martins bei Twitter: https://twitter.com/filgmartin
[26] The Truth About Brazil & Bolsonaro. Paul Joseph Watson YouTube Kanal, 26. Oktober 2018
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Bastiat. Da geht einem das Herz auf.
Andererseits.
Nachdem was der Youtuber The Red Elephants über seine Wünsche was Bolsanaro anstellen soll, abgelassen hat, sehe ich dem auch nicht sorglos gegenüber.
Da Bolsonaro ja aus dem Militär kommt, könnte er auch ziemlich martialisch werden.
Ggf. steht ein Krieg mit Venezuela im Haus. Sowas kann sehr unterschiedlich verlaufen.
Tendenziell gute Nachrichten. Jedenfalls kein weiterer Vollblut-Sozialist.
Danke für den Kommentar!
Den YouTuber The Red Elephants kannte ich bis vorgestern nicht. Dann wurde er irgendwo empfohlen und ich habe zwei seiner Videos gesehen. Im einen regte er sich darüber auf, dass er permanent von Twitter verbannt wurde, im anderen hat er über Bolsonaro gesprochen. Im ersten Video hat er über die freie Meinungsäusserung gesprochen und dass man dafür kämpfen soll. Das finde ich in Ordnung.
Mein Fazit aus dem zweiten Video ist, dass ich ihn für einen Idioten halte. Ich kann nachvollziehen, dass es auch westliche Kulturen gibt, die wesentlich stärker durch Gewalt geprägt sind als die mitteleuropäische. Ein Kurswechsel in einem solchen Land kann notwendigerweise mit mehr angewandter Härte und Konsequenz verbunden sein als man es in Mitteleuropa gewohnt ist und das muss nicht falsch sein. Was ich aber von The Red Elephants zu hören bekam, fand ich komplett abstossend, es graut mir davor.
Was hat er alles gefordert? 1. Öffentliche Bücherverbrennungen und Erschiessungen von Kriminellen und extremistischen Linken, die verurteilt wurden, mit TV-Übertragung, 2. Helikopterstaffeln um sich Pinochet-Style unliebsamer Leute zu entledigen.
Was geht in dessen Kopf vor? Ich sage, dass da drin vor allem völlig untauglicher Müll gerührt wird. Bücherverbrennungen braucht niemand, da nahezu alles online existiert oder im Ausland nachgedruckt werden kann. Dazu öffentliche Erschiessungen in der Öffentlichkeit mit TV-Übertragung. Sowas würden vielleicht ein paar Millionen Menschen weltweit applaudieren, aber ich gehe davon aus, dass das 95+ % der Menschheit Gott sei dank nicht positiv zu vermitteln wäre, mit den entsprechenden Resultaten in der Öffentlichkeit. Auch wenn linke Diktaturen in der Regel mehr Opfer gefordert haben als rechte, ist es für mich ein Fakt, dass die Linken in diesem Thema global die Deutungshoheit haben und sich daran mittelfristig nichts ändern wird. In Südamerika wird viel von den unter militärdiktatorischer Herrschaft Verschwundenen (Desaparecidos) [1] gesprochen. In den Militärdiktaturen von Brasilien (1964-85) [2] und Argentinien (1976-83) [3] kam es zum Verschwinden von Leuten und es wird dabei von Staatsterrorismus gesprochen. Gerade auch deswegen finde ich es überhaupt nicht witzig, wenn unverbesserliche Rechte in ihren Helikopterwahn verfallen und entsprechende Sprüche sehr lustig finden. Ja, es ist eine Tatsache, dass linke Aktivisten sehr unliebsam und gewaltaffin sein können, aber sich ihrer mit Erschiessungen und Helikopterstaffeln zu entledigen ist faschistoid und nicht ratsam, wenn man global halbwegs angesehen bleiben möchte.
Solche Dinge durchzuziehen, wäre aus meiner Sicht also völlig kontraproduktiv, dazu würde die Aktion von allen Menschen links und in der Mitte benutzt werden und jedem vorgehalten, der es nur wagt, mit Herrn Bolsonaro und Brasilien zu kooperieren. Speziell rechte aus Mitteleuropa und Amerika würden das sehr stark zu spüren bekommen und müssten um ihre Stimmenanteile bangen, wenn sie sich nicht dauernd distanzieren. Im Falle der Republik Südafrika ist den Linken schon einmal ein ähnlicher Coup gelungen. Das Apartheid-Regime wurde die Jahre vor seinem Ende massiv sanktioniert, auch von westlichen Ländern. Schweizer Rechte haben sich damals sehr lange dagegen ausgesprochen und bekommen das noch heute vorgehalten, in einem Ton, als hätten sie mit dem Teufel paktiert.
In den wenigen Tagen, die ich vor kurzem in Buenos Aires verbringen konnte, sah ich diesen Eindruck bestätigt. Viele fürchten sich vor zu viel zentralisierter Macht, Argentinien ist ziemlich zentralistisch und die Militärdiktatur wird als abstossendes Beispiel vermittelt. In Argentinien - ich gehe nicht davon aus, dass es in Brasilien ganz anders ist - sind das Militär, die Polizei, Industrielle, die römisch-katholische Kirche und die Freimaurerei wichtige Machtfaktoren. Wo da die Linken genau hineinpassen weiss ich nicht, sie sind jedenfalls auch da und ich halte es nicht für ratsam, dass etwa Militär und Polizei hingehen und einen Wahnsinn abziehen, der sie am Ende nur selbst schädigt.
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Forced_disappearance
https://de.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos
https://es.wikipedia.org/wiki/Detenido_desaparecido
[2] https://es.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos_políticos_en_Brasil
https://pt.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos_políticos_no_Brasil
[3] https://es.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos_durante_el_terrorismo_de_Estado_en_Argentina
https://pt.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos_durante_a_ditadura_argentina
https://steempeak.com/politics/@caitlinjohnstone/why-i-remain-hopeful-when-things-look-grim
Hier eine Einschätzung aus deutlich linker Perspektive. (Links hier aber eher Eva Bartlett links; klassisch opponierend gegen Kriegseinsätze der Nato usw. nicht dieselbe Hysterie wie von CNN.)
Ja, ist ja ein halbwegs großer Kanal und mind. das zweite Video, was ich sah, bei dem ich dachte: OmG, sagst du das da gerade wirklich? nur diesmal noch in größerer Vielzahl.
Und dann: Dafür bekommt er so viel Zustimmung? (Das ist eigentlich das viel schlimmere.)
Ich mein, auf der einen Seite würde er es begrüßen, wenn die Amis aus den ganzen Ländern rausgehen und keine Kriege mehr führen - also ist er nicht klassisch republikanisch-militaristisch.
Aber dann auf einmal.. ..schlimmer als Richard Spencer.
Und für auf den Kopf gefallen halte ich ihn nicht.
Er bräuchte definitiv mal Dissens von Freunden u/o eine Frau an seiner Seite.
Es ist immer eine Bereicherung, Deine Texte zu lesen.
Danke für den Kommentar und das Lob!
Ja, ich hoffe es, dass kein Leser sich um seine wertvolle Zeit betrogen fühlt, nachdem er oder sie sich einen meiner Texte durchgelesen hat und dass man stets auch wenigstens etwas halbwegs positives daraus entnehmen kann.