Roman: Seb Hofmann - Froschperspektive (Kapitel 9.18.)

in #deutsch7 years ago (edited)

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Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich ins Bett gegangen, doch es gibt Wogen, die geglättet werden müssen, dass ich auch morgen noch einen Schlafplatz habe. So denke ich mir etwas aus, das wie die Wahrheit klingen könnte. Mühe gebe ich mir keine, auch nicht bei der Auswahl der Lokalität; Café Westend. Das denkbar beschissenste Fleckchen Erde, dass Wien für Entschuldigungen zu bieten hat. Jahrzehntealter, schleimiger Dreck, der an den Wänden pappt und aus dem Mund des Balkanobers kommt, um zu kaschieren, dass das einzig Störende der Gast ist. Jeder Handgriff wird auf den Konsumationsbeleg gesetzt, und als ob das nicht schon reicht, beschissen wird man obendrein. Mit spitzem Finger picken wir etwas aus dem, was uns vorgesetzt wird. Mein Telefon vibriert. Endlich, sie ruft zurück. Klingeln ist nicht, um zu verschleiern, wie rege ich mit Zuzanna kommuniziere. Zuzanna gestern Nacht. Zuzanna jederzeit. Zuzanna auch jetzt. Anrufe, Nachrichten, Besuchswünsche. Egal, ich liebe es, bin immer bereit, kein Problem ist zu groß und zum Dank lässt sie mich mit vollen Eiern abrücken. Doch sie fickt mich mit jedem verpassten Anruf, den ich stürmisch beantworte. „Was kann ich an diesem strahlenden Samstagvormittag für dich tun?“ Oder so ähnlich hätte ich es vielleicht formuliert, aber bevor ich dazu komme, kreischt sie: „Du musst kommen!“, und legt auf. Es wäre ein taktischer Fehler jetzt gleich aufzuspringen. Ich bleibe cool und erkläre gefasst, dass alles seine Grenzen habe. Mariola ist interessiert, natürlich besorgt und drängte gemeinsam zu gehen. Ich stehe auf und verabschiede mich. Zuzanna öffnet wie gewohnt im roten Bademantel, fällt mir verzweifelt um den Hals und zeigt auf eine Pistole, die prominent auf der Kommode liegt. Sie stammelt: „Die hat er mir hingelegt.“ Nervös routiniert nehme ich sie. Popeliger als gedacht, liegt aber verflucht gut in der Hand. Mich durchfährt die Begeisterung. In die Seite ist „MADE IN CZECHOSLOVAKIA“, in Großbuchstaben graviert und über dem Hebel oberhalb des Griffs prangt ein oranger Punkt, der Spannung signalisiert. Ich kapiere, was Richard meint, wenn er von seiner Wumme schwärmt. Ich stümpere lässig das Magazin heraus, und siehe da, dort stecken tatsächlich goldene Patronen drin. Ich schiebe es zurück und täusche Nachdenken vor, um das Gefühl mit geladener Waffe neben meiner Traumfrau zu stehen, noch ein wenig auszukosten. Sie verlangt, dass ich sie verschwinden lasse, da sie sich in ihrer Haut nicht mehr sicher fühlt. Ich zögere, denn ich habe sie lieber beschützenswert als beschützt, doch dann stecke ich sie ein.

Roman: Seb Hofmann - Froschperspektive (Kapitel 9.19.)

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