The Visit (2015) - origineller seltener Fratz von einem Schocker

in #deutsch5 years ago (edited)

Dieser Film stammt vom Regisseur M. Night Shyamalan, dem sein Durchbruch einstmals mit dem Film The Sixth Sense gelang. Dieser frühe, damals gefeierte Film konnte mich nie beeindrucken und völlig anders als viele Zuschauer fand ich ihn nur seicht, langweilig, und die komische Geistergeschichte darin überhaupt nicht bemerkenswert. Nun hat Herr Shyamalan mittlerweile bereits mal Filme gemacht, die mir ganz gut gefielen, und ist so für mich ab und zu ganz interessant geworden, ob er das noch mal schafft oder noch einmal völlig daneben greift. Hier ist es ihm gelungen, mich zu überzeugen.

Ich frage mich, ob ich viele Details über Schockeffekte im Film verraten sollte oder wie viele. Möglicherweise wird es ein Kompromiss, denn ganz ohne explizite Schilderung wird hier nicht nachvollziehbar, wie und wann der Film wirklich seine besonderen Qualitäten entfaltet.

Eine eher Jugendliche und ihr Bruder, noch jünger, fast noch Kind wollen erstmals ihre Großeltern kennen lernen und bei denen eine Woche Ferien verbringen. Zwischen ihrer Mutter und den Großeltern herrscht seit langem eisiges Schwiegen nach einem simplen Familiendrama um den Vater der Kinder, der später die Familie verlassen hat. Den kleinen Bruder hat das ein bisschejn neurotisch gemacht, aber wohl eher harmlos, weil er anderseits versucht cool zu sein und im Film öfter kleine spontane Raps hinlegt, was sein Hobby und besonderes Talent ist. Die beiden Jugendlichen haben zwei Videokameras dabei und wollen eine Doku über ihren Besuch bei den Großeltern drehen. Fast alle Kameraeinstellungen des Films sind aus der Perspektive dieser beiden Videokameras, eine natürlich ständig realistisch wirkende Art der Darstellung, die sich aber später zunehmend unrealistische Anblicke und Geschehnisse zum Gegenstand macht.

Was auch Trailer und kurze Inhaltsangaben verraten ist, dass sich die Großeltern vor allem nachts, aber nicht nur, sehr seltsam und unheimlich verhalten. Beispielsweise öffnen die Kinder mal nachts die Tür und wollen kurz ihr Zimmer verlassen, worauf ein erster kleiner Schock folgt, als die Oma sich mehrfach nacheinander im Strahl übergebend durch den Hausflur schleicht im weißen Nachthemd. OK, das wirkt seltsam unheimlich, aber noch nicht so ganz megaschockierend. In einer anderen Szene wird sie plötzlich von der Kamera eingefangen, wie sie nachts nackt im Haus steht und an der Wand kratzt. An diesem Punkt begann ich diese Aspekte des Films perfide amüsant zu finden, wobei ich den Schock irgendwie mitdenken konnte, aber bekam eine Art Sensationslust, noch mehr solche Bilder sehen zu wollen. Herr Shyamalan hat dann hier noch Ideen verwirklicht wie zum Beispiel Inkontinenzwindeln zu Schockeffekten zu machen usw. Nun wird erläutert, dass das alte Paar gesundheitliche Probleme  hat, die für alte Menschen typisch sind und verschiedene Symptome von Demenz entwickelt. Zwischendurch wirken sie aber recht klar im Kopf und in der Lage aufeinander aufzupassen. Das wirkt auf einmal recht undramatisch und als könne man sich eben als Besucher auch darauf einstellen.

In der nächsten Stufe der Spannung beginnen die allerdings in solchen Anfällen auf verwirrte Art auch mit Waffen herumzuspielen. Die Kinder, die sonst auch öfters amüsant wirken im Film, nehmen das langsam sehr ernst und planen ihre Rückreise etwas früher als ursprünglich gedacht, weil sie doch Angst bekommen. Was Plausibilität angeht, hat mich das Finale etwas verwirrt bezüglich der Familienverhältnisse, klar ist aber, dass das alte Paar nachher wirklich unberechenbar und gefährlich wird, es gibt mehrere Leichen auf deren Farm, und die Kinder haben allen Grund, nur noch weg zu wollen. Schließlich kommt es zu direkten Kämpfen der Jungen gegen die Alten, wobei ein ausgestoßener Fluch aus Schimpfwörtern und der nun einsetzende ironische Soundtrack nachher zur Erleichterung führen. Hier möchte ich nur noch verraten, dass die Ideen, welche verrückten und gefährlichen Taten die Alten nun noch begehen, ausgesprochen originell und auf den Punkt wirkungsvoll sind. Dieses Element macht diesne Film von Shyamalan wirklich zu einem besonderen, den sich wohl nur er ausdenken konnte.

Ich meinte noch diverse Reminiszenzen an Der Exorzist zu entdecken, was das Verhalten der gruseligen Großmutter angeht. Ganz lustig ist, dass das auch etwas psychologisch plausibel wirkt, denn es wird erwähnt, sie sei früher ein Hippie gewesen, und daher denkbar, sie sei eventuell mal etwas zu beeinflusst worden von diesem Film, der in einer passenden Zeit erschien und populär war. Außerdem ist bei Demenz typisch, dass Erinnerungen und Verhaltensmuster aus der Vergangenheit der Betroffenen auf sehr unpassende Art abgerufen werden und Vernunft nicht mehr dagegen hilft.

An manchen Stellen ist der Horror im Film eine Haaresbreite von schwarzem Humor entfernt, und The Visit wird so zu einem auch sehr wirkungsvollen Unterhaltungsfilm. Und trotz stilistischer Nähe zur Stimmung vieler Horrorvorläufer nehmen die Höhepunkte eine sehr eigene und neuartige Qualität an, wofür ich diesen Film besonders schätze.

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