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RE: Was ist Erfolg?

in #deutsch7 years ago

Etwas verspätet, aber ich sage vielleicht doch mal was dazu, wobei ich natürlich wieder nur für mich sprechen kann.

Grundsätzlich gibt es natürlich verschiedene Anliegen, warum man an der Uni arbeitet. Ich beziehe mich jetzt auch nur auf wissenschaftliche Mitarbeiter, nicht technische wie Laboranten, Mechaniker o.ä., denn da ist die Situation etwas anders. Außerdem kann ich hauptsächlich für die Chemie und andere Natur- bzw. Ingenieurswissenschaften sprechen. In anderen Fachrichtungen kann das da sicherlich mitunter gravierende Unterschiede geben.

Also der erste Grund ist oft, dass man eine Doktorarbeit machen will. Dazu kann man Stipendium organisieren, was natürlich eine gewisse Auszeichnung ist, aber den Nachteil haben kann, dass man Probleme kriegt, wenn man danach nicht direkt Arbeit findet und z.B. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat (dazu kommen natürlich fehlende Einzahlungen in die Renten- und anderen Sozialkassen).
Die zweite Option ist eine Anstellung als so genannter wisschenschaftlicher Mitarbeiter (mag sein, dass es auch Stipendien in Form einer solchen Anstellung gibt), was - zumindest in der Chemie - i.d.R. als halbe Stelle geschieht. Die Bezahlung erfolgt dann formal dafür, dass man in der Lehre mitarbeitet (z.B. Praktika betreut oder Übungen). Die eigentliche Doktorarbeit findet so gesehen in der "Freizeit" statt. Tatsächlich ist man dann aber eben trotzdem immer den ganzen Tag da, evtl. auch am Wochenende. Diese Verträge sind üblicherweise für 3-5 Jahre befristet, denn in der Zeit hat man dann normalerweise seine Qualifikation abgeschlossen.

Nach der Doktorarbeit kann man natürlich z.B. in die Industrie oder sonstigen öffentlichen Dienst wechseln. In der Industrie kann man Forschung betreiben, die meistens sehr anwendungsnah ist (klar, denn da sollen natürlich vermarktbare Produkte entstehen) oder aber man versucht, an der Uni weiter zu forschen. Je nachdem, welche weitere Karriere man anstrebt, sollte man dabei die Uni wechseln bzw. noch besser für zwei-drei Jahre ins Ausland.

Eine Karrieremöglichkeit ist es, eine Professur anzustreben, dazu muss man Glück haben und eine Juniorprofessur ergattern oder aber habilitieren. Das geht häufig wieder mit einem Stipendium (mit den gleichen Problemen wie beschrieben) oder aber mit Glück auf Projektstellen. Ob man hinterher dann eine Professur bekommt, sei an der Stelle mal offen. Und dann in die Industrie gehen ist sicherlich auch nicht einfach.

Von der Professur abgesehen braucht man noch den so genannten "akademischen Mittelbau". Das sind Leute, die zum einen Verwaltungs- und Lehraufgaben wahrnehmen und dabei den Professor unterstützen, ansonsten aber auch Forschungsaufgaben wahrnehmen, Doktoranden betreuen, Geräte warten und den Laboralltag koordinieren, Überblick behalten etc.
Wenige dieser Leute sind fest angestellt oder verbeamtet, was an sich gut ist, insbesondere, weil man für manche Geräte viel Expertise braucht, die man über Jahre aufbaut und nicht dann mal eben ständig jmd. Neuem weitergeben kann, wenn alle 2-3 Jahre ein Wechsel stattfindet. Gleiches gilt für Organisationssachen, weil es oft vieles leichter macht, zu wissen, an wen man sich wann wenden muss und das nicht immer wieder neu aus dem Uni-Verwaltungsdschungel rausfinden muss.

Und dann gibt es Leute wie z.B. mich, die hauptsächlich auf so genannten "Drittmittelprojekten" arbeiten. Das sind Projekte, die von auswärts finanziert werden (z.B. durch Firmen oder öffentliche Gelder), die in der Laufzeit naturgemäß begrenzt sind oder deren Verlängerung vom Erfolg abhängt, der bei Grundlagenforschung per se nicht immer gegeben ist (z.B. bei Fragen wie "Kann man Verbindung xy aus z herstellen?").
Ich persönlich finde das ziemlich belastend, weil es die Lebensplanung, vor allem Richtung Familie bzw. Wohneigentum, möglicher (späterer) Umzug etc. sehr einschränkt und - je nach Projekt - für einen ziemlichen Erfolgsdruck sorgen kann. Das heißt nicht, dass ich denken würde "ja wenn das jetzt nicht klappt, egal, ich hab ja ne Stelle", aber bei nicht befristeten Verträgen kann man z.B. auch mal einen Monat länger brauchen, wenn man dann ein besseres Ergebnis hätte.
So weiß ich am Ende nicht, ob es ein Folgeprojekt geben wird und ich nochmal einen Vertrag bekomme.
Grundsätzlich kann ich auch selbst Projekte beantragen, bin aber dann von meinem Chef abhängig, ob er mir z.B. Räume zusagt oder die Nutzung von Geräten. Gleichzeitig müsste ich ein eigenes Thema entwickeln und idealerweise Vorarbeiten leisten, um bessere Chancen zu haben. Dass der Antrag dann auch durchkommt, ist aber trotzdem nicht sicher. Oder der nächste. Oder den, den ich mit Ende 40 stelle... Vorarbeiten sind aber auch an sich schwer möglich, weil ich ja aktuell auf einem anderen Thema arbeite. So gesehen bin ich wieder vom Professor abhängig, dass er Anträge auf seinen Themengebieten (mit meiner Unterstützung) durchbringt. Oder ich suche mir eben eine neue Stelle und verlasse das Projekt vorzeitig, was mir dann zwar evtl. egal ist, aber für das Projekt wiederum schwierig.
Hätte ich einen Festvertrag könnte ich mich um manche Dinge gefühlt beruhigter kümmern, z.B. würde ich mir mit manchen organisatorischen Dingen mehr Mühe geben oder mich in Methoden besser einarbeiten, weil ich dann wüsste, dass ich langfristig was davon habe. Außerdem würde man vielleicht auch mal weniger erfolgsversprechende Themen anpacken, die trotzdem interessant sein können.

Jetzt habe ich tatsächlich fast einen ganzen Artikel geschrieben, und teilweise vermutlich wieder verschiedene Gedankengänge parallel verfolgt, aber ich hoffe, dass ich dir die Problematik aus meiner Sicht irgendwie klar machen konnte.
Der Unterschied zum Marketing ist vermutlich, dass du zwar bei einem ausfallenden Projekt ebenfalls kein Geld hast, aber deine Agentur zumindest dort bleibt wo sie ist und nicht die "Gefahr" besteht, dass du ganz wo anders hin musst. Wenn ich da jetzt nicht wiederum zu naiv bin, weil ich mich nicht in dem anderen Bereich auskenne.

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Toller Kommentar und wie du siehst hat @jaki01 seine ganze Mannschaft mobilisiert zu nem Vote - also stimmt er Dir mehr als zu :-)- was Marketing und Agentur angeht so denke ich, ist das total anders wie bei Euch - aber garantiert NICHT einfacher - im Gegenteil.

Ich empfehle immer den Leuten mal eine Woche hier zu arbeiten, die meisten sind geschockt und kommen nie wieder- gut so. Hier brauchst Du eben extrem flexible Typen, die fachlich was drauf haben, Schnell sind, Überzeugend und Belastbar und sich nicht als strategische Stütze fühlen wenn sie nach Studium von der Praxis nichts wissen - leider finden wir aktuell kaum kompetente Mitarbeiter, da die meisten durch das Studium versaut wurden und meinen sofort als Trainee strategisch arbeiten zu können, ohne Ahnung und Berufserfahrung. Dass man hier auch mal WC Papier einkauft, nen Kaffee kocht für Gäste wenn Not am Mann ist oder gar den Kopierer betätigt, nein das wollen die meisten nicht, warum hab ich denn dafür studiert? Das kotzt mich so an, weiss nicht ob es an der Kinderstube liegt oder am Studium und den sogenannten Lehrkräften - Uni-Abgänger in praktischen Tätigkeiten zu Schulen ist mega mega schlimm- bei FH gibt es manchmal Hoffnung. Warum schreib ich das? Nun, Du sagst, wir haben eben kein Geld!! Hallo? Da wir nicht durch steuern finanziert sind müssen wir Profits generieren um Gehälter zu zahlen, da gibt es keine Budgets die durch Steuererhöhungen finanziert werden, nein, wenn die Marge ins Minus geht müssen wir Leute entlassen.

Über die Motive von @jaki01 kann ich jetzt nur spekulieren ;-)

Wie gesagt, ich kenne mich mit Marketing nicht aus und ich wäre auch nicht der Typ, der erwartet, dass er die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, nur weil er studiert hat. Dass ich mich im realen Leben erstmal orientieren muss - geschenkt. Aber ich habe manchmal auch bei unseren Studenten das Gefühl, dass sich die Mentalitäten ändern und man sowieso alles besser weiß und ja auch nichts lernen muss, weil man immer alles direkt nachgucken kann... Naja.

Dass ihr "eben kein Geld" habt, war vielleicht etwas überspitzt formuliert. Mir ist schon klar, dass der öffentliche Dienst nicht oder nicht so stark profitorientiert arbeiten muss. Das ist auch teilweise gut so, denn sonst gäbe es große Teile der Wissenschaft nicht. Besonders im Bereich der Sprach-/Literaturwissenschaft, Historik oder eben auch naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, die (zunächst oder überhaupt) keinen Profit abwirft. Früher wurde sowas teilweise noch von großen Konzernen selbst gemacht, ist aber natürlich zu teuer. Manchmal hilft es aber trotzdem langfristig für neue Innovationen.
Mir ist übrigens auch klar, dass auch in der freien Wirtschaft ein unbefristeter Vertrag keine absolute Sicherheit bedeutet. Wie du sagst, wenn Verluste eingefahren werden, nutzt das alles nichts. Dennoch ist das ja erstmal nicht das Szenario, von dem man ausgehen kann - Unvorhergesehenes kann eben immer passieren.
Ich habe auch durchaus schon Leute gehört, die sagen, sie verstehen nicht, warum es überhaupt unbefristete Verträge gibt, denn anders hätte man doch immer einen Leistungsanreiz. Kann man auch so sehen, oder eben man hängt sich dann gerade nicht so rein, weil man nicht weiß, ob man im nächsten Jahr überhaupt noch da ist. Ist vielleicht einfach eine Mentalitätsfrage und sicher gibt es auch solche, die sich auf - vor allem im öffentlichen Dienst - quasi unkündbaren Stellen einfach ausruhen. Mir persönlich würde diese Art von Sicherheit eher Stabilität geben, die ich zum Arbeiten brauche. Aber wie gesagt, da gibt es sicherlich verschiedene Meinungen und Ansichten. :-)

Danke für den ausführlichen Kommentar und sorry dass ich etwas direkt war, gestern war ein harter Tag bei uns :-). Der Punkt mit unbefristeten Verträgen und Leistungsanreiz ist ein wichtiger, den wir auch öfters diskutieren - die Balance zwischen Sicherheit und Motivation ist nicht immer einfach.

Ach, das ist kein Problem. Fühle mich a) eh nicht direkt angegriffen und b) wäre ich auch nicht nachtragend :-D
Vielleicht sind ja auch Modelle eine Lösung, bei denen es leistungsabhängige Boni gibt? Wobei natürlich jemand, der einfach gar nichts tut, trotzdem nicht dauerhaft tragbar ist. Es ist wie gesagt einfach ein zweischneidiges Schwert und vermutlich spielt auch viel persönlicher Charakter eine Rolle. Es gibt ja auch durchaus Menschen, die sowieso alle paar Jahre die Stelle und vielleicht auch den Ort und das Umfeld wechseln. Wäre für mich halt nichts, aber dafür können andere eben nicht leben, wie ich es gerne will. Aber wie sagt man so schön: Jedem Tierchen sein Pläsierchen :-)