Ja, als „Vanlifer“ verbringt man den Winter im Süden. Portugal meistens. Aber wahrscheinlich nur deshalb, weil keiner jemals im tiefsten Winter dort war, wo auch „richtig Winter“ ist: in Europa nördlich des Polarkreises in Skandinavien oder zum Beispiel in Sibirien. Wir sind überzeugt: wer einmal die Schönheit des tiefsten Winters und das pastellfarbene Licht über dem Polarkreis erlebt hat, der kommt wieder und versteht, warum wir nicht gen Süden geflüchtet sind, sondern uns ganz bewusst für den Winter hier entschieden haben.
Schon unsere Hochzeitsreise führte uns im Januar 2017 zum Nordkap. Allerdings wenig luxuriös und körperlich wesentlich anspruchsvoller mit unseren Motorrädern und nicht mit unserem VW Bus „Kittymobil“. Wir erlebten Temperaturen von -37°C auf dem Motorrad (dazu gibt’s unser Buch EISREISE), von denen wir hier in Sibirien im November noch gute 10 Grad entfernt sind. Es geht also alles noch kälter – und auch luxuriöser. Wie zum Beispiel jetzt, mit unserem Haus auf Rädern.
Nachdem wir zwei im Vergleich absolut lächerliche Winter in Deutschland im Bus ohne Standheizung und ohne Isolierung verbracht haben, war nun Zeit, Kittymobil etwas Luxus zu verpassen. Seitdem die Außentemperaturen auch tagsüber zweistellig unter Null blieben, fiel das Aufstehen immer schwerer und das Frischwasser wurde zum echten Problem. Eine Standheizung musste her! Und wo, wenn nicht in Russland, kauft man eine Planar 2D?
Die klassische russische Standheizung gibt es in Russland ganz einfach für 333€ einbaufertig im Baumarkt. Mit 1 Jahr Garantie, was nicht schlecht ist, da wir mit deutscher Garantie in Russland weniger als gar nichts anfangen könnten. Mit dem Kassenbon gab’s noch nen 30% Rabatt Gutschein für den Einbau mit Garantie in der Partnerwerkstatt und so hatten wir innerhalb von 2 Tagen in Ulan-Ude für rund 480€ unsere Standheizung im Haus.
Jetzt waren wir gespannt, denn wir haben bewusst nicht isoliert und nur Schauergeschichten gehört, dass ein nicht isolierter Bus im Winter in Sibirien zwei Standheizungen bräuchte und dann ohne Isolierung sowieso schon in Europa der sichere Tod durch Erfrieren eintritt. Es passierte jedoch nichts dergleichen. Nach 2 Stunden war unser Haus auf Rädern von -18 auf +20°C geheizt. Und das blieb es auch 4 Tage nonstop, denn wir lassen die Heizung durchlaufen, solange wir im Bus wohnen.
Gehen wir aus dem Haus, um etwas zu erledigen oder erleben oder schlafen, regeln wir die Heizung auf 5-10°C herunter, kommen wir zurück oder stehen auf, wird kurz auf maximaler Stufe „heißgefönt“. Unser Frischwasser friert nun nicht mehr ein und wir brauchen auch nicht mehr beim Einkaufen aufpassen, dass uns die frischen Lebensmittel nicht einfrieren. Seitdem wir die Planar haben, stiegen die Temperaturen kein einziges Mal unter -18°C, in einer Nacht fielen sie sogar auf -27°C. Und auch ohne Isolierung schafft es die Planar, für absolut gemütliche Temperaturen zu sorgen! Wir sind zufrieden und genießen den Komfort.
Nach einer Woche in Ulan-Ude fuhren wir weiter Richtung Irkutsk, wo wir über AirBnb eine Datscha auf einem Hof gemietet hatten. (Bis zu 34€ Rabatt für Neukunden bei AirBnb mit diesem Link: Neukunde AirBnb) Wir kamen spät los und so erlebten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang am Südufer des Baikalsees und fuhren gute 250km im Dunkeln weiter. Es war -26°C kalt und der Schnee vom Vortag lag als festgefahrene Eisdecke auf den Straßen. Im Gegensatz zu anderen Ländern Europas wird kein Salz gestreut, aber auch die Straßen nicht gefräst. Entweder, der Wind pustet den Schnee weg (oder der Gärtner pustet den Gehweg mit dem Laubbläser frei), oder er wird halt festgefahren.
Wer die Strecke kennt, der weiß, dass es nach Irkutsk durch Wälder und Berge geht. Das hieß: Steigungen, Gefälle und Kehren bei Nacht auf Eis! Unsere neuen Reifen mit Spikes zeigten, wie wichtig sie hier sind: Kittymobil kam überall problemlos durch. Nicht so einige LKW, die an Steigungen hängen blieben oder in Gefälle quer rutschten. Einmal sammelte die Polizei alle PKWs ein, um sie im Slalom um die hängen gebliebenen LKW zu führen. Ohne Spikes nach Sibirien im Winter ist also ziemlich Harakiri… Unser Satz Spikereifen hat inklusive Montage rund 190€ gekostet.
Spät kamen wir 25km östlich von Irkutsk auf dem Hof von Tatiana und Sergej an. Tatiana hatte schon (Massen!) gekocht und wartete mit dem Abendessen im Wohnzimmer der Familie. Wir bezogen die kleine Datscha im Garten. Warum wir das tun? Warum wir unser Haus trotz Standheizung vor einem anderen Haus parken und nicht im eigenen Bett schlafen? Und dann auch noch dafür bezahlen? Weil wir in Kirgistan erkannt und bei anderen Overlandern beobachtet haben, was einem Autoreisenden entgeht: das Kennenlernen des Alltags Einheimischer. Wer immer nur im eigenen Auto schläft, in der eigenen Küche seine eigenen Gerichte kocht und z.B. wegen Kälte nicht vor die Tür geht, der fährt zwar durch die Welt, lernt diese aber nur sehr oberflächlich kennen. Kann man machen, ist aber nicht unser Ding. Wir wollen jedes Land „rundum“ kennenlernen. Und dazu gehört auch, mit den Menschen des Landes zu leben, zu essen und zu erzählen.
Tatiana bekochte uns schon zum Frühstück typisch russisch und mit Zutaten direkt vom Hof: jeden Morgen eine andere Sorte Kascha, dazu Blini, selbstgebackenes Brot, Kräutertee aus selbst gesammelten Kräutern und Blüten, Eier eigener Hühner, Honig aus dem Altai… Mittagessen unnötig! Wenn wir nicht unterwegs waren, ging die fröhliche Mast am Abend weiter: gebratener Omul Fisch aus dem Baikalsee, Pilze aus dem Wald (eingeweckt oder getrocknet) unendlich viel Wintergemüse und eingelegtes Gemüse aus eigenem Anbau und zu Jans Geburtstag gab es ein ganzes Huhn und als Überraschung heißen, deutschen Apfelstrudel mit Eis! Wir litten sehr. Und das, obwohl der „gemeine Durchreisende“ behauptet, in Russland gäbe es nur Pelmeni oder Schaschlik und die russische Küche sei langweilig und fad… Nun, im Restaurant bekommt man auch in Deutschland niemals die Leckereien, mit der eine deutsche Hausfrau ihre Familie beglückt…
Ein kleines Problemchen gab es mit Kittymobil: um die -20°C fror uns immer der Anlasser ein. Die deutschen Winter mit Salzsiffe überall hatten dafür gesorgt, dass das Salz irgendwann überall ist und Wasser anzieht. Das gefriert dann, wenn es ernsthaft kalt wird. In unserem Fall auch erst ab -20°C. In Deutschland hätten wir das wahrscheinlich nie gemerkt. Da Kittymobils Starterbatterie genug „Wumms“ hat, konnte sich der Anlasser nach einigen Startversuchen immer selbst frei schlagen, aber eine Dauerlösung war das nicht. Wir ließen den Anlasser ausbauen und reinigen. Und weil der Anlasser-Spezialist abends nicht fertig war, wie eigentlich vereinbart, verbrachten wir die Nacht im eigenen Bett in der Werkstatt des „All Road Clubs“ von Irkutsk. Und weil alle so furchtbar lieb sind, gab’s am nächsten Morgen von einem uns unbekannten Mechaniker zwei Schälchen tiefgefrorene Himbeeren aus seinem eigenen Garten. Einfach so.
Wir fuhren zum Taltsy Freilichtmuseum und liefen einen ganzen Nachmittag durch den -19°C kalten Winterwald. Die Sonne schien, Schnee und Eis glitzerten überall, wir waren mitten im Bilderbuch-Winter! Schade, dass viele „Winter“ mit dem gleichsetzen, was sich in Europa so „Winter“ nennt und es kategorisch ablehnen, den „echten Winter“ kennen zu lernen! Der ist nämlich weder grau noch nass noch eklig, denn die trockene Kälte lässt sich viel besser aushalten als das, was man in Deutschland so an Wintertemperaturen kennt…
[caption id="attachment_1116184" align="aligncenter" width="1024"] So sah der See im März 2016 aus[/caption]
Ich bin ja Wiederholungstäter und war schon 2016 im Winter hier. Allerdings mit der „Trans-Sib“ und mit meinem besten Freund Dieter und nicht mit Jan. Damals im Reisegepäck übrigens: mein Hochzeitskleid aus Vladivostok… Im März 2016 war der Baikalsee komplett zu einer faszinierenden Eisfläche zugefroren. Eisschollen standen senkrecht aufgetürmt am Ufer, wir flitzten mit dem Hoovercraft über das Eis. Ich war gespannt, wie der See im November aussieht!
Tja, wie im Sommer: keine Eisschollen, noch nicht einmal eine zarte Kruste am Ufer. Sand und Kieselsteine von Eis glasiert, aber das Wasser plätscherte fröhlich in Wellen ans Ufer, trotz -19°C Außentemperatur. Über dem Wasser waberten Dampfschwaden, denn der See hat an der Wasseroberfläche fast 30°C mehr als die Luft. In der tief stehenden Sonne wirken diese sich im Wind bewegenden Dämpfe wie silberne Feen, die über dem Wasser tanzen… Auch ohne Eis ist der Baikalsee im Winter zauberhaft!
An einem Nachmittag haben uns Sergej und Tatiana die Banja angefeuert. 2 Stunden haben die beiden immer wieder Holz in die Hütte geschleppt, um die Banja ordentlich aufzuheizen. Im Gegensatz zu deutscher Sauna, in der schon Flüstern als Ruhestörung empfunden wird, ist saunieren in Russland einfach nur Spaß. Für mich war es nicht das erste Mal in einer Banja. Wie es in einer öffentlichen Banja in Russland zugeht, habe ich 2016 so beschrieben: Banja statt Sauna! Russland im Winter
Jan und ich waren leider alleine und mussten uns daher gegenseitig im Wechsel mit den nassen Zweigen verhauen, aber es war trotzdem so richtig klasse. Die Hitze aus dem Holzfeuer ist ganz anders als die Elektrosauna, die man so aus deutschen Wellness-Tempeln kennt. Und dazu der Duft von den Zweigen, dem Feuer, dem Holz…
Tatiana hatte Tee mit Honig bereitgestellt und kam nach uns sehen. Wir hatten bisher nur den Kübel mit kaltem Wasser über uns gekippt, aber sie feuerte uns an: „Snow! Jump!“ Und so sprangen wir aus der Banja in den Schnee. Holla! Das war ganz anders als deutscher Schnee! Wenn es vor der Banja -20°C kalt ist, dann ist auch der Schnee -20°C kalt. Tut herrlich weh! Der Schnee ist so trocken und pulvrig, dass er sofort von der Haut abfällt, aber schon eine kurze „Einwirkzeit“ reicht auch… Hätten wir das erlebt, wenn wir stumpf im Auto gewohnt hätten? Natürlich nicht. Also, liebe Overlander und Vanlifer: verlasst Euer Haus auf Rädern auch Mal, um Euer Reiseland mit allen Sinnen und „von innen“ kennen zu lernen! Ihr verpasst sonst so unglaublich viel und ahnt es noch nicht mal…
Natürlich waren wir am Baikalsee auch im Baikal Museum. Das liegt etwas versteckt und wirkt zunächst langweilig, weil es im Limnologischen Institut „versteckt“ ist, aber die Ausstellung ist modern multimedial aufgearbeitet und man kommt nach rund 1,5 Stunden mit richtig viel Wissen über den tiefsten See der Erde wieder heraus. Das Beste ist aber im Keller eingebaut: eine simulierte Fahrt mit dem U-Boot bis auf den Grund des Sees in über 1,5km Tiefe! Die „Fahrt“ dauert 15 Minuten und man bekommt (sogar auf Deutsch) alles, was man im Museum gelernt hat, „life“ zu sehen. Kannte ich schon, aber U-Boot kann man immer wieder fahren. 😊
Was wir nicht „mitgespielt“ haben war, uns mit anderen Badenden am Sonntagnachmittag in die Wellen des Baikalees zu stürzen. Da sind wir dann doch zu „Weichei“… Oder doch nicht? Jan hat ein Video gemacht, in dem wir Euch zeigen, wie wir es geschafft haben, zwei Winter in Deutschland und dieses Jahr Mongolei bis -11°C ohne Isolierung und ohne Standheizung im Bulli zu leben:
Wir genießen nun weiter den Winter in Sibirien. Mit Standheizung.
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Danke für den schönen Beitrag und euch weiterhin eine schöne Zeit!
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Danke!
Super Beitrag und tolle Fotos! Ich glaube da muss ich auch mal hin :D
Posted using Partiko Android
Vielleicht auch im Winter, da sind keine Touristenmassen :-)
@tipu curate 2
Danke! :-)
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