Wie ist der Charakter des Geldes in einer Kreditgeldwirtschaft einzuordnen

in #deutsch7 years ago (edited)

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Viel wird über das Geld gesprochen, vor allem über unser heutiges Geld. Doch nur die wenigsten Wissen was dieses Geld ist. Das scheint bei all den Begriffsverwirrungen auf der Strecke zu bleiben.

Vor allem die Verwirrung um die Zahlenwerte in Verbindung mit den Begriffen Euro, oder Dollar, macht scheinbar vielen zu schaffen. Dabei entstehen die tollsten Erläuterungen und Vorstellungen.

Wir müssen also nochmals auf den Charakter der „Vergegenständlichung“ jener Versprechen, die das Geld konstituieren, zurückkommen.
Dafür schein es hilfreich, an einen Vorgang zu erinnern, der viel Ähnlichkeit mit der Entwicklung der modernen Geldwirtschaft hat:
Die Entstehung der reinen Mathematik bei den alten Griechen.
Anders als ihre bereits Zahlen, Formen und Größen nutzender Vorgänger erkannten sie: Die Mathematik ist nicht Teil der Natur, sondern Produkt unserer Geistestätigkeit (die allerdings zur Natur passt).

Die „Gegenstände“ der Mathematik sind insofern durch und durch immateriell. Sie lassen sich nur symbolisch vergegenständlichen. Der gerade Strich auf dem Papier ist nicht die Gerade. Er ist nur das Symbol derselben. Die Gerade selbst ist ein pures Geisteserzeugnis. Und weil das auch bei Zahlen so ist (ihre symbolische Vergegenständlichung sind die Ziffern) und bei allen anderen mathematischen Gebilden, musste den Griechen das Mathematsche als etwas genuin Immaterielles erscheinen. Sie waren die ersten, die gelernt hatten, die Zahl von den Ziffern und die Gerade vom Strich zu unterscheiden. Sie lernten das rein Geistige, das immaterielle vom Materiellen zu trennen. So wurde Mathematik als Wissenschaft möglich. Diese Wissenschaft haben die alten grichischen Meister dann auch geschaffen - im Unterschied zu ihren Vorgängern und vorbildlich für die Nachwelt.

Die Vergegenständlichung eines Tilgungsversprechens ist eine bloße Bescheinigung, in welcher Form auch immer. Jede Bescheinigung ist eine symbolische Vergegenständlichung von Etwas, auch von einem Versprechen. Das Versprechen selbst wird dadurch nicht zum materiellen Gegenstand. Es bleibt nach wie vor immateriell, Sache unseres Geistes. Aber in Gestalt seiner symbolischen Vergegenständlichung kann es wie etwas Dingliches behandelt werden und z.B. in Form eines Gutscheins oder als Form eines EDV-Eintrags weitergereicht werden.

Sofern ein Tilgungsversprechen als Bescheinigung vorliegt und auf diese Weise trotz seines immateriellen Charakters in die Rolle eines materiellen greifbaren Tauschobjekts gelangen, erfüllt es die Voraussetzungen, wie eine Ware am Tauschhandel teilnehmen zu können - so wie alle anderen Waren auch.

Das bedeutet: es kann die vorläufige Komplettierung eines Tausches (mittels eines Versprechens) in eine endgültige verwandelt werden. Damit kann ein Tausch als bilateraler Gütertausch und somit als eine beidseitige Bezahlung vollständig abgeschlossen werden. Eine vorerst bloß versprochene Bezahlung (die einen Zahlungsaufschub bewirkt) verwandelt sich in eine erfolgte.

Unabdingbar für die Bescheinigung eines Tilgungsversprechens, falls es als Geld dienen soll, ist die Notierung einer bestimmten Anzahl von Einheiten, z.B. Zehn oder Fünfzig, und die Angabe darüber, dass sich die Einheiten auf ein bestimmte Wertmaß beziehen, z.B. auf Euro oder Dollar. Der Zusatz Euro oder Dollar ist das Zeichen dafür, dass nicht Zahlen, sondern Werteinheiten gemeint sind. Denn erst der Zusatz macht kenntlich, dass hier nicht Arithmetik, sondern Handel betrieben wird.

Neben der Bemaßung durch physisch präsente Größen, also durch Maßeinheiten, die größenmäßig durch allgemeine abgesprochene Modellgrößen (Urgramm, Urmeter, usw.) festgelegt sind, erscheinen Tauschobjekte außerdem noch durch Einheiten bemaßt, die einen ganz anderen Charakter haben. Wir zerlegen am Tauschobjekt nicht nur Größe und Gewicht, sondern auch die Ergebnisse unserer subjektiven und intersubjektiven Bewerten, also einen offensichtlich nichtphysischen Messvorgang, in Einheiten.

Die Wertstandards Dollar, Euro usw. Erscheinen von jeder Materie abgelöst. Die Bewertung an sich hat nichts Physisches. Sie ist ein rein geistiger Vorgang. Ähnlich verhält es sich beim Umgang mit den Quantitäten. Auch Zahlen sind nichtmaterielle Größen. So mündet das quantitative (numerische) Bewerten eines Tauschguts in eine Angabe, die aus einer (immateriellen!) Zahl, z.B. 10 und einem (immateriellen!) Wertmaß, z.B. Euro besteht. Beide sind nur symbolisch zu vergegenständlichen.

Physische Maßeinheiten sind immer an Materielles gebunden (Urmeter, Urgramm), Bewertungseinheiten aber nicht. Mehrere Stückelungen, neben anderen auch die in Werteinheiten, können bei ein und demselben Tauschgut nebeneinander bestehen. So erscheint ein Tauschobjekt in mehrerlei Hinsicht in Einheiten zerlegt. Einige sind an Materielles gekoppelt, die Stückelung in Werteinheiten aber nicht.

Die auf den Bescheinigungen der Tilgungsversprechen angegebenen Ziffern vergegenständlichten Zahlen sind immateriell. Genauso sind auch die Bewertungsmaße Immateriell. Euro oder Dollar haben, im Gegensatz etwa zu den Maßen Gramm oder Meter, an sich keinen Bezug zur Materie. Das Bewerten ist wie das Zählen ein Immaterieller, rein geistiger Vorgang. Ebenso ist das versprechen immateriell. Es basiert auf einer geistig zustande gekommenen Zusage.

Obwohl das heutige Geld eine gegenständliche Seinsweise (in Form von Symbolmaterie) hat, ist sein eigentliches Wesen jenseits aller Materie zu suchen. Sein naturell ist Immateriell (siehe auch Argentarius, Nachdruck 2011)

Bernhard Schmitt von der Universität Fribourg stellte seinerzeit fest: „Das Kreditgeld hat mit dem stofflichen Geld (Gold oder Silber) nicht… die geringste Gemeinsamkeit“ (1978). Auch Friedrich August von Hayek muss es geahnt haben, als er schrieb: „Das geld und seine Institutionen scheinen jenseits der grenze löblichen und verständlichen physischen Schöpfungsbemühens zu liegen, in einem Bereich, in dem die fassbarkeit des Konkreten aufhört und unfassliche Abstraktion herrschen“.

Diesen Sätzen werden vielleicht viele zustimmen, weil sie immer schon vermuteten, dass Geld dergleichen sein müsse. Aber erst dort, wo eine Erkenntnis voll ins Bewusstsein gelangt, wird man lehrreiche Schlüsse für die Praxis ziehen können. Zum Beispiel den, dass die Art der Verkörperung des Geldes eine ganz nebensächliche Rolle spielt und sich insofern nach rein ökonomischen oder sicherheitstechnischen Gesichtspunkten richten kann.

Der immaterielle Charakter des Geldes (als Gesamtheit qualitativ bewerteter, symbolisch vergegenständlichter und durch Leistungspotentiale gedeckter Tilgungsversprechen) und seine völlige Gleichgültigkeit bezüglich der Form seines In-der-Welt-Seins (ob als Schein oder als EDV-Datum) ist der Grund dafür, dass alle Weltverbesserer, die Geld geradezu abschaffen wollten, ihre Mühe hatten. Sie hätten die (immateriellen!) Versprechen, die (immateriellen!) Bewertungen, das (immaterielle!) Zählen und die symbolische Vergegenständlichung all dieser Konstituenten abschaffen müssen, also eigentlich das vernünftige Tauschen überhaupt. Sie hadern auf eher schlichter Art und Weise mit dem vermeintlichen Materialismus des Geldes, des „schnöden Mammon“.

Die erörterten Sachverhalte lassen erkennen, dass es erst im Zeitalter der Kreditgeldwirtschaft gelungen ist, Geld im stringenten Sinne zu schaffen. Offenbar hat uns erst eine Jahrhunderte lange Erfahrung dazu geführt, die Konstituenten des Geldes so weit von allem Nichgeldhaften abzutrennen, dass sie nun in voller Reinheit erscheinen.

Damit ist es gelungen, eine Art Tauschgut zu schaffen, das nur noch symbolhaft vergegenständlicht zu werden braucht und das dennoch einen engen Bezug zur Materie hat, genau wie die Gegenstände der reinen Mathematik.

Es lässt sich an dieser stelle des Gedankengangs behaupten, dass die Primitivität des Geldumgangs erst aufhörte, als prinzipiell immaterielles Geld seine Verkörperung in „wertlosen“ Gegenständen fand, bzw. In Gegenständen, die einen zu vernachlässigenden Eigenwert hatten. Die Körperhaftigkeit des Kreditgeldes ist von nur pragmatischem Interesse. Das Wesen des Geldes hingegen ist - abgesehen von den verschiedenen Formen seiner Verkörperung - etwas durch und durch Immaterielles. (Vergleicht mit dieser Auffassung den landläufigen Spruch: Der denkt immer nur ans Geld, dieser Materialist.)

Auch die Deckung des Geldes ist nichts Stoffliches. Sie ist und war immer schon von virtueller Natur, nämlich als Leistungsvermögen von menschen. Damit verlagert sich auch die Prüfung der „Güte“ des Geldes vom materiellen weg hin zur Prüfung des Potential von menschen (Bonität!). Und bloße Potentialität ist immer (im Gegensatz zur Realität) etwas Immaterielles.

Das Geld erfüllt seine Dienste dann am besten, wenn es wesensmäßig gerade nichts Stoffliches ist, sondern einen (immateriellen) Wert in aller Reinheit darstellt. Genauso zweifelsfrei hat es einen genuinen Bezug zum Materiellen - wie eben auch die Mathematik.

Die Geldleute hatten seit dem Mittelalter, ohne dass dies klar in ihr Bewusstsein gelangte, eine Tür in einen ganz neuen Raum aufgestoßen, in einen Raum des reinen Geistes, also in einen Raum, indem sich ein Sein nur noch symbolisch vergegenständlichen lässt. Und so wie in Bezug auf andere rein geistigen Bereiche (Mathematik) ist es auch in Bezug auf die moderne Finanzwirtschaft für Viele schwierig, die dort vertreten Gebilde hinreichend klar zu erfassen.

Ludwig von Mises hat in seinem Hauptwerk den Gegenständen der Ökonomie („Praxeologie“) einen „apriorischen“ Charakter zugesprochen. Wenn damit rein geistige Charakter dieser Gegenstände gemeint sein sollte, dann trifft das ohne Zweifel für die Theorie des Geldes zu. Dass die Finanzwissenschaft notwendig auch empierisch zu erforschende Gegenstandsfelder hat, also wichtigen Erkenntnissen auch „a posteriori“ gelangen muss, ist evident und erfordert ständige Überlegungen und Methoden.

Eigentlich wollte ich noch etwas zu den Kryptowährungen sagen, aber die verdanken ihre Existenz nicht der Kreditieren und Bewertung, sondern speziellen Algorithmen. Damit fällt diese Währungsart aus dem hier thematisierten Gegenstandsfeld, Kreditgeldwirtschaft, ganz heraus. Denn das ist mit einer Kreditgeldwirtschaft nicht vergleichbar und würde nur zu mehr Verwirrung führen.

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Endlich Jemand der es verstanden hat.
Sehr guter Text.

Danke für deinen Kommentar. Man bemüht sich.