Eine kaputte Diskussionskultur

in #german3 days ago

Dieser Beitrag ist inspiriert durch Elon Musks angeblichen Hitlergruss nach Donald Trumps Amtseinführung. Ein Mann mit der Impulskontrolle eines fünfjährigen Jungen hebt die Hand, und die Welt – insbesondere das Internet – dreht durch. Dabei interessiert mich weniger Musks gehobene Hand als vielmehr die Reaktionen der unterschiedlichsten Menschen darauf. Übrigens war die gehobene Hand für mich nicht wirklich ein Hitlergruss, sondern eher die unüberlegte Handlung eines Mannes mit mangelnder Sozialkompetenz. Meiner Meinung nach hat er schlichtweg nicht nachgedacht.

Abstrakter Streit - Generiert von ChatGPT

Auf Mastodon riefen zahlreiche Menschen dazu auf, Teslas zu boykottieren. Andere verschrotteten öffentlichkeitswirksam ihre Starlink-Schüsseln, und auf Reddit verloren Moderatoren mancher Subreddits komplett den Verstand, indem sie Links zu X (Twitter) verboten. Einige drohten sogar, Nutzer auf ihren Subreddits zu bannen, wenn diese nur Screenshots von X posten.

Alles schreit, alles ist empört, alle sind laut

Es ist interessant zu beobachten, was die unterschiedlichsten Menschen in so einer Situation von sich geben. Praktisch niemand nimmt sich die Zeit, das Geschehene kühl und sachlich zu analysieren. Stattdessen hämmert jeder #nazi gefolgt von hässlichen Beleidigungen in seine Social-Media-Kanäle. Kaum jemand hinterfragt, was Musk davon hätte, sich als vermeintlicher Neonazi zu outen. Nur wenige sind in der Lage, eine normale Diskussion darüber zu führen – stattdessen schreien wortwörtlich alle nur ihre hohlen Phrasen ins Internet. War das eigentlich schon immer so?

Covid war wohl der Gipfel des Geschreis

Eigentlich hat sich nie jemand für den Impfstatus eines anderen Menschen interessiert. Eine Gruppe vehementer Impfgegner gab es wohl schon immer, aber am Grossteil der Bevölkerung ging das vorbei. Dann kam Covid, und das anfängliche Zusammenhalten unter den "Flatten the Curve"-Rufen wich schnell gegenseitigen Beleidigungen. Es gab die "Schlafschafe" und die "Schwurbler". Na, was wart ihr damals?
Ein Dialog zwischen den Parteien war praktisch unmöglich. Freunde gingen auseinander, und sogar Familien zerstritten sich bis aufs Blut. Das eine Lager wollte die Allgemeinheit schützen, das andere die Freiheit des Einzelnen. Leider hat aber jeder im anderen nur das Böse gesehen – den durchgeknallten Schwurbler oder das verblödete Schlafschaf.
Ich habe es damals geschafft, mit jemandem aus dem anderen Lager eine Freundschaft zu pflegen, worauf ich übrigens ziemlich stolz bin. Man muss nicht immer derselben Meinung sein, aber andere Meinungen aushalten und tolerieren. Genau das, glaube ich, schaffen heute nicht mehr viele.

Die Echokammern

Natürlich werden wir alle gerne in unserer persönlichen Meinung bestärkt. Es wäre ja unbequem, wenn wir ständig nur Gegenwind bekommen würden. Einzelne Social-Media-Plattformen haben sich mittlerweile zu regelrechten Echokammern entwickelt. Die Rechten sind auf X, die Linken auf Bluesky. Die Rechten auf Instagram, die Linken auf Mastodon.
Wenn sich mal jemand mit der "falschen" politischen Gesinnung in eine dieser Echokammern wagt, wird er gnadenlos in den Boden gerammt oder einfach gebannt. Dabei wäre es doch so wichtig, sich auch mit Menschen anderer Gesinnung zu unterhalten! Man muss ja niemanden überzeugen, sondern einfach nur verstehen – das reicht schon.
Ich persönlich mag es, wenn meine Meinung herausgefordert wird. Das gibt einem die Chance, zu hinterfragen, ob man wirklich richtig liegt. Eventuell übersieht man etwas, und wenn nicht, stärkt es die eigene Position.

Sich uneinig sein ist okay

Aus irgendeinem Grund setzt man sich bei Diskussionen immer das Ziel, das Gegenüber von der eigenen Position überzeugen zu müssen. Aber warum eigentlich? Je vehementer man versucht, jemandem seine Meinung aufzuzwingen, desto mehr geht dieser in die Defensive. Es reicht völlig, sich die Argumente der anderen Person anzuhören und über mögliche Ungereimtheiten zu diskutieren.
Wichtig ist, zu verstehen, warum jemand die Welt so sieht, wie er sie sieht. Es sollte nicht darum gehen, ihn dazu zu bringen, die Welt so zu sehen wie ich. Im schlimmsten Fall findet man keine Gemeinsamkeiten – aber selbst das ist okay.

Würden wir alle einwenig mehr zuhören, hätten wir weniger Zeit zum schreien und das wäre doch ziemlich angenehm?

Als positives Beispiel würde ich hier gerne eine Diskussion zwischen mir und @stayoutoftherz nennen. Auch wenn wir uns nicht einig geworden sind, war es doch eine fruchtbare Diskussion ohne schreien und plärren. Sowas wünsche ich mir mehr!

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Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich sehe das genauso wie Du. Seit dieser "Pandemie" bin ich ziemlich einsam, auch wenn es zuvor schon sehr viele Menschen ohne Verständnis, Empathie und Toleranz gab. Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen so langsam wieder zur Vernunft kommen und sich um Dinge und Mitmenschen kümmern, die tatsächlich von Bedeutung für ihr Leben sind. Irgendeine Ideologie-Blase ist letztendlich völlig bedeutungslos, egal wie "gut" und "richtig" die Blase vermeintlich ist.

Ich schätze, da bist du leider nicht der Einzige. Ja, ich sehe auch, dass sich Fronten langsam wieder etwas bewegen, wenn auch langsam. Es scheint wohl einfach Zeit zu brauchen. Vor allem ist es halt schwierig sich einzugestehen, dass man eventuell falsch lag, aber desto mehr das schaffen desto besser kann man auch wieder kommunizieren.