Der schweizerische Publizist Roger Köppel sprach heute in seinem Video über die Kriminalität in Zürich, wonach „die schwierigen Personen um 2 Uhr nachts“ aktiv werden, was der Polizei große Probleme bereitet. Während dies einerseits keine allzu große Neuigkeit ist, so brachte es mich auf den Gedanken, dass Kriminalität bzw. Kriminelle weit mehr von der Uhrzeit abhängig sind, als nur aufgrund der Dunkelheit, in der man so manches nicht so gut sehen kann.
Schlaf ist zwingend & Schlafen ist biologisch determiniert
In zahlreichen Experimente wurde nachgewiesen, dass Menschen selbst dann dem üblichen Schlafrhythmus folgen und tagsüber wach sind und nachts schlafen, wenn sie für längere Zeit in einem Bunker eingesperrt sind. Auf etwa 16 Stunden Wachzeit folgen 8 Stunden Schlaf, es handelt sich dabei um einen Rhythmus, den uns die Evolution so sehr in die Gene eingebrannt hat, dass es keine äußeren Reize benötigt, um diesen einzuhalten.
Ein Haken wurde aber gefunden und dieser besteht in der Tatsache, dass ein Teil der Versuchspersonen einen leicht von der Norm mit 24h abweichenden Tagesrhythmus haben. Teilweise weicht die innere Uhr einige Minuten ab, doch manchmal sind es ganze Stunden, die der Tag für manche länger dauert. Meist dauert der Tag dabei länger, nur äußert selten ist die biologische Uhr zu kurz eingestellt. Menschen mit einen zu stark von der Norm abweichenden Schlafrhythmus haben oftmals starke Alltagsprobleme. In regelmäßigen Abständen weicht die innere Uhr so stark von den äußeren Umständen ab, dass für sie tagelang genau dann Nacht ist, wenn für alle anderen Tag ist.
Bei leichten Abweichungen ist dies kompensierbar über eine extra eingelegte Ruhepause. Sobald die Abweichung jedoch deutlich mehr als eine Stunde beträgt, schiebt sich der Rhythmus ihrer inneren Uhr unweigerlich weiter, woraufhin sie aus dem Alltag herausrutschen und aus Perspektive der Mehrheitsgesellschaft dysfunktional werden. Erst nach einer oder zwei Wochen befindet sich die innere Uhr erneut so weit in Einklang mit dem äußeren Geschehen, dass sie wieder eine Zeitlang normal funktionieren.
Wo bleibt der natürliche Drang zum Nachtschlaf?
Mit dem Wissen um die Dominanz und die genetische Festlegung des Schlafrhythmus, erscheinen Aussagen wie jene, wonach Kriminelle vor allem nachtaktiv sind, in einem ganz anderen Licht. Denn es sieht ganz danach aus, als würde den Betroffenen der Drang nach Schlaf in der Nacht fehlen. Ansonsten würden sie vornehmlich tagsüber auftreten. Über einen längeren Zeitraum hält es niemand aus, ein vom natürlichen Schlafrhythmus abweichendes Leben zu führen.
Wäre dies anders, dann würde sich nicht nur das problematische Verhalten bestimmter Personengruppen in der Nacht abspielen, sondern auch ein erheblicher Teil des normalen Alltags seitens Personen mit normalem Schlafrhythmus. Der Grund liegt darin, dass es zu viele Vorteile böte, den Arbeitstag auf die Nacht zu verschieben, da man dann den Tag und damit sehr oft das gute Wetter für seine Freizeit hätte. Ebenso gäbe es weit weniger Wartezeiten, ob beim Einkauf, beim Pendeln oder beim Arzt. Ohne zwingenden Schlafrhythmus würden wir alle würden pro Tag mindestens eine Stunde gewinnen und hätten damit 5% oder gar noch mehr Lebenszeit.
Die Gegenüberstellung dieser ungenutzten Lebens- und Gesellschaftsvorteile zeigen, dass die einen nachts nicht können. Es liegt daher nahe, all jenen, die zu nachtaktivem (Fehl-)Verhalten neigen das selbe zu unterstellen: Sie können nicht anders. Morgens wären sie zu müde und desorientiert, weil sich ihre innere Uhr mindestens zeitweise noch im Tiefschlaf befindet, während sie über den Mittag allmählich aufwachen und sich geistig wie körperlich zu rappeln beginnen. Erst gegen Nachmittag sind sie dann voll da. Zu diesem Zeitpunkt aber ist für die meisten der halbe Tag schon wieder vorüber. Ohne eine Aussicht auf ein Aufholen werden sie strukturell von der Gesellschaft überholt und zurückgelassen.
Der Unterschied zwischen einer Droge und einem Medikament
Für die meisten Menschen sind Kaffee, Zigaretten, Alkohol, Amphetamine und Kokain Drogen und in der genannten Reihenfolge gefährlich für ihr Wohlbefinden. Bei allen vier Substanzen handelt es sich aber auch um sogenannte Nootropika als einer Form von Arznei, die das zentrale Nervensystem ansprechen. Für manche Menschen sind diese Substanzen tatsächlich Medikamente. Trotz ihrer jeweiligen Nachteile funktionieren diese Menschen mit diesen Substanzen besser als ohne. Zu diesen Menschen gehören unzweifelhaft all jene, deren biologische Uhr zu sehr von der äußern Uhr abweicht. Sie können nur dann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wenn sie ihr zentrales Nervensystem so weit stimulieren, dass es die Nacht zum Tag macht und damit der Tag zum Tag wird.
Nun ist es so, dass die letzten beiden genannten Nootropika mit wenigen ausnahmen illegal sind. Wer ein Rezept für Amphetamine oder Kokain (zB in Form vonEcgonin) möchte, der benötigt ein wasserdichtes medizinisches Alibi. Dies bedeutet, dass eine abschließende Diagnose für eine schwere Krankheit vorliegen muss, die in der Regel nicht nur selten sind, sondern auch klar abgrenzbar von anderen Krankheiten ohne eine begleitende Einnahme BTM Substanzen. Das Problem ist, dass genetisch bedingte Fehlstellungen beim Schlaf-Wach-Rhythmus nicht zu dieser Art von Krankheit gehören. Sie sind kaum voneinander abgrenzbar, gesellschaftlich gelten derartige Probleme als Tabu und es gibt zahlreiche andere Begründungen für Probleme in diesem Bereich. Entsprechend sind derartige Diagnosen sehr selten.
Ursache und Wirkung für kriminelles Verhalten
Die meisten Menschen mit einem genetisch abweichenden Schlaf-Wach-Rhythmus sind auf sich selbst gestellt und müssen selbst sehen, wo sie bleiben. Sie beginnen, große Mengen Kaffee zu konsumieren und es gibt nicht wenige Kettenraucher unter ihnen. Während andere von einem Kaffee am Morgen hibbelig werden und sich gerne am Wochenende in geselliger Runde mal eine Zigarette anstecken, sind diese Personen auf die Stimulanz durch Koffein und Nikotin angewiesen. Nicht anders sieht es bei illegalen Drogen aus. Während Menschen mit normalem Schlafrhythmus zwar auch gerne mal über die Stränge schlagen, dann aber auch wieder gerne zurück zu ihrem normalen Rhythmus kehren, ist es fast zwangsläufig, dass jemand mit einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus auch auf Kokain hängen bleibt, wenn derjenige das bedingungslose Gefühl des Wachseins das erste Mal in seinem Leben erlebt.
Manche Menschen sind prädestiniert für kriminelle Verhaltensweisen. Unter diesen befinden sich Sadisten, Pädophile, Ideologen und all jene mit einer genetischen oder sozialisierten Neigung für Gewalttaten oder einer Geringschätzung von Mitmenschen. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehören aber auch Menschen, die zwar über keine Neigung zu diesen Verhaltensweisen verfügen, deren innere Uhr jedoch genetisch so sehr vom normalen Lebensrhythmus abweicht, dass sie keine andere Wahl haben, als sich entweder mit illegalen Mitteln fit für ein normales Leben zu machen, was zu oft in Beschaffungskriminalität endet, oder aber ihnen bleibt nichts anderes übrig, als mit illegalen Mitteln all jene Alltagsphasen zu kompensieren, in denen sie dysfunktional sind.
Mit besserem Schlaf zu weniger Kriminalität
Ein zuverlässiger Test zur Ermittlung der genetischen Prädisposition kostet ca 180 Euro. Danach weiß man Bescheid, da sich die Genetik im Laufe des Lebens nicht verändert. Leider über nehmen die Krankenkassen die Kosten für derartige Tests nicht, obwohl er sehr wahrscheinlich bei vielen Menschen zu einer höheren Lebensqualität führen würden und damit zu weniger Krankheiten, weniger Kriminalität und mehr Produktivität und Lebensglück. Umgerechnet auf 60 Jahre, in denen jeder arbeitet und lernt, wären dies vernachlässigenswerte 3 Euro Kosten pro Jahr.
Anstelle an dieser Stelle zu knausern, wäre es für Arbeitgeber, Krankenkassen und Schulen(!) könnte sich die Investition als hochprofitabel erweisen, wenn bei unproduktiven Mitarbeitern, kränklichen Versicherten und lernfaulen Schülern feststeht, wann genau sie unproduktiv, kränklich oder lernfaul sind. Insbesondere bei Schülern ist es unverständlich, warum die Politik mit Vehemenz auf Ganztagsschulen baut, in denen nicht mehr nur Kinder mit abweichendem Schlaf-Wachrhythmus ihre Probleme haben, sondern auch all jene, die morgens fit sind und nachmittags gerne ihre Ruhe hätten.
Nicht nur die Anpassung der Schulzeiten an zwei und ideal sogar drei Schlaftypen wäre dringend geboten, auch die Arbeitszeiten sollten viel breiter angelegt sein, wobei all jene Bereiche, in denen bestimmte Prozessphasen beachtet werden müssen, mit dem entsprechenden Personal besetzt werden sollten. Schließlich wären da noch andere Fragen des Zusammenleben, wie etwa die Frage der Öffnungszeiten von Supermärkten oder auch zwingende Ruhezeiten in Wohnsiedlungen. Sollte es sich erweisen, dass mindestens ein hoher einstelliger Prozentsatz an Menschen in signifikanter Weise negativ von den für sie „falschen“ gesellschaftlichen Alltagszeiten betroffen sind.
Sie alles verdienen zwar nicht das Recht darauf, andere in ihrem Schlaf zu stören, doch sie verdienen es, in der selben Weise funktional ihren Alltag führen zu können, wie alle anderen auch. Ich bin mir sicher, sie würden es dem großen Rest mit deutlich mehr Leistung und erheblich weniger Fehlverhalten danken.
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