Am 30. November 2021 veröffentlichte Marc Friedrich auf Youtube ein Interview mit Paul Cullen unter dem Titel »CORONA – Insider spricht Klartext!«. Das Gespräch ist sehr interessant und darüber hinaus kurzweilig. Cullen versteht es, medizinische Sachverhalte verständlich darzustellen, zudem hat er offensichtlich seinen Humor noch nicht verloren.
Marc Friedrich im Gespräch mit Paul Cullen. Das sehenswerte Video dauert eineinhalb Stunden und ist keine Sekunde langweilig. Quelle
Professor Dr. med. Paul Cullen ist Molekularbiologe, Labormediziner und Internist. Er leitet ein großes medizinisches Labor in Münster und lehrt als außerordentlicher Professor Laboratoriumsmedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität, ebenfalls in Münster.
Anlass des Gesprächs waren zehn Thesen zum Umgang mit Corona, die Cullen zusammen mit vier weiteren renommierten Ärzten veröffentlicht hatte. Laut Marc Friedrich in der Einleitung des erwähnten Videos erfolgte die Publikation an der Universität Duisburg-Essen. Es war mir jedoch unmöglich, das Dokument auf den Seiten der Universität zu finden. Abgesehen davon konnte ich auch nirgends sonst im Netz einen Hinweise aufstöbern: Eine Folge der von bösen Stimmen vermuteten Selbstzensur von Medien und offiziellen Stellen?
Wie dem auch sei, ich habe Paul Cullen per Email kontaktiert, und er war so freundlich, mir das Thesenpapier als PDF zuzusenden; außerdem wies er mich auf einen Link hin: Im Netz findet man die zehn Thesen unter dem Titel »Weltweite Gesundheit ist eine Utopie« im Webauftritt der katholischen Zeitung »Die Tagespost«.
Zehn Thesen zum rationalen und humanen Umgang mit Corona
Die von der Pandemie-Politik propagierten Annahmen und Ziele sind nicht mit der Lebenswirklichkeit vereinbar.
Dieses Zitat ist meines Erachtens die Essenz des Papiers. Ohne die Bedeutung von Wissenschaft und Expertise herabwürdigen zu wollen: Letztlich sollte der gesunde Menschenverstand entscheiden, geleitet von – bisher zumindest – allgemein anerkannten Werten.
Die Zehn Thesen« sind, wie oben dargelegt, online (noch?) zugänglich. Ich möchte sie dennoch hier für alle Fälle auf der Blockchain archivieren. Ich habe Herrn Cullen übrigens gefragt: Er hat mich ausdrücklich dazu aufgefordert, den Text weiter zu verbreiten. Es folgt zur Dokumentation ein Bild des PDF-Dokuments, darunter der besseren Lesbarkeit halber der von mir aus der PDF-Datei entnommene, unveränderte Text.
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Weltweite Gesundheit ist eine Utopie
Die Mitglieder des letzten Kabinetts Merkel haben ihre Entlassungsurkunden erhalten, eine neue Regierung ist noch nicht gebildet. Wie also geht es weiter mit dem Management der SARS-CoV-2-Pandemie? Fünf Wissenschaftler und Ärzte haben gemeinsam »Zehn Thesen zum rationalen und humanen Umgang mit Corona« verfasst. Wir dokumentieren ihre Überlegungen nachfolgend im Wortlaut und ungekürzt. Ein Debattenbeitrag
Von Paul Cullen, Karl-Heinz Jöckel, Ulrich Keil, Angela Spelsberg und Andreas Stang
Präambel
»Gekommen ist heute die furchtbare Zeit, in der jeden Tag bewiesen wird, dass der Tod seine Schreckensherrschaft genau dann beginnt, wenn das Leben das höchste Gut geworden ist …« Diese Feststellung von Hannah Arendt aus dem Artikel »This means you« – »Das geht uns alle an« ist von beklemmender Aktualität. Niemand hätte vor 18 Monaten geglaubt, dass sich durch die Ausrufung der Corona-Pandemie eine globale Massenbewegung in Gang setzen konnte, die das Leben ohne Corona zum höchsten Gut erklärt hat. Die folgenden zehn Thesen sind als Anstoß gedacht für einen unzensierten Gedankenaustausch im öffentlichen Raum darüber, wohin die weitere Entwicklung gehen wird, wenn nicht ein grundsätzliches Umdenken und eine Neuorientierung der handelnden Personen und Einrichtungen stattfinden.
Es gibt weder ein Recht auf ein Leben in Gesundheit noch eines auf die Abwesenheit von Krankheit. Noch weniger gibt es eine Pflicht zur Gesundheit, die eine schuldbasierte Sicht auf Krankheit zuließe.
Gesundheit und Krankheit unterliegen und unterlagen unterschiedlichen medizinischen, natur- und sozialwissenschaftlichen aber auch gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Definitionsversuchen. Nach dem neu eingeführten §28b des Infektionsschutzgesetzes gelten seit dem 22. April 2021 offensichtlich nur noch diejenigen als »gesund«, die den Nachweis geimpft oder genesen vorweisen können. Die restlichen, also per Definition Nicht-»Gesunden«, werden vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen oder nur dann – zeitlich kurz begrenzt – zugelassen, wenn sie »negativ« getestet wurden.
Zwischen unterschiedlichen Aspekten von Gesundheit und Krankheit werden in der Regel Zielkonflikte auf vielen Ebenen entstehen. Zum Beispiel sind Konflikte zwischen den Zielen der Pandemiebekämpfung und den dadurch unbeabsichtigt herbeigeführten, schwerwiegenden nachteiligen Wirkungen bereits deutlich zu Tage getreten; diese wirken sich nicht nur auf individuelle Schicksale, sondern auch auf die gesellschaftliche und rechtliche Situation aus. Diese Auswirkungen sind mit der freien demokratischen Grundordnung nicht vereinbar.
Bei dem im Grundgesetz verbrieften Recht auf körperliche Unversehrtheit (GG, Art. 2 Abs. 2) handelt es sich nicht um ein Positivrecht (»steht mir zu«), sondern vielmehr um ein Abwehrrecht (»lass mich in Ruhe«) gegenüber dem Staat. Daher darf der Staat keine medizinischen Maßnahmen wie z.B. Zwangsimpfungen verhängen, wenn das Individuum dies ablehnt oder aus medizinischen oder weltanschaulichen Gründen nicht geimpft werden kann; eine Zuwiderhandlung seitens des Staates stellt eine Körperverletzung (= Menschenrechtsverletzung) und eine Verletzung unseres Grundgesetzes dar.
Die staatlichen Organe wurden durch §5 Abs. 1 und insbesondere §28a–c Infektionsschutzgesetz zu Vollstreckern einer globalen Pandemie-Bekämpfung gemacht. Damit handeln sie gegen das Grundgesetz, weil sie diese in ihrem Kern absoluten Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit gegen die individuellen Vorstellungen mündiger Bürger durchsetzen. Im Fall der Gefahrenabwehr ist von einem Minimierungsgebot und der Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs auszugehen.
Es besteht das Recht jedes Einzelnen, für seine individuelle Gesundheit Vorsorge zu treffen und dafür geeignete Maßnahmen zu ergreifen, solange diese die Rechte anderer nicht gefährden.
Die seit März 2020 ununterbrochen als Grundlage für drastische Maßnahmen und zunehmende Grundrechtseinschränkungen angeführten »Inzidenzzahlen« sind kein valider Marker einer Gesundheitsgefahr.
Auch eine oft angeführte zukünftig drohende Überlastung des Gesundheitssystems rechtfertigt per se keine gravierenden Grundrechtseinschränkungen. Die aktuelle Änderung des §28a Infektionsschutzgesetz, statt der »Inzidenz« nun die »Zahl der Hospitalisierungen« einzusetzen, ist deshalb ebenso wenig gerechtfertigt.
In jedem Fall bedürfen die von der Pandemie-Bewegung propagierten drastischen Maßnahmen wie Lockdown, Quarantäne, Isolation, Impfung, Intensiv-Beatmung usw. einer sachlichen Abwägung über die Nutzen/Schaden Relation, der andere wirksame Maßnahmen gegenübergestellt werden müssen (supportive Maßnahmen, z.B. Behandlung mit Cortison, Sauerstoff per Nasensonde, Adipositas- und Diabetesreduktion, sorgfältige und zugewandte Pflege, Prävention nosokomialer Infektionen, etc.).
Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen 18 Monate und anhand der weltweiten Entwicklung der Infektions- und Sterblichkeitsziffern lassen sich keine relevanten Erfolge bisheriger Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen erkennen, aber viele schwerwiegende Kollateralschäden. So weisen Länder, in denen drakonische Lockdown-Maßnahmen verhängt wurden, durchschnittlich keine besseren Ergebnisse z.B. bei der Gesamtsterblichkeit auf als Länder ohne Lockdown-Maßnahmen.
Schlussfolgerungen
Die von der Pandemie-Politik propagierten Annahmen und Ziele sind nicht mit der Lebenswirklichkeit vereinbar. Es ist eben nicht so, dass alle Alters- und Bevölkerungsgruppen dasselbe Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko aufweisen und der Verlauf der Infektionen stets nach einem vorausberechenbaren Muster verläuft. Eine globale Ausrottung des Virus ist nicht erreichbar, und strebt man sie an, so wird die Pandemie auf unbestimmte Zeit verlängert. Denn mit dem Auftreten jeder neuen Virus-Variante werden wir wieder auf den Nullpunkt zurückgeworfen.
Weltweite Gesundheit ist Utopie und kann keine Pflicht sein. Wenden wir uns also vom herrschenden Pandemieprinzip ab und kehren zurück zum vernünftigen, abwägenden Denken und Handeln in der Politik und bei der Gestaltung unseres individuellen Lebens auf der Basis unseres Grundgesetzes.
Über die Autoren:
• Prof. Dr. Paul Cullen ist Internist und Labormediziner und leitet ein großes medizinisches Labor in Münster. Zudem ist er außerplanmäßiger Professor für Laboratoriumsmedizin an der dortigen Universität.
• Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel ist Epidemiologe und Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen sowie stellvertretender Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie am Uniklinikum Essen.
• Prof. Dr. Ulrich Keil ist ehemaliger Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster und hat die Weltgesundheitsorganisation in Genf über vier Jahrzehnte beraten.
• Dr. Angela Spelsberg ist Ärztin und Epidemiologin und leitet das Tumorzentrum Aachen e.V. seit 1996.
• Prof. Dr. Andreas Stang leitet das Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie am Universitätsklinikum Essen und ist ärztlicher Leiter des Landeskrebsregister NRW.
Erschienen in
Die Tagespost 4. November 2021
https://www.die-tagespost.de/gesellschaft/weltweite-gesundheit-ist-eine-utopie-art-222579