Weswegen wir (fälschlicherweise) davon ausgehen, anderen Lebewesen weit überlegen zu sein.

in Deutsch D-A-CH7 days ago

Der Mensch scheint zur Idiomatisierung und Einbau in die Metapher wie geschaffen.

Fettnäpfchen stehen grundsätzlich dort, wo sie nicht benötigt werden.

Der Weihnachtsmann ist bereits, samt seinem nagelneuen E-Schlitten, hinter dem Horizont verschwunden, das Paket, einst extra aus China angeliefert, mit dem Glitzerfummel für das Christkind, liegt jetzt in der Abstellkammer und ich habe, wie üblicherweise kurz vor dem Jahreswechsel, die heimische Truppe zur Jahreshauptversammlung einbestellt, deren Mitglieder aus meinem Tagesablauf nicht wegzudenken sind. Mit Ausnahme dieser Spezies, die sich seit einiger Zeit in einem leer stehenden Wochenendhaus ganz in der Nähe meines Grundstücks ein neues Zuhause eingerichtet hat. Eine Einladung musste auch nicht zugestellt werden, da die Bande dafür bekannt ist, ausschließlich zu einer Nachtsitzung zu erscheinen.

Im Gegensatz zum letztjährigen Treffen fällt mir turnusmäßig dieses Mal wieder die Rolle des Sitzungsleiters zu. Was mich insbesondere ebendarum erfreut, da mein Aufgabenbereich auch die Erstellung der Tagesordnung beinhaltet. Somit beste Voraussetzung, all das anzusprechen, was meiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren viel zu kurz kam. Wie es zum Stau bei der Verabschiedung eminent wichtiger Richtlinien für das gemeinsame Miteinander innerhalb der kleinen Kommune kam, versuche ich mit der Tagesordnung vom Dezember 2023 zu veranschaulichen, als Amigo, in seiner Funktion als vierbeiniger Chefaufpasser, das Meeting leitete.

Damals war als erster Tagesordnungspunkt aufgeführt: mehr Mitspracherecht, was die Auswahl und die Portionsgröße des Futters angeht. Dieser Punkt wurde nach nur einer Wortmeldung (für die ich verantwortlich war) mit vier Ja und einer Gegenstimme in Windeseile durchgewinkt. Hugo, der Hahn, bestand lediglich noch darauf, mit ins Protokoll aufzunehmen, das Futter für seine Weiber möglichst ausgewogen zu gestalten, da fette Hennen sich so schlecht vögeln lassen.
Der zweite Punkt auf Amigos Agenda wurde abgeschmettert, was logischerweise dann auch zur ersten Sitzungsunterbrechung führte. Der Antrag zielte darauf ab, mehr körperliche Aktivität an den Tag zu legen, allerdings unter der Voraussetzung, dass er bestimmen darf, in welche Richtung es geht.

Adolf, der Kater, behielt bei der Abstimmung seine rechte Pfote, die er ansonsten bei jeder sich bietenden Gelegenheit hoch in die Luft streckte, am Boden, Helga, das Schaf, gab einen Laut von sich, der wohl ins Menschliche mit den Worten „Hast du einen an der Waffel? “ übersetzt werden könnte, während Hugo die Gelegenheit nutzte, sich mit einem Flügelschlag kurz durchzulüften. Als dem Vorsitzenden bewusst wurde, dass es mit seinem Wunsch keinen Blumentopf zu gewinnen gab, schlüpfte er in die Rolle der beleidigten Leberwurst und klemmte sich seinen letzten Fund zwischen die Zähne.

In vier von fünf Generalversammlungen läuft es exakt wie gerade beschrieben ab. Im ersten Antrag dreht sich alles ums Futter und im zweiten steht der Egoismus im Vordergrund. Findet der keine Mehrheit, dann ist eben Ende im Gelände. In diesem Jahr darf ich nun mein Glück versuchen. Behilflich soll mir dabei das sein, mit dem ich die restlichen Mitglieder der Kommune weit in den Schatten stellen kann – meine mir ureigene, menschliche Intelligenz. Diese Sorte von Intelligenz, die für die Vierbeiner und geflügelten Kratzfüße für immer und ewig unerschlossen bleibt. Meine erhabene Stellung in der Gemeinschaft werde ich an ein paar ausgewählten Beispielen zu festigen versuchen. Ich konfrontiere die Truppe mit Fähigkeiten, die uns Menschen locker über die Zunge rutschen, für die Tierwelt bis auf Weiteres wie die Namen spanischer Dörfer klingen mag. Dementsprechend euphorisch gehe ich an die ersten Punkte der Tagesordnung ran.
„Wer von euch sieht sich in der Lage, jemandem das Herz zu brechen? Ich schaffe das ohne viel Aufwand.“

Vier Augenpaare vernageln mich mit Blicken, die (wenn es gut für mich läuft) lediglich meinen Verstand infrage zu stellen scheinen. Helga leckt kurz über ihren Salzstein, den sie wie ihre Augäpfel hütet, und fühlt sich offenbar auserwählt für eine Antwort, bei der auch Hugo nur zustimmend krähen kann. „Bei uns sagt man dazu »Backofen fertig« machen. Ob mit oder ohne mächtigen Aufwand, ändert am Resultat wenig bis nichts. Und jetzt komm mir nicht noch als Zugabe mit dem Blödsinn, dass du den Willen aufbauen kannst, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Bring mir einfach einen Widder auf die Weide. Der zeigt dir, wie man durch die Wand geht – und zwar nicht nur mit dem Kopf.“

Möglicherweise habe ich nicht das glücklichste Händchen für den Einstieg zum Erbringen eines Beweises der menschlichen Vollkommenheit bewiesen. Dennoch frage ich mich, ob die Schmetterlinge im Bauch oder die Fahrt aus der eigenen Haut mehr Erfolgsaussichten in sich geborgen hätten? Wohl kaum. Insbesondere mit Letztem wäre wohl dünnes Eis betreten worden. Mit dem dicken Fall zu haben, das hätte Helga nur ein müdes Lächeln entlockt. Wahrscheinlich sogar als Beweis dafür gewertet, mitangesehen zu haben, wie ein Mensch von allen guten Geistern verlassen wurde. Das nächste Ding muss also sitzen.

Vielleicht steht der Allmächtige bei und mir geht noch ein Licht auf? Aber, um ehrlich zu sein, sieht alles augenblicklich danach aus, mit beiden Beinen auf der Leitung oder voll in der Scheiße zu verweilen. Obwohl im Allgemeinen (inklusive selbst erschaffener Stresssituationen) als heller Kopf geltend, scheint gerade das Brett vor dem Kopf von höherer Stabilität. Jetzt muss die Devise lauten: Zähne zusammenbeißen und den restlichen Anwesenden, die sich ganz offensichtlich der Überzeugung annähern, Oberwasser bekommen zu haben, rasch das Wasser abzugraben.

In welch prekäre Lage ich mich manövriert habe, verdeutlicht mir die Wortmeldung von Adolf, der seine Pfote in eine, seines Empfindens nach, offene Wunde legt und daher die Forderung in den aufgeheizten Sitzungsraum stellt, wennschon, dennschon viel öfter auf Händen getragen zu werden. Hugo, der Hahn, verbat sich umgehend, einen derartigen Blödsinn mit seinen Hennen (mit ihm ohnehin nicht) zu praktizieren. Danach folgen nämlich meist das hinterlistige Hals umdrehen, was er zudem als nicht vorteilhaft für die Gesundheit seines Harems einschätze. Viel lieber stecke er seinen Kopf in den Sand und dabei aber auf eigenen Füßen steht.

Noch vor Sitzungsbeginn undenkbar, glaube ich im Augenblick definitiv zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn einem die Puste ausgeht, gleich der Kragen zu platzen und man unweigerlich aus der Fassung zu geraten droht. Wenn man selbst nicht mehr weiß, wohin mit sich selbst, könnte es sich lohnen, kurz in sich zu gehen, das Gehirn auf Vordermann zu bringen, um danach möglicherweise mit brandneuen Ideen um die Ecke zu kommen. Hier steht ein kompletter Jahresplan auf der Kippe. Um das Ganze nicht von A bis Z in den Sand zu setzen, ist es fünf vor zwölf, flugs den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Es ist nicht mehr zu leugnen. Ich habe mir das Ding aus der Hand nehmen lassen. Obwohl seit der Geburt von Experten und blutigen Laien als unübertroffen unmusikalisch eingeschätzt (vielleicht auch gerade deswegen?), spiele ich hier und heute nur noch die zweite Geige. Ein Paradebeispiel, wie jemand einen fest eingeplanten Sieg noch aus der Hand geben kann.
Zwei Varianten stehen für mich zum Zugriff bereit: Entweder ich werfe das Handtuch oder mache mich ohne viel Aufhebens schnellstmöglich aus dem Staub. Irgendjemandes lädierter Rücken wird ohne Stütze auskommen müssen, kein Auge wird zugedrückt, da das Mitleid sich ein Tag nach Weihnachten krank hat schreiben lassen. Und ich muss schnellstmöglich erlernen, mir nicht all das so zu Herzen zu nehmen.
.
Die wohl erste Jahreshauptversammlung in der Geschichte tierisch-menschlicher Zweckgemeinschaften nimmt ein Ende, ohne auch nur einen einzigen Tagesordnungspunkt zur Abstimmung gebracht zu haben. Exakt so scheint auch Amigo die Lage einzuschätzen und hat schon einmal seine Mütze aufs Haupt gestülpt. Während Helga sich nun uneingeschränkt ihrem Salzstein verschrieben hat, ölt Hugo nur noch schnell seine Stimmbänder mit einem Tauchbad im Wasserglas. Lediglich Adolf scheint der plötzliche Stimmungswechsel in Richtung Aufbruch knapp am Allerwertesten vorbeizuschlendern. Er hat sich in seine Traumwelt verabschiedet oder arbeitet an den Plänen für seine morgigen Feldzüge.

Beste Wünsche und einen reibungslosen Rutsch ins neue Jahr! Das Kratzen der Kurve wird bis auf unabsehbare Zeit verschoben.

Sort:  

Wow 👍 Deine tierischen Gesellen gefallen mir alle, Adolf ganz besonders , hast Du der langschwänzigen Bande gesagt das sie die Elektrik des Kfz in Ruhe lassen sollen ?
Wolfram ich wünsche Dir und Deiner Gemeinschaft einen Guten Rutsch
VgA

Gesagt und geraten habe ich der langschwänzigen Bande viel. Es hat nur wenig genützt. Mein diplomatisches Versagen wurde mir in dem Moment bewusst, als die Elektronik meines Autos nur noch rote Lichter präsentierte und der Typ in der Werkstatt lapidar anmerkte: „Du hast gefräßige Nachbarn.“
Beste Wünsche für den Kampf gegen alle Turbulenzen, die momentan (egal wo und von wem) noch gebraut werden.😉

!hiqvote

@thehockeyfan-at, the HiQ Smart Bot has recognized your request (1/1) and will start the voting trail.

In addition, @w74 gets !PIZZA from @hiq.redaktion.

For further questions, check out https://hiq-hive.com or join our Discord. And don't forget to vote HiQs fucking Witness! 😻

PIZZA!

$PIZZA slices delivered:
@hiq.smartbot(5/5) tipped @w74

Ho Ho Ho! @w74, one of your Hive friends wishes you a Merry Christmas and asked us to give you a new badge!

The HiveBuzz team wish you a Merry Christmas!
May you have good health, abundance and everlasting joy in your life.

To find out who wanted you to receive this special gift, click here!

You can view your badges on your board and compare yourself to others in the Ranking

Check out our last posts:

The Hive Gamification Proposal - Renewal
Christmas Season is Back - Gift your Loved Friends

Der BK wünscht Ihnen ein frohes neues Jahr.

Mehr denn je müssen wir zusammenstehen, ehe wir die Kurve kratzen.

TBK.