Die Goldman-Regierung
Deutschland ist wirklich alle.
von Ulrich Gellermann.
Brav referieren deutsche Medien das Merkel-Märchen: „Deutschland, das sind wir alle“. Es ginge der neuen Regierung um den Zusammenhalt in der Gesellschaft, behaupten die angeleinten Chefredakteure von „Tagesschau“ bis zum „Allgäuer Käsblatt“. Halten wir nun den Islam für kerndeutsch oder nicht: Darüber darf ein wenig räsoniert werden. Einen kleinen Hinweis auf die Wirklichkeit liefert Jens Spahn, der neue Gesundheitsminister: Hartz IV bedeute nicht Armut, sagt er und servierte so einen Aufreger für die Öffentlichkeit und hatte seine Rolle als konservativer Rebell aus der dritten Reihe erfolgreich gespielt. Nebenfragen wurden zu Hauptfragen erklärt, und während die bekannteren Politikdarsteller auf der Berliner Bühne die bekannten Texte ablieferten, schlich die eigentliche Personalie als Fußnote am Pförtner vorbei: Jörg Kukies aus Rheinland Pfalz wird Staatssekretär im Finanzministerium.
Jörg wer? Der ehemalige Juso-Landeschef ist zudem angeblich ein ehemaliger Angestellter von Goldman Sachs, jener Krake, die sich mit und in der Finanzkrise im Herbst 2007 dumm und dämlich verdiente, während Millionen von Kleinsparern in den Abgrund blicken durften: Existenzvernichtung und Selbstmorde waren die bekannten Folgen. Von strafrechtlichen Folgen für die Verursacher hat man weniger gehört. Im Gegenteil: Nach seiner gewonnenen Wahl holte der heutige US-Präsident, Stephen Bannon und Gary Cohn, allesamt ehemalige Manager bei Goldman Sachs, in seinen Beraterstab. Obwohl der New Yorker Milliardär Donald Trump vorher in einem Wahl-Spot die Bank und ihren Vorstandsvorsitzenden Lloyd Blankfein beschuldigte, die amerikanische Arbeiterklasse zu berauben. Auch deshalb darf man die Ehemaligkeit des früheren Co-Chefs der US-Investmentbank in Deutschland und Österreich, Kukies, nicht so ernst nehmen. Denn bald steht der Verkauf der Commerzbank an: Da hat der deutsche Staat als Teilhaber und Schuldner was zu sagen. Goldman Sachs hat schon sein Interesse bekundet. Dieses Interesse lässt sich doch aus dem Finanzministerium heraus bestens steuern.
Die Commerzbank gehörte zu den Banken, die „gerettet“ werden mussten: Sie hatte sich im Dezember 2008 am Kauf der Dresdner Bank verschluckt und ist dem Staat noch rund zwei Milliarden Rettungs-Euro schuldig. Da muss sich doch ein Weg finden lassen, der die Rückzahlung vermeidet und den voraussichtlich neuen Eigentümer, Goldman Sachs, nicht mit lästigen Schulden belastet. In der Stellenbeschreibung von Jörg Kukies wird das künftige Aufgabenfeld mit den Stichworten „Finanzmärkte und Europapolitik“ beschrieben. Kein Wunder, dass die Deutschen den Wechsel von Kukies aus der Finanzbank auf die Regierungsbank mit immerhin 64,9 Prozent ablehnen. Trotz Merkels Märchenstunde und devoter deutscher Medien können erfreulich viele Normalbürger die gesellschaftliche Wirklichkeit noch erkennen. In der wortreichen Regierungserklärung der GroKo-Merkel gibt es fünf Punkte, die ihr besonders wichtig sind. Die Worte arm und reich kommen in ihnen nicht vor. Immerhin quält sie sich diesen Satz ab: Kinderarmut sei eine Schande, sagt sie lapidar. Zur Beseitigung der Schande sieht sie ein „Baukindergeld“ vor. Wer ausreichend Geld zum Bauen hat, soll demnächst einen Förderbetrag je Kind von höchstens 12.000 Euro bekommen. Wer die aktuellen Grundstückspreise kennt, kann den Deutschen nur ganz viele Kinder wünschen.
„Wir wollen als Bundesregierung die Spaltung überwinden und einen neuen Zusammenhalt schaffen“, behauptet die Bundeskanzlerin in ihrer Erklärung. Die Spaltung des Landes in Gewinner und Verlierer thematisiert die Frau nicht. Statt dessen bekommen die Gewinner noch einen beamteten Vertreter in der Regierung. So muss der Satz „Deutschland, das sind wir alle“ anders gelesen werden: Deutschland ist wirklich alle.