Wir stehen täglich vor einer Masse an Situationen, die unsere Reaktion erfordert. Manche davon sind schmerzhaft, manche weniger. Klar ist allerdings, dass das Leben uns immer wieder vor Herausforderungen stellt, unabhängig davon, in welchem Beruf wir arbeiten, in welchem Land wir leben oder wie wir finanziell aufgestellt sind.
Der Stoizismus, eine antike Lehre, die auf den Sammlungen von Marcus Aurelius und Seneca aufbaut, gibt uns viele Hilfsmittel in die Hand, wie wir nicht nur mit kleinen, sondern auch mit Situationen umgehen können, bei denen unsere Welt unterzugehen scheint.
Kombiniert mit dem Prinzip der Hingabe aus dem Buddhismus habe ich eine 4-Schritte-Anleitung erstellt, mit der ich euch zeigen möchte, wie ihr die Steuerung über eure Emotionen gewinnt, alternative Reaktionsmuster entdeckt, Gelegenheiten annehmt und Wachstum durch Veränderung hervorruft.
1. Not-Panicing
Wenn wir panisch sind, reagieren wir auf die Umstände. Nicht die Panik, die einer Panikattacke gleichkommt, obwohl es von den neurologischen Abläufen her ähnlich ist. Eher das komplette Reaktionsmuster unseres Körper.
Das sogenannte Limbische System verarbeitet die Umstände. Es entscheidet darüber, ob die Situation eine der folgenden Reaktionen benötigt:
Kampf, Flucht oder Erstarren.
Es fragt sich: “Bin ich hier sicher? Kann ich ungehindert meine Wege gehen?”
In Situationen, in denen wir unter Stress stehen, ist die erste Antwort unseres limbischen Systems auf diese Frage: “Nein! Du bist in Gefahr! Renn’, versteck dich oder tu’ so, als ob du tot wärst!”
Schon einmal versucht, eine Entscheidung mit klarem Kopf zu treffen, wenn dir jemand so einen Befehl ins Ohr brüllt? Unmöglich.
“Alles wird bis auf die kleinste Kleinigkeit geplant. Wenn dann etwas schiefgeht, reagieren wir nicht planvoll oder durchdacht, sondern mit einem emotionalen Kollaps.”
Ryan Holiday, “Das Hindernis ist der Weg”
Eine Reaktion ist einfacher: Sie ist das konditionierte Muster, das wir immer verwenden. Wir spüren also nicht, dass die Reaktion uns schadet, es fühlt sich nur einfacher an.
In einem Passagierflugzeug, in dem es die Aufgabe des Piloten ist, in absoluten Stresssituationen kluge Entscheidungen zu treffen, wäre Panik Massenmord.
Bei Astronauten der NASA ist das Training und die damit verbundende Verantwortung ebenfalls enorm.
Astronauten verbringen hunderte von Stunden im “Neutralen Auftriebslabor in Houston”, einem rißsigen Pool mit einer Nachbildung des größten Teils der Internationalen Raumstation (ISS). Sie praktizieren Weltraumspaziergänge, z.B. wie man ein bewusstloses Besatzungsmitglied zurück in die Luftschleuse bringt, oder was zu tun ist, wenn Luft aus einem Raumanzug austritt.
Menschen, die täglich Situationen bewältigen müssen, bei denen ihr eigenes Leben und oft auch das Hunderter, Tausender oder noch mehr Menschen auf dem Spiel steht, haben diese Reaktionen geübt. Sie trainieren bzw. konditionierten sich schlichtweg um.
Wenn wir dann aber unserem Chef sagen sollen, dass wir nach 10 Jahren ohne Gehaltungserhöhung dann doch gerne ein wenig mehr Geld hätten (aber bloß nicht zuviel!) fällt uns das Herz in die Hose. Wir greifen ihn an, frieren ein oder laufen einfach weg.
“Im All liegt der Unterschied zwischen Leben und Tod nur in unserer emotionalen Reaktion. Den falschen Knopf drücken, die Instrumente falsch lesen, die Schubkraft falsch einstellen. Nichts davon können wir uns auf einer Mission leisten. Die Konsequenzen wären fatal.”
Alexander Gerst, dt. Astronaut
2. Alternative Verhaltensweisen entdecken
“Hör auf zu heulen!”
Dieser Satz hat sich in mein Gehirn eingebrannt und er schwebte jahrelang über meinem Verhalten, über meiner Gefühlswelt. Ich war nicht mehr dazu in der Lage, zu weinen, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, da ich die (falschen) Realitäten anderer für die Wahrheit hielt.
Wir haben täglich die Entscheidungsgewalt darüber, wie wir entscheiden. Das Problem ist: Wir haben es vergessen.
Wenn dir eine Waffe an den Kopf gehalten wird, hast du nicht nur die Möglichkeit wegzurennen. Du hast noch 1000 andere Reaktionen zur Auswahl.
Lüge dich nicht selbst an und rede dir ein, du hättest nicht die Steuerung über dich und deine Emotionen in der Hand. Emotionen haben nichts mit Logik zutun, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Wenn dir also etwas zustößt, das dich unerwartet trifft, gibt es entweder eine emotionale Reaktion auf das Ereignis oder eine emotionale Reaktion.
Ein Beispiel:
Ich habe innerhalb von vier Wochen meinen Job, meine Wohnung und den wichtigsten Menschen in meinem Leben (Freundschaft) verloren. Zudem hatte ich 10.000€ Schulden, musste mein Auto und meine Wohnungseinrichtung > verkaufen.
Die emotionale Reaktion wäre vermutlich etwas zwischen Erstarren und Flucht gewesen. Viele Menschen reagieren in Lebenskrisen wie diesen impulsiv, fast wie ein Kind. Sie verfallen in den Konsum von Drogen (um die Probleme auszublenden), machen noch mehr Schulden, wollen die Situation nicht zum Besseren wenden, denn das erscheint aussichtslos.
Die logische Reaktion sah allerdings anders aus und ich bin im nachhinein dankbar, dass ich so reagiert habe. Ich habe mir einen kleinen Job gesucht, der mich zumindest vorübergehend über Wasser hielt. Den Weg zum Supermarkt zu Fuß sah ich als Chance, ein wenig an die frische Luft zu kommen. Ich hörte ein paar Podcasts und Hörbücher, die mich glüchlicher stimmten, mich aber auch in emotionaler Intelligenz trainierten. Einige Wochen später zog ich ins Ausland, wo ich arbeiten und mich wieder “aufräumen” konnte.
Es waren viele kleine Entscheidungen notwendig, doch jede Einzelne wurde bewusst von mir selbst getroffen. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben 100%ige Verantwortung für mich und meine Emotionen übernommen. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon 24 Jahre alt war, waren es im Rückblick betrachtet die Wochen, die mich emotional erwachsen machten.
Gavin de Becker schreibt in “Mut zur Angst: Wie Intuition uns vor Gewalt schützt”:
“Wenn du dir mir Sorgen machst, frage dich selbst: Was möchte ich in diesem Moment nicht sehen? Welche wichtigen Dinge verpasse ich, da ich mich für die Sorgen entschieden habe, anstatt für Selbstbeobachtung, Wachsamkeit und Weisheit?”
3. Gelegenheiten annehmen
“Ein guter Mensch färbt Ereignisse mit seiner eigenen Farbe. . . und wendet, was auch immer geschieht, zu seinem eigenen Vorteil.”
Seneca
Wir stellen uns eine Situation so vor, wie wir sie gerne hätten. Wenn sie dann nicht so eintritt, schneidet sich der Schock unseres Missmuts wie Fleisch in unser Blut. Wir sehen es als einen Nachteil, als ein Ereignis, das wirklich nur uns treffen kann.
Die Situation interessiert sich nicht für unsere Erwartung. Sie interessiert sich nicht dafür, was wir uns wünschen, was wir herbeisehnen, wovon wir träumen. Die Situation ist, wie sie ist, unabhängig dafür, was unser Emotionsmuster davon hält.
Der Forex-Markt, aber auch der Kryptomarkt, wird von kollektiver Angst beherrscht, von Menschen, die ihre Emotionen nicht im Griff haben, sondern sich von ihnen lenken lassen. Bitcoin mit einer Marktkapitalisierung von im Moment 220 Milliarden Dollar, interessiert es nicht, ob sich ein Händler wünscht, er würde steigen oder fallen.
Die Situation braucht sein Emotionsmuster nicht, es interessiert sich nicht dafür, denn weder eine Situation, noch eine Reaktion eines anderen Menschen (gehen wir einfach mal davon aus, da es im Regelfall so ist) interessiert sich für unser Emotionsmuster. Wir sind die Einzigen, die Einfluss darauf haben, wie wir in einer Situation reagieren, nicht die Situation an sich.
Der erfahrene Händler in diesen Märkten kennt nur ein paar Indikatoren, mit denen er den Markt analysieren kann. Soll ich dir ein Geheimnis erzählen?
ALLE diese Indikatoren wurden von Menschen erschaffen, die die emotionalen Reationsmuster der Masse kennen und somit sind die Indikatoren nur Hilfsmittel, um die Unfähigkeit anderer Menschen, ihre Emotionen zu steuern, zu erfassen. Das sind die 5% der notwendigen Mittel, die der erfahrene Händler braucht. Die restlichen 95% widmet er seinen Emotionen und deren Steuerung.
Der Verlust von Geld ist mein geringstes Problem. Ein Verlust macht mir nie Sorgen, nachdem ich ihn realisiert habe. Das habe ich am nächsten Tag vergessen. Aber falsch zu liegen — und den Verlust nicht anzunehmen -, ist das, was den Schaden im Geldbeutel und in der Seele verursacht.
Jesse Livermore, aus “Das Spiel der Spiele”
Nimmt der Händler seine Emotion mit in die nächste Situation, handelt er wieder mit Angst, mit dem selben, unkontrollierten Emotionsmuster, wie zuvor auch. Er hat nichts aus seinem Fehler gelernt und macht die nächste Situation damit noch schlimmer.
4. Wachstum wahrnehmen
In den 90ern untersuchten die Psychologen Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun den sogenannten “posttraumatisches Wachstum” unter Anwendung des Posttraumatic Growth Inventory (PTGI).
Hierbei stellten sie fest, dass 90% der Menschen, die ein traumatisches oder trauma-ähnliches Erlebnis erlebt hatten und den Schmerz, der damit einherging, mindestens ein Anzeichen für posttraumatisches Wachstum zeigten.
Grundsätzlich ist ein Trauma die Reaktion unseres Gehirns, mit einer erschütternden Situation klarzukommen. Es ist also eine Anpassungsstrategie, die uns in die Lage versetzt, die Welt in all ihren Facetten zu verstehen und uns dem Schmerz zu stellen. Tiere sind dazu nicht in der Lage.
Die 5 Säulen des PTGI sind:
- Das Verlangen, sich neuen Möglichkeiten gegenüber zu öffnen
- Eine bessere Verbindung zu anderen schaffen (Resultat aus der Empathie dem Leid anderer gegenüber)
- Ein Gefühl der Selbstständigkeit und dem dem Glauben, alles erreichen zu können, sobald diese Hürde überwunden wurde
- Dankbarkeit für das Leben im Allgemeinen und eine Wertschätzung für die Dinge, die wir haben
- Ein tieferer Sinn oder eine spirituelle Wandlung
- Eine solche Wandlung, ein Wachstum dieser Art, ist nicht unüblich. Ich habe sie mehrmals bei anderen, wie auch bei mir, beobachtet. Selbst in Situationen, die von außen niemand als Trauma wahrgenommen hätte, waren Menschen plötzlich dazu in der Lage, eine völlig überarbeitete Sicht auf ihr Leben zu werfen. Wie ein Update…
“Wir haben in jeder Gelegenheit, die sich uns eröffnet, die Wahl: Entweder wir sehen das Geschenk, das uns diese übergeben wird, oder wir kämpfen gegen das an, was ist. Das Resultat bleibt das Gleiche: Das Hindernis existiert weiterhin, doch eine Reaktion schmerzt weniger.”
Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen
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