Was ist das? Der Mensch wünscht es sich herbei, und wenn er es endlich hat, lernt er es nicht kennen.

in #science7 years ago

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Richtig geraten, liebe Steemianer, dieses Rätsel von Leonardo da Vinci meint natürlich das gleichzeitig so alltägliche wie faszinierende Phänomen Schlaf, um den es hier gehen soll.

Dafür, dass wir fast ein Drittel unserer so kostbaren Lebenszeit in diesem Zustand verbringen, wissen wir recht wenig darüber. Es ist zum Beispiel immer noch nicht ganz klar, warum wir eigentlich schlafen.
Es muss einen sehr wichtigen Grund geben, sind wir und alle schlafenden Tiere (einige Vogelarten und die Säugetiere) im Schlaf doch völlig hilflos und etwaigen Feinden ausgeliefert. Immerhin wissen wir, dass Schlaf keineswegs eine Ruhe- oder Erholungsphase ist, sondern ein (bis auf das subjektive Erleben) aktiver Zustand mit fast dem gleichen Kalorienverbrauch wie tagsüber. Eine besonders wichtige Funktion scheint das Sortieren bzw. Konsolidieren der Informationen zu sein, die sich tagsüber angesammelt haben. Wichtiges wird in bereits bestehende Kategorien eingeordnet, Unwichtiges entsorgt. Diese Sortierarbeiten könnten im Wachzustand nicht stattfinden, erst im Schlaf und abgekoppelt von den Reizen der Außenwelt, wird der Datenstrom des Tages in Ruhe gefiltert und abgelegt im Langzeitgedächtnis. Diese Prozesse finden vermutlich auf zellulärer Ebene statt (Stärkung (merken) oder Schwächung (vergessen) von Synapsenverbindungen). Aber es passieren auch Stoffwechselvorgänge wie Gewebereparaturen oder die Synthese von Wachstums- und anderen Hormonen. Das Hormon Leptin wird im Schlaf ausgeschüttet, das dafür sorgt, dass wir im Schlaf keinen Hunger und keinen Durst verspüren (daher auch das Risiko für Übergewicht bei Schlafmangel). Auch das Immunsystem ist im Schlaf besonders aktiv (daher schlafen wir viel, wenn wir krank sind).

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Schlaf kann man grob in Leichtschlaf, Tiefschlaf und Traum- oder REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement, da sich die Augen unter den geschlossenen Augenlidern schnell hin und her bewegen) einteilen. Pro Nacht durchlaufen wir mehrmals einen Zyklus der verschiedenen Phasen. 7 bis 9 Stunden Schlaf gelten für Erwachsene als optimal, es wird nicht empfohlen, im Schnitt unter 6 Stunden zu schlafen! Aber jeder hat sein individuelles Schlafbedürfnis, Napoleon schlief angeblich nur 4h pro Tag, Albert Einstein dagegen 14h täglich!

Schlafentzug


Wie lebenswichtig Schlaf für Tier und Mensch ist, sieht man daran, was passiert, wenn man diesen absichtlich vorenthält. Bereits Ende des 19.Jahrhunderst hielt man Hundewelpen künstlich wach. Sie starben nach rund 100 bis 140 Stunden, was verblüffend ist, denn ohne Nahrung halten Hunde 20 Tage durch. Man fand übrigens nicht heraus, woran sie gestorben waren. Die Versuche wurden auch nicht wiederholt, weil sie „äußerst beschwerlich“ gewesen seien (ein Rudel Hunde wachzuhalten, stelle ich mir tatsächlich nicht lustig vor). Bei Versuchen an Ratten stirbt ein Teil nach rund 7 Tagen. Und beim Menschen?
Dem Briten Tony Wright ist es gelungen, 266 Stunden wach zu bleiben, ohne nennenswerte Probleme. Aber das ist sicher eine große Ausnahme, denn Wright hat eine Manie mit dem wenig schlafen und trainierte vor dem Rekordversuch oft. Bei „untrainierten Menschen“ kommt es schon viel früher zu Sekundenschlaf, also ungewolltem Einschlafen für mehrere Sekunden. Außerdem führt Schlafentzug zur Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen (Konzentration, Gedächtnis, etc.), Halluzinationen und Reizbarkeit. Auch körperliche Folgen wie Schwächung des Immunsystems und Muskelschmerzen sind nachweisbar.
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Schlafentzug wird als Teil der „weißen“ Folter eingesetzt (=Folter, die keine sichtbaren Spuren hinterlässt und schwer nachweisbar ist), manchmal als Therapie gegen Depressionen versucht, sowie als Grenzerfahrung und Abhärtung in der militärischen Ausbildung.

Träumen


Es gibt keine Menschen, die nicht träumen. Auch wenn Du Dich nicht erinnerst, hast Du trotzdem geträumt. Babys, die 50% ihres Schlafes in der sehr aktiven REM-Phase sind, träumen ca. 8 Stunden pro Tag, Erwachsene höchsten 2 Stunden. Man weiß zwar immer noch nicht, warum wir träumen, aber es gibt viele plausible Vermutungen.
Manche Wissenschaftler vermuten, dass das Träumen bei der Informationssortierung eine wichtige Rolle spielt. Beim Träumen mischt das Gehirn neue Information mit alter Information bevor es sie dann abspeichert. Dadurch dass das Logikzentrum im präfrontalen Cortex aber weitgehend inaktiv ist, kommt es zu einem phantasievollen Durchspielen von Möglichkeiten und es entstehen oft verrückte Träume, die keinen Sinn ergeben, aber nützlich bei der Problemlösung sein können.
Denn manche Probleme lösen sich einfach im Schlaf. Wer Probleme hat, denkt über sie nach – auch im Schlaf. Und in der REM-Phase sind genau die gleichen Hirnareale aktiv, die im Wachzustand zur Problembewältigung verwendet wurden – man träumt vom Problem und findet durch die Kreativität der Träume oft eine Lösung, die einem dann tagsüber scheinbar spontan einfällt. Viele Künstler haben ihre kreativsten Ideen aus Träumen. So soll Paul McCartney die Melodie von „Yesterday“ in einem Traum gefunden haben.
Wenn man zum Beispiel von jemandem verfolgt wird und man wegläuft, aber der Verfolger kommt immer näher, so ist das Grundmuster hier ein Vermeidungsverhalten, das oft einen Bezug zum Wachleben hat (man vermeidet eine unliebsame Aufgabe oder ein offenes, klärendes Gespräch). Aber explizite Traumdeutung in der Form, wie sie Sigmund Freud betrieben hat, ist meiner Meinung nach wie die Kreativsprache bei einer Weinverkostung – zu 90% Blabla.
Diese bizarren, absurden Träume gehen manchmal ins Furchterregende über – es kommt zum Alptraum (veraltet Nachtmahr, wie im englischen nightmare).
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Als Ursachen werden meist unverarbeitetes Tagesgeschehen oder Stress angegeben. Circa 5% der Bevölkerung haben mindestens einen Alptraum pro Woche, die meisten davon holen nie Hilfe, obwohl es eine einfache, aber wirksame Therapie dagegen gibt:

  1. Traum aufschreiben (bei Kindern wird der Traum gezeichnet)
  2. Sich im Wachzustand eine aktive Bewältigung der Alptraumsituation vorzustellen (wenn man beispielsweise verfolgt wird, kann man sich vorstellen, stehen zu bleiben und den Verfolger zu fragen, was er denn will)
  3. Diese positive Bewältigungsstrategie dann über zwei Wochen ca. fünf bis zehn Minuten pro Tag wiederholen, damit sie sich auf die nachfolgenden Träume auswirken kann

Schlafstörungen


Über 30% aller Menschen in den Industrieländern leiden unter Schlafstörungen. Diese reichen von Ein- und Durchschlafstörungen, übermäßigem Schlafbedürfnis, über Schnarchen und Zähneknirschen (was dann beim Partner zu Schlafstörungen führen kann) bis zu Schlafapnoe (Aussetzen des Atmens während des Schlafs), Schlafwandeln und den schon erwähnten Alpträumen. Die Narkolepsie gilt auch als Schlafstörung, bei der allerdings tagsüber plötzliche Schlafattacken auftreten und Betroffene manchmal mitten in einem Gespräch einschlafen.
Die Ursachen sind vielfältig, entgegen einem weitverbreiteten Glauben hat der Vollmond aber nichts damit zu tun. Was man dagegen tun kann? Es gibt zwar Medikamente, aber ich rate dringend davon ab (sofern keine organische Ursache vorliegt), da sie langfristig süchtig machen und den Schlaf-Wach- Rhythmus komplett zerstören können. Viel besser: Auf die Schlafhygiene achten!

  • Bei Übergewicht: Abnehmen, regelmäßig Sport betreiben (letzteres gilt auch bei Normalgewicht)
  • Ab ca. 14h auf koffeinhaltige Getränke verzichten
  • Auf Schlafmittel und Appetitzügler verzichten
  • Abends keine schweren Mahlzeiten mehr
  • Ein Einschlafritual einführen (z.B. lesen, entspannende Musik hören…)
  • Nachts nicht auf die Uhr schauen

Ich hoffe der Beitrag war nicht zu einschläfernd :)

Habt Ihr noch weitere Tipps oder bestimmte Einschlafrituale? Teilt sie doch in den comments!

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Referenzen:
www.schlaf.de
https://www.gesundheit.de/krankheiten/gehirn-und-nerven/schlafstoerungen/schlaf-warum-schlafen-wir
Reto U. Schneider, Das Buch der verrückten Experimente, Goldmann 2004
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlafentzug
https://www.academics.at/ratgeber/warum-traeumt-man

pics
http://pikspk.blogspot.co.at/2011/07/funny-yawing-photo-of-pakistani-baby.html
http://blog.lanista-training.com/?p=3635
https://en.wikipedia.org/wiki/Sleep_deprivation
https://de.wikipedia.org/wiki/Albtraum
http://baby-schlaf.com/

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