Oder: Die Erkenntnis, jahrzehntelang dem falschen Sport gefrönt zu haben.
Rugby ≠ American Football ≠ Fußball, wie man auch an den "Bällen" sieht. Pixabay, CC0
Der König aller Sportarten…
…ist ja bekanntlich der Fußball. Man spielt ihn überall am Globus, jeder Zwergstaat hat eine Mannschaft, die WM ist gemeinsam mit der Sommer-Olympiade das größte Sportereignis der Welt, und so weiter und so weiter. Wissen wir alle. Ich habe in meiner Jugend selbst aktiv gespielt, später dann mehr so gelegentlich und hobbymäßig, bis heute bin ich in Lage, meine fehlenden technischen Fähigkeiten durch Übersicht, Spielintelligenz und Laufbereitschaft halbwegs zu kaschieren.
Das Zuschauen bei den Profis wird aber ehrlich gesagt zunehmend mühsamer. Ich sag‘ es auf Deutsch: Die von arabischen Scheichen gefütterten Millionäre mit der Hautoptik von lebenslänglich einsitzenden Schwerverbrechern, die sich aber bei jeder Streicheleinheit des Gegners heulend am Boden winden, um in der Sekunde wundersam zu genesen, in der die gelbe Karte gezückt wird, kotzen mich an. Der Weltverband, der sich hinter dem Label „gemeinnützige Organisation“ und dem Schweizer Bankenrecht versteckt, um Ölmillionen aus Katar in das eigene Säckel umzuleiten, ebenso.
Kurz: Mir ist der Zirkus zunehmend zuwider. Ja klar, ich fiebere schon noch mit wenn Österreich spielt, oder wenn wieder WM ist. Aber leider zunehmend mit Bauchweh.
Ist ziemlich sicher weniger wehleidig als das große Idol. Pixabay, CC0
Im lokalen Verein ist es wenig besser. Der durchschnittliche Kindertrainer in Österreich hat leider die pädagogische Qualität eines ebenso durchschnittlichen Skorpions. Die Eltern an der Seitenoutlinie dafür einen Ehrgeiz, der jeden von Oli Kahn in den Schatten stellt. Um eine Möglichkeit zu finden, dass mein Kind einfach nur Spaß am Sport haben könnte, müsste ich sehr viel Zeit in Suche und Analyse stecken.
Aber dann kam was Neues!
Den Anfang…
…machte eine Bekanntschaft. Eine geschätzte Arbeitskollegin spielt semi-professionell Rugby und lud mich (bzw. meinen Filius) so lange zu Kindertrainings ein, bis ich gewillt war, mir die Sache mal anzusehen.
Ich kam, sah, und war begeistert. Während im lokalen Kickerverein ein arbeitsloser Choleriker auf Kindergartenkinder losgelassen wird, der sein letztes Lebensziel darin sieht, einen neuen Arnautovic heranzuschleifen, trainiert beim Rugby ein freundlich-motivierender, und trotzdem auf genug Disziplin achtender Gefäßchirurg die U6/U8, dessen Kinder selbst in der U10 spielen. Die Atmosphäre ist familiär und wertschätzend, am Feld geht es trotzdem zur Sache. Unsportlichkeiten werden geahndet und nicht gefördert. Die Kinder toben sich voll aus und lernen neben dem Sport an sich auch Sports- und Teamgeist. Dass sie nebenbei auch noch lernen, mit Körperkontakt umzugehen und sich selbst größeren Kindern körperlich entgegenzustemmen, ist ein Bonus, den ich gerne mitnehme. Kann im (Schul-)leben nicht schaden. Das alles gibt es um ehrliche 20€ monatlich und ist somit auch weit günstiger als jeder Fußballverein.
So schwer sind die Regeln gar nicht
Hast du die Regeln mal verstanden, lohnt sich auch der Blick zu den Profis. Zuerst ist es ein Kulturschock: Niemand beschimpft Gegner und Schiedsrichter, keiner jammert, und wenn mal einer liegen bleibt, weiß man, dass es richtig weh tut. Vom verwandten American Football hebt sich der Sport mMn auch deutlich ab: keine Schutzausrüstung, dafür strengere Regeln, und vor allem: Keine lästigen Werbepausen. Das Spiel rennt durch wie in Europa üblich.
Rugby präsentiert sich überraschend strategisch und wird seinem Ruf als „Rasenschach“ voll gerecht. Nicht umsonst ist Raumgewinn wichtiger als Ballbesitz, weswegen nach einem „Try“ die punktende Mannschaft den Ball wieder übernehmen muss (nur halt sehr weit hinten).
Und für alle, denen die vollen 60 Minuten zu wenig Action sind, gibt es die kurzweilige olympische Variante des „Rugby Sevens“, in dem die Spieleranzahl so stark verringert wird, dass der Fokus voll auf Schnelligkeit liegt und die Masse im Gerangel fast irrelevant wird. Rugby Sevens Spieler gehören übrigens zu den komplettesten Athleten überhaupt.
Fazit
Mich beschleicht das Gefühl, ich war bislang beim falschen Sport. Ab jetzt fahre ich zweigleisig, mit dem Ziel, die FIFA irgendwann ganz zu boykottieren. Substitutionstherapie nennt man das wohl medizinisch korrekt. ;-)
P.S.:
Momentan läuft übrigens gerade der Rugby World Cup. Schaut mal rein, es macht echt Spaß. Vor allem, wenn man Japan immer schon cool fand. Die haben völlig überraschend Irland und Schottland besiegt und spielen daher demnächst als erste asiatische Mannschaft überhaupt ein Viertelfinale. Ob sie die Südafrikaner auch hinbiegen? Ich hoffe es.
Japan bog die körperlich überlegenen Schotten mit überfallsartigem Angriffsspiel und tollen Kombinationen. Nichts für schwache Nerven.
Rugby ist m.M.n. ein wirklich interessanter und völlig unterschätzter Sport. Glückwunsch zu dieser Entdeckung. Das die Offenheit zur Umorientierung trotz „Daumendrückens“ für die Österreichische Nationalelf so lange gedauert hat, ist wohl nur durch die geschult hohe Frustrationstoleranz eines Wissenschaftlers erklärlich 😉
Frustration wird als Österreicher von der Wiege an gelernt. Ich kann mich noch an das 0:9 gegen Spanien erinnern, und an den legendären Pausenspruch: "Na ja, hoch wer'mas nimmer gwinnen."
😂😂😂 Kannte ich noch nicht. Finde ich aber richtig gut und ausgesprochen „österreichisch“. Man kann nur (weiterhin) viel Erfolg im internationalen Fußball wünschen.
Ich hab die selbe Erfahrung gemacht allerdings nicht weil ich jemand kannte sondern weil ich per Zufall auf die Sportart aufmerksam wurde.
Fans Spieler und sogar der Schiedsrichter gehen unfassbar freundlich miteinander um, es wird sich bedankt ! Auf dem Spielfeld! Und der Schiri lobt die Spieler sogar wenn sie was gut machen! Für mich als alten Fußballer ein Moment bei dem man sich nur die Augen reiben kann.
Daher gebe ich dir 100 Prozent Recht und freue mich auf das kommende Wochenende !
LG
Jan
Voll, und das zieht sich vom Amateurbereich rauf bis zu den Profis. Wie gesagt: Kulturschock. Vielleicht hätte man den Fußball nie aus England exportieren dürfen, dann würden sich die Spieler heute noch nach dem Spiel in eine Schlange stellen und den Gegner nach der Reihe die Hand reichen / umarmen.
Um mal mit einem Zitat um mich zu schmeißen.
Die Rugby Player die ich kennengelernt habe, sahen alle rüpelhaft aus, waren aber richtig nette Menschen.
Besonders bei einem !BEER
Die Regeln hab ich trotz mehrmaligen Schauens immer noch nicht verstanden :))
Aaaah, das Zitat wollte ich eigentlich einbauen! Ich checke es inzwischen halbwegs, einiges ist schon noch schleierhaft, gebe ich offen zu. ;-)
Also ich habe mir heute auf dem Weg zum Sport den Fuß verstaucht und kann dir daher nur empfehlen: Pass auf deine Knochen auf!
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Aktiv spielen wird vorerst eh nur der Nachwuchs. ;-)
Aber wer weiß... Es juckt mich schon in den Fingern... Wobei ob die so halbe Senioren noch nehmen, muss ich erst erfragen.^^
Ich habe als Kiddie wie blöde Fußball gespielt. Mit 16 bin ich aus dem Verein raus und fing erst mit 27 wieder an. Dabei hätte es mich fast zerrissen. Hab's dann gelassen, Verletzungsrisiko bei solchen Sportarten ist mir einfach zu hoch. Aber jeder ist da bestimmt anders aufgestellt. Stay alive Chapper
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@tipu curate
Upvoted 👌
Danke auch!
Ich wünsch dir ein schönes Wochenende und lass dir noch ein Upvote und nen !BEER da
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