Was ist Windelfrei eigentlich?
Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für "Windelfrei".
Einige davon sind z.B.:
- Elemination communication
- Infant potty training
- Sauber bleiben
- Natürliche Säuglingspflege
- TopfFit
Doch was genau ist unter dem Begriff "Windelfrei" überhaupt gemeint?
Windelfrei bedeutet von Geburt an oder zu einem möglichst frühen Zeitpunkt nach der Geburt – optimalerweise bevor das Kind älter als 3 Monate ist – ganz oder teilweise auf Windeln zu verzichten.
Solange das Kind noch nicht selbst krabbeln, laufen, sitzen, sich an- und ausziehen kann, bringt man es zu einem geeigneten Ausscheidungsplatz wie Toilette, Töpfchen, Waschbecken, ins Freie, etc. und hält es ab, damit es sein Geschäft verrichten kann.
Wenn das Kind mobiler und selbstständiger wird, kann es mit der Zeit selber aufs Töpfchen, die Toilette, usw. sitzen und sich aus- und wieder anziehen.
Wir unterstützen das Kind also in der Zeit, in der es motorisch noch nicht selbst in der Lage ist, auf sein Ausscheidungsbedürfnis zu reagieren.
Was ist Windelfrei nicht?
- Es ist kein herkömmliches Sauberkeitstraining, sondern Ausscheidungskommunikation.
- Kein Zwang. Es ist eine sanfte Methode, die die Zusammenarbeit zwischen Bezugsperson und Kind erfordert und ermöglicht.
- Es ist nicht sauber werden, es ist sauber bleiben.
- Es geht nicht darum, das Kind möglichst früh sauber zu bekommen.
- Es soll Spaß machen und nicht frustrierend sein.
Ist das denn überhaupt möglich?
Über 70% der Weltbevölkerung kommen ohne Windeln aus. In Europa und Nordamerika ging das Wissen über die Ausscheidungsfähigkeit mit dem Aufkommen der Wegwerfwindeln immer mehr verloren, was vor allem auch des gezielten Marketings der Windelindustrie zu "verdanken" ist!
Das Wissen wird von der Windelindustrie gezielt unterschlagen, das ist ja auch kein Wunder, denn ohne Windeln entgeht diesem Zweig ein riesen Profit. Pampers (Procter&Gamble) ist hierbei nach wie vor König.
Quelle Trefis.com Erhebung: August 2016
Wie war es wohl vor der Zeit, als es Stoffwindeln gab? Und wie sieht es bei indigenen Völkern aus, die auch heute keine Windeln haben oder benutzen?
Alle Babys kommen mit denselben Voraussetzungen und Grundbedürfnissen zur Welt. Wieso also sollten 70% der Babys diese Kompetenz haben und die restlichen 30% nicht?
Babys teilen uns ihr Ausscheidungsbedürfnis, wie auch alle anderen Bedürfnisse, ab dem Zeitpunkt der Geburt klar mit. Zu Beginn nonverbal und später auch verbal.
Woher weiß ich denn, wann mein Baby muss?
Der Schlüssel zum Lernen des Babytimings ist, die Ausscheidungen in Relation zum Füttern und Wachen zu bringen. (TopfFit, Laurie Boucke)
Timing und Erfahrung
Manche Mütter gehen - am Anfang - nach der Uhr (z.B. alle 30 Min.). Mit der Zeit sind auch oft Muster zu erkennen. Z.B.: direkt vor/nach/während dem Stillen, nach dem Aufwachen, 20 Min. nach dem Stillen, am Morgen öfter als am Nachmittag ...
Intuition
Genau so wie Du spürst, wann dein Baby Hunger hat oder müde ist, so wirst du mit der Zeit auch spüren, wann es muss. Vertraue auf dein Gefühl!
Signale des Babys
- Es wird unruhig; im Tuch macht es den Anschein, dass es plötzlich raus will oder es streckt sich durch.
- Es strampelt mit den Beinen auf eine bestimmte Art.
- Es verkrampft / krümmt sich (die Bauchmuskeln ziehen sich zusammen).
- Während dem Stillen dockt es immer wieder an und ab.
- Es weigert sich weiter zu trinken, obwohl es noch Durst hat.
- Es bekommt einen „leeren“, träumenden Blick oder schaut in die Ferne.
- Es blickt zum Ausscheidungsort (WC, Töpfchen, nach draußen, ...) oder zu Dir.
- Es scheidet ein bisschen Urin / Kot aus und hört dann wieder auf.
- Es weint / wimmert und wird allgemein unruhig / „quengelig“.
- Nachts wacht es auf und Du denkst vielleicht, dass es trinken will.
Was sind die Voraussetzungen, um die natürliche Säuglingspflege anzuwenden?
Wenn Du jetzt denkst, dass Du irgendetwas bestimmtes brauchst oder tun sollst, um Deinem Kind sein Bedürfnis zu stillen, kann ich Dich beruhigen.
Zumindest benötigst Du keine materiellen Voraussetzungen.
Was aber auf jeden Fall in Deinem Repertoire zu finden sein sollte:
- Zeit, Präsenz und Nähe zum Kind
- Geduld, Respekt und liebevoller Umgang mit dem Baby
- Tragen im Tuch oder geeigneter Tragehilfe
- Familienbett oder zumindest Babybalkon
Und wieso Windelfrei?
Hier nur einige Ansätze:
- Du gehst auf das Bedürfnis Deines Kindes ein, denn es möchte weder sich noch andere beschmutzen
- Die enge Bindung zu Deinem Kind wird intensiviert
- Dein Kind hat Möglichkeit seine Ausscheidungen kontrollieren zu lernen, was einer gesunden Entwicklung der Beckenbodenmuskulatur und der Muskulatur des Schließmuskels entgegenkommt
- Dein Baby hat ein gesteigertes Wohlbefinden (wer liegt schon gerne in seinen eigenen Ausscheidungen?)
- Windelfrei ist natürliches sauber bleiben, nicht sauber werden durch spätes, evtl. mühsames Umlernen
- Kein wund werden, keine Windelpilze
- Enorme Geldersparnis
- Umweltschutz
- Keine Wickeltaschen-Schlepperei
- Ungehemmte Entwicklung auf allen Ebenen: Krabbeln, Laufen ohne Einschränkung durch Windelpaket und das Kind kann seine Genitalien berühren und natürlich erforschen
Wie beginne ich mit Windelfrei?
Step 1: Wahl eines Zeichens / Lautes (optional)
Überlege Dir ein Zeichen, welches Du bei Bedarf machen kannst, bevor bzw. während Dein Baby sein Geschäft verrichtet. Das Zeichen und die Abhalteposition ermöglichen Deinem Baby zu verstehen, dass nun Zeit und Ort richtig sind, sein Geschäft zu verrichten, dass Jetzt Zeit ist, loszulassen.
Beispielsweise:
- Schschsch (vgl. Rauschen von Wasser)
- Pssssssss
- Zzzzzzzz
- Langes Pfeifen
- Ins Ohr flüstern („Bisi“, „Pipi“, ....)
- Auf den Kopf oder die Genitalien pusten
- Wasserhahn laufen lassen
- Evtl. warmes Wasser über die Füße laufen lassen
Step 2: Wahl eines Ausscheidungsplatzes
- Es kann raatsam sein - zu Beginn - möglichst oft denselben Platz aufzusuchen, damit es keine Verwirrungen gibt. So kann das Baby leicht lernen, dass dieser Ort für sein Geschäft da ist.
- Der Platz sollte sauber, leicht erreichbar und angenehm sein. Und mit sauber meine ich hier durchaus auch die Natur.
- Viele Babys finden es toll, sich beim Geschäft selbst im Spiegel zu betrachten (z.B. über dem Waschbecken).
- Viele Babys erledigen ihr Geschäft zu Beginn noch während dem Stillen. Hier kannst du leicht und bequem eine kleine Schüssel zwischen Deine Beine klemmen und unter den Po Deines Babys halten.
Step 3: Windel ausziehen
Befreie Dich von dem Gedanken, dass Dein Kind eine Windel braucht. Dann befreie Dein Kind von seiner Windel - oder ziehe ihm gar nicht erst eine an. Caroline Wolfgang, liebe Freundin
Step 4: Erstes Vertrautmachen mit den Ausscheidungsmustern Deines Kindes
- Beobachte, wie sich Dein Baby verhält, bevor und während seines Geschäfts.
- Für den Anfang kannst Du Dir einmal eine oder zwei Stunden Zeit nehmen; in dieser kurzen Zeit wirst du einige Male erleben, dass Dein Baby muss, denn kleine Babys müssen zum Teil sehr oft.
- Wenn Du glaubst, dass Dein Baby jetzt muss, dann halte es einfach einmal über einem geeigneten Platz ab.
Step 5: zur geeigneten Zeit abhalten
Gute Zeiten sind:
- Direkt nach dem Schlafen
- Nach dem Trinken
- Manche (noch sehr junge) Babys während dem Stillen
- Während oder nach dem Baden (die Verdauung wird angekurbelt)
- Evtl. wenn das Baby fließendes Wasser hört (Abwasch, Wasserfall, ...)
Verschiedene Abhaltepositionen
Baby übers Töpfchen halten
Solange das Baby noch nicht selbst frei sitzen kann, wird es über dem Töpfchen gehalten, anstatt zu sitzen.
Auch wenn es schon frei sitzen kann, genießen viele Kinder den engen Körperkontakt zu ihren Eltern und werden weiterhin gerne gehalten während dem Geschäft.
Eine weitere Möglichkeit ist, das Baby in der herkömmlichen Stillposition im Arm zu halten und etwas vom Körper weg abzuhalten oder ein Töpfchen / eine Schüssel zwischen die Beine zu klemmen und es darüber zu halten.
Baby über die Toilette halten
Viele Kinder finden es toll, dass es plätschert wenn sie in die Toilette machen.
Größere Kinder finden es oft schön, dass sie wie die Erwachsenen in die Toilette machen können.
Baby übers Waschbecken oder die Badewanne halten
Der Klassiker.
Es ist bequem für Mutter und Kind und die Babys finden es meist toll, sich im Spiegel zu betrachten.
Baby im Freien abhalten
Draußen ist es doch am schönsten.
In der Natur genießen es fast alle Kinder, ihr Geschäft zu machen. Es gibt so viel zu sehen: Bäume, Blumen, Vögel und im Winter kann man sogar im Schnee Pipi-Zeichnungen machen
Auch im Winter ist es kein Problem ein Baby draußen abzuhalten, da nur der Po für einige Sekunden frei ist.
Keine Nebenwirkungen bekannt ...
Mit dem Kind aufs Klo sitzen
Auch eine bequeme Möglichkeit.
Sowohl für kleinere als auch für größere Kinder gut geeignet.
Freies Sitzen auf dem Töpfchen
Für die „Großen“.
Viele Kinder finden es toll, wenn sie während ihrer „Sitzung“ weiterspielen können und nicht extra unterbrechen müssen, was sie vorher gemacht haben.
(Töpfchen-zum-Kind-Prinzip)
Windelfrei in der Nacht
Grundsätzlich gilt: in der Nacht müssen Menschen durch das Hormon Vasopressin viel weniger oft auf die Toilette. Jedoch am Morgen dann sehr schnell nach dem Aufwachen, dieses abhalten ist deshalb, wie auch nach jedem Schlafen, meist sehr zuverlässig.
Die meisten Kinder wachen nachts auf, wenn sie spüren, dass sie mal müssen, sie kommen in einen unruhigen Halbschlafzustand und strampeln, zappeln, bewegen den Kopf hin und her, jammern, etc.
Evtl. will Dein Baby nur abgehalten werden, wenn du denkst, dass es durstig ist. Oft macht es dabei nicht einmal die Augen auf und schläft danach weiter oder will danach wieder in den Schlaf gestillt werden.
Als Sicherheit empfiehlt es sich, eine wasserdichte Unterlage oder ein Handtuch zu verwenden. Sollte mal etwas daneben gehen, kannst du diese einfach wegziehen und das Baby liegt wieder im Trockenen. Bei uns hat sich bewährt, einen kleinen Stapel direkt griffbereit zu halten. Ich habe immer zwei Unterlagen untereinander gepackt, so konnte ich die nasse Unterlage einfach wegziehen und darunter war bereits die trockene Unterlage vorhanden.
Es kann gut sein, dass nach kurzer Zeit das Kind in der Nacht völlig trocken ist. Und wem es zu anstrengend ist, bspw. in einem Familienbett mit anderen Kindern, kann natürlich in der Nacht ein Backup oder eine Windel als Sicherheit benutzen - es lohnt sich aber, es wenigstens zu versuchen!
Unfälle oder wenn mal was daneben geht
- Unfälle gehören dazu. Niemand ist perfekt. Auch beim konventionellen Sauberkeitstraining passieren immer wieder Pannen.
- Unfälle sind hilfreich. Das Prinzip von Ursache und Wirkung (Pipi = nass) ist so direkt spürbar. Wegwerfwindeln verhindern dieses Erlernen auf brutale Weise, kennst Du den Werbespruch von Pampers: „Für noch mehr Trockenheit, bis zu 12 Stunden“? Dem Kind wird also antrainiert, bis zu 12 Stunden lang in den eigenen Ausscheidungen zu liegen und davon nichts zu spüren.
- In anderen Ländern in denen Windelfrei sozusagen „obligatorisch“ praktiziert wird, sind verpasste Pipis (kommt aber eher selten vor) nur Grund für Gelächter, alle Beteiligten hegen eine entspannte Einstellung im Bezug auf das Ausscheidungsbedürfnis.
- Bitte keine Vorwürfe, weder dem Kind noch Dir gegenüber. Niemand ist „schuld“, wenn mal etwas daneben geht.
- Fakt ist: frisch ausgeschiedener Urin von voll gestillten Kindern ist steril und auch Stuhl ist im Normalfall harmlos - da er nur aus Muttermilch besteht.
Ausnahmesituationen
- Krankheit: Fieber, Erkältung, Durchfall, ...
- Zahnen
- Familiärer Stress
- Entwicklungsmeilensteine wie:
- Krabbeln lernen (Druck auf die Blase / kalter Boden)
- Laufen lernen
- Sprachentwicklung
- Autonomiephase
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Es kann sein, dass das Kind so sehr damit beschäftigt ist, Laufen zu lernen, dass es keine „Zeit“ und Motivation mehr hat, aufs Töpfchen zu gehen. Es kann sehr frustrierend sein, dass es auf einmal nicht mehr so gut oder teilweise gar nicht mehr funktioniert.
Aber: nicht aufgeben! Oder auch mal auf ein Backup oder Windeln zurückgreifen, wenn es zu stressig wird. Es geht schließlich darum, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und nicht darum, nie eine Windel zu verwenden.
Du findest mich und viele weitere meiner Beiträge auch hier:
Liebe Mary, danke für diesen sehr gut geschriebenen und informativen Artikel. Ich habe letzte Woche gerade einen Artikel zu einem ganz verwandten Thema geschrieben: Zur freien Menstruation. Falls es dich interessiert: https://steemit.com/deutsch/@claudiapeters/freie-menstruation-ganz-ohne-binden-tampons-and-co-ueber-das-was-das-wie-und-das-warum
Und falls du davon noch nicht Notiz genommen hast: @erh.germany hat ein tolles Projekt gestartet - ich könnte mir vorstellen, dass du und deine Themen da super hinpassen! https://steemit.com/steemit/@erh.germany/1st-come-together-share-ideas-and-information-promote-your-posts-get-inspired-and-inspire-others-week-46
Liebe Grüße. Claudia.
Liebe @claudiapeters danke für die beiden Links, ich werde sie mir gerne ansehen. Die freie Menstruation ist kein neues Thema für mich, wenn auch ich sie (noch?) nicht praktiziere ;-) Sei herzlich gegrüsst!
Hallo @mindreloveution !
Dies ist eine automatische Nachricht.
Anscheinend hast Du das erste Mal auf #deutsch geschrieben.
Willkommen bei Steemit !
Schau doch mal im https://steemit.chat/channel/deutsch vorbei !
Eine Bekannte von mir hat das mit 2 Kindern bereits hinter sich, ohne Probleme. Das sollte wieder Allgemeingut werden. Vielen Dank!
Hi Schamangerbert. "Hinter sich" klingt ein bisschen bitter ;-) Aber ja, sollte Allgemeinwissen sein. Die Windelindustrie legt sich halt mächtig ins Zeug, um den Profit zu wahren...
Hallo liebe @mindreloveution :) Vielen, vielen Dank für Deinen informativen Artikel. Ja, Windelfrei ist eine so schöne und etwas andere Kommunikation mit dem Baby. Ich habe bei meiner Tochter angefangen als sie 4 Monate war und es war einfach so befreiend für sie und für mich dann auch :) Das ist jetzt mittlerweile auch schon wieder 7,5 Jahre her. Bei meiner zweiten Tochter, sie ist jetzt 2,5 Jahre begann ich sofort nach der Geburt damit und es war nochmal eine viel intensiviere Kommunikation. Ich kann es auch nur jedem empfehlen sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ganz liebe Grüße, Marion