Ich denke, der Individualismus ist gleichzeitig Fluch und Segen. Der Einzelne ist es nicht gewöhnt, von und aus sich heraus etwas zu gründen, was nicht schon irgendwo bereits besteht. Einen Sozial-Fond ins Leben zu rufen, der Verdienstausfälle kompensiert, ist schon ein recht umfangreiches Projekt. Es weckt Gedanken wie "wenn es freiwillig ist, kannst du nicht mit Beständigkeit und Verlässlichkeit rechnen, die Leute, die einzahlen, könnten morgen wieder abspringen ..." usw. Natürlich braucht es einen nicht daran zu hindern, mit den Mitteln zu haushalten, die vorhanden sind so lange sie vorhanden sind. So der Topf einmal leer oder gerade nicht voll genug ist, muss man damit leben lernen. Die Frage auch "wer bekommt den Ausgleich?" würde sich stellen und da würde ich nach Eingang der Anfrage gehen (wer zuerst kommt, bekommts zuerst, alles andere würde wohl dazu führen, sich gegenseitig die Köpfe einzuhauen).
Keine Ahnung, ob die Apokalypse kommt, die ja auch als "Auferstehung" oder so ähnlich definiert wird. Etwas ändert sich ganz gewiss bzw. wir sind mittendrin.
Ich weigere mich seit einigen Monaten, aus meinem Leben eine Misere und Aneinanderreihung von Sorgen zu machen. Es führt schließlich zu nichts. Ich bin in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel egoistischer geworden als ich es vorher war (glaube ich).
Zurzeit pfeife ich auf Umweltbewusstsein, wo ich mich vorher freiwillig reduziert habe (kein Auto, nur Öffis und Fahrrad, wenig Fleisch, alles recyclen und aufbrauchen, was alt ist oder Kaputtes reparieren, keine Flugreisen, nur Wasser aus dem Hahn usw. usw.). Mittlerweile fahren wir einen gebrauchten Golf, ich nutze keine Öffis mehr, ich bin sehr viel mehr unterwegs als zu Zeiten wo ich berufstätig war, wir verfahren unglaublich viele Kilometer seit der Krise zwischen meinem Heimatort und meiner jetzigen Stadt. Ich genieße das Essen, schränke mich nicht mehr so sehr ein.
Für mich ist sozusagen die umgekehrte Lebenseinstellung wahr geworden: Schöpfe aus dem Vollen, so lange es geht. Wo ich vorher so besorgt um die Umwelt, die Bevölkerung, die Finanzen blablabla war, ist es mir mittlerweile schnurz (naja, bis auf Dinge selbst machen und reparieren, Gebrauchtes benutzten, das macht mehr Spaß als immer alles neu kaufen).
Jetzt, wo einem befohlen wird, sich zu verkleinern, sich bescheiden zu halten, sich nicht mehr als Konsument zu sehen (haha, wie lachhaft, weil man es ja dennoch ist), sich zur Dankbarkeit verpflichtet zu fühlen, jetzt, wo das alles zu einem Mega-Trend geworden ist, denke ich, ich habe vielleicht bei diesem "Ich bin ja ach so ein guter Mensch" mitgemacht und hätte vielleicht besser meine Klappe halten sollen. ... naja, vielleicht weißt du, was ich meine.
Präker zu leben ist an sich nichts Schlechtes. Wenn du jung bist, hast du Energie und ich erinnere mich sehr gut an Zeiten, wo ich keinen Pfennig auf der Naht hatte und wo wir improvisierten und auch mit wenig sehr glücklich waren. Dann hatte ich sehr fette Jahre, wo wir uns alles mögliche leisten konnten. Und dann wieder magere Jahre. Und so weiter.
Mit der derzeitigen Moral kann ich gar nichts mehr anfangen. Da sind mir Sex, Drogen und Rockn'roll lieber als dieser wieder auferstandene Puritanismus. Nicht mehr mir persönlich, ich bin über das Alter hinaus, aber die jungen Leute scheinen es ja gar nicht zu vermissen. Jedenfalls sehe und höre ich nichts davon, dass irgendwer, der heute jung ist, überhaupt noch zu wissen scheint, was es heißt, sich gegen das Establishment zu stellen. Aber vielleicht wusste auch ich das nie und habe es mir nur eingebildet. LOL
Ich glaube (also glaube nur) herauszulesen eine Stimmung, die viele von uns befällt. Da alles auf den Kopf gestellt ist inmitten einer Gesellschaft, die keinerlei Bezug zueinander hat und die Rollen komplett vertauscht wurden, gibt es keine Richtung mehr, außer der, die man sich selber gibt. Zumindest befinde ich mich in diesem No-Mans-Land und versuche da nicht unterzugehen.
Die gemeinsamen Initiativen sind das eine. Ohne ein Bewußtsein der Gemeinschaft wird alles immer wieder zerfallen. Was den life style angeht kann ich dich verstehen. Glaube ich :D Jedenfalls gab es mal diesen Trend mit Minimalismus. Been there – done that. Bis mir dann aufgefallen ist, daß mir doch gewisse Dinge fehlen. Und letztendlich habe ich sie mir dann besorgt. Ich kaufe keinen Unsinn, der nur im Müll landet, aber streng genommen habe ich Überflüssiges im Inventar. Wenn ich die Möglichkeit hätte zu Reisen, dann würde ich diese Antwort aus dem Flugzeug heraus schreiben.
Mein „Konflikt“ mit dem Narrativ des Klimawandels ist, daß ich keinerlei Vertrauen habe, daß es nicht nur aufgeblasen wird und mal wieder Machtinteressen dahinterstecken, die letztendlich Kommunismus für die Unterschicht, und Kapitalismus für die Oberschicht haben will. Bin nicht tief genug in diesem Thema drin, daher nur ein Bauchgefühl. Aber das Leben umzustellen rein anhand äußerer Erwartungen scheint unsinnig zu sein. Und es könnte sein, daß man uns nur verarscht hat mit der ganzen Panikmache.
Deshalb bleibe ich bewußt, aber nach eigenen Maßstäben.
Was die Jugend angeht wage ich zu sagen, daß sie ein ganz schlechtes Los gezogen haben. Vorm Bildschirm aufgewachsen verfallen sie nicht nur der Klimahysterie, sonder auch dem alles-auf-click Tempo, und dem horrenden Narzissmus, und haben keinerlei Bezug zur echten Welt. Zwischen Tinder und „Wir retten die Welt wenn wir alle Veganer werden“ drückt sich nur ein life style aus, den ich ganz plump lost nenne. Wenn ich in meine Zeit zurückschaue, wie in meinem Post zu den 90s beschrieben, dann waren wir nicht direkt gegen das Establishment, aber wir haben unser Ding gemacht. Manche mit mehr, mache mit weniger Erfolg. Aber der Konformitätsgeist ist schon erstaunlich der da heute bei den jungen herrscht. Ob das noch ein Erwachen gibt?
Aber das sind nur stammelnde Versuche die Zeit zu verstehen. Da alle Orientierung weg ist, und alles auf dem Kopf, bin ich selber von Tag zu Tag dabei es verstehen zu lernen. Aber – so wie du es auch gesagt hast – ohne mich zu grämen und geißeln, sondern indem ich einfach Freunde treffe, dummes Zeug rede, und hier und da mit einem Wein und einer Tüte das Leben feiere, solange sie nicht das Licht ausgemacht haben. Für höhere Geistesflüge fehlt mir das Talent :)
Zwecks dem Wandel: Was ist denn dein Eindruck, was für ein Wandel jetzt stattfindet? Wohin geht die Reise, glaubst du?
Ich begrüße deine unprätentiöse Antwort. Keine Einwände.
Wohin die Reise geht, weiß ich nicht. Ich enthalte mich der Vorhersagen, sie sind vermutlich entweder richtig oder falsch. HaHa! XD
Zwischen Langeweile und Aufregung zu schwingen, ist kein guter Zustand, wie ich denke. Ertappe mich leider oft genug dabei und versuche, es in Gelassenheit und angemessenes Engagement umzuwandeln.
Mehr Kunst und Handwerk machen, ist vermutlich ein Weg, um sich geistig gesund zu halten.
Ja!
Bei mir ist es die Musik und ein Tag nach dem anderen. Gestern Abend habe ich einfach lange Musik gehört und bin da ganz hineingetaucht. Das ist sozusagen meine Heimat. Lange nicht mehr gemacht und war ganz überrascht wie simpel und effektiv es mich nicht nur beruhigt, sondern in ganz andere Sphären trägt, die mir vertrauter sind als der Schmarren der Weltpolitik. Die Kreativität in den Menschen rätselt mich auch immer wieder. Und auch weshalb Töne und Rhythmen überhaupt so eine Wirkung haben können.
Das mache ich auch heute Abend und vielleicht entsteht mal endlich wieder was aus der Stimmung :)