Der ewige Kampf zwischen dem Kaufmann und dem Bürokraten

in #deutsch7 years ago

Der ewige Kampf zwischen dem Kaufmann und dem Bürokraten


Vor dem Staat

Die Menschheit lebte ursprünglich als Jäger und Sammler. Das bedeutete, sie zogen von Gebiet zu Gebiet, ließen sich kurzfristig nieder, jagten und töteten alle Tiere um sich herum, nur um dann nach einiger Zeit mitzubekommen, dass es nichts mehr zu essen gibt, weil sie alles getötet haben, sodass sie weiterzugezogen sind, um im nächsten Gebiet wieder Lebensmittel zu finden, die sie auch nach kurzer Zeit aufgebraucht hatten. Es war also ein ständiger Kreislauf basierend aus: kurzfristig niederlassen, alles um sich herum töten und essen bis es nichts mehr zu essen gibt, weiterziehen und von vorne anfangen. Auf diese Art und Weise hatte sich die Menschheit über den gesamten Globus verteilt. Dieser nomadische Lebensstil konnte allerdings nur so lange funktionieren, wie die Anzahl der Menschen sehr gering war und die meisten Regionen unbewohnt blieben. Das ändert sich jedoch, als sich die Anzahl der Menschen stetig erhöhte und sich immer mehr Menschen um immer weniger Jagdgebiete stritten. Der Lebensstil der Jäger und Sammler war nicht nachhaltig. Es kam zu einer ökologischen Krise und dem Aussterben vieler Tierarten, die die Menschen bevorzugt jagten. Lebensmittel wurden knapp.

Als Antwort auf diese Krise entwickelten viele Stämme ca. 10.000 v. Chr. unabhängig voneinander an verschiedensten Orten der Welt die Landwirtschaft. Anstatt nur die Pflanzen und Tiere zu essen, die in der Natur vorhanden waren, versuchte man jetzt aktiv Pflanzen (speziell Getreide) anzubauen und Tiere zu halten und zu züchten. Man wurde sesshaft, weil man seine Tiere und Pflanzen jetzt praktisch vor der Tür hatte und man nicht mehr von Ort zu Ort ziehen musste. Die ersten Zivilisationen und Dörfer entstanden. Die Landwirtschaft ermöglichte es den Menschen, mehr Lebensmittel zu erzeugen als zuvor, wodurch die Menschheit stetig wachsen konnte.

Allerdings hatte dieser Schritt auch Nachteile. Zum einen wurde das Leben der Menschen erstmal schwerer. Wissenschaftler sind mittlerweile der Meinung, dass das Leben der Jäger und Sammler verhältnismäßig leichter als das Leben der Landwirte, die von früh bis spät Knochenarbeit auf dem Feld verrichteten, war. Zum anderen wurden Fehlernten und Hungerkatastrophen häufiger, da man sich abhängig von wenigen Getreidesorten machte. Wenn man allerdings eine Fehlernte erlitt oder Ungeziefer und Schädlinge die Ernte zerstört hatten, dann waren die Landwirte aufgeschmissen. Trotz dieser Nachteile setzte sich das sesshafte Leben der Landwirtschaft langfristig durch, besonders da man mit der Zeit immer mehr Lebensmittel erzeugen konnte, wodurch man immer mehr Kinder hatte und man sich immer stärker ausgebreiten konnte.

Die gewalttätigen Ursprünge des Staates

Je größer die Dörfer wuchsen und je mehr Lebensmittel man erzeugte, sodass nicht alle Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten, sondern es zudem auch Soldaten gab, desto mehr fanden die stärkeren Stämme heraus, dass sie schwächere Stämme erobern, versklaven und regieren konnten.

Man fand heraus, dass es im Prinzip 3 Möglichkeit gibt, um ein schwächeres Dorf auszurauben:

  1. Man geht zu einem schwächeren Stamm, tötet alle und nimmt sich deren Sachen. Das Problem bei dieser Methode war, dass man einen Stamm nur ein Mal ausrauben konnte, weil dann alle tot waren. Um einen Stamm langfristig unterdrücken zu können, musste man sie am Leben lassen, also brauchte man eine neue Strategie.
  2. Man geht hin, raubt sie völlig aus, lässt sie am Leben, wartet eine Weile, bis sie sich erholt und wieder ein paar Lebensmittel produziert haben und dann raubt man sie aufs Neue aus. Das Problem bei dieser Methode war, dass der schwächere Stamm irgendwann aufgehört hat, produktiv zu sein, weil sie wussten, dass sie wieder ausgeraubt werden. Sie aßen alles, was sie hatten sofort, ohne etwas anzusparen. Wenn Menschen wissen, dass sie enteignet werden, dann hören sie auf zu produzieren. Wenn sparen sich nicht lohnt, dann hört man auf zu sparen. D.h. es gab kaum noch etwas zu holen, weil kaum etwas produziert wurde. Um die Menschen sinnvoller auszurauben, dachte man sich eine 3. Möglichkeit aus.
  3. Anstatt dass man den schwächeren Stamm völlig ausraubt, nimmt man ihnen nur ein bisschen weg, sodass sie noch genug haben, um sich selber zu versorgen. So konnte man einen Tribut oder eine Steuer verlangen, während der schwächere Stamm trotzdem weiter produziert hat, weil man einen Teil der Früchte seiner Arbeit behalten konnte.

Man begriff, dass die systematische Ausbeutung landwirtschaftlicher Dörfer durch Besteuerung ein weitaus effizienteres und lukrativeres System darstellte als das der Plünderung und Ausrottung. Der Staat wurde geboren. Zum ersten Mal gab es in der Menschheitsgeschichte eine Trennung zwischen den produktiven Menschen und denen, die durch die Nutzung von Zwang und Gewalt von den Früchten der produktiven Menschen leben. Es gab das erste Mal 2 Klassen: Eine produktive Mehrheit, die sich durch den Einsatz wirtschaftlicher Mittel (Produktion und Handel) Wohlstand erzeugt und eine herrschende Elite, die sich durch den Einsatz politischer Mittel (Besteuerung und Enteignung) von dem erzeugten Wohlstand anderer lebte. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte kam es zur systematischen Ausbeutung.

Der Kampf zwischen Kaufleuten und Bürokraten beginnt

Von diesem Moment an, schreibt der Anthropologe Marvin Harris, haben die Produzenten in einem dramatischen Zustand der Knechtschaft, aus dem sie nie wirklich entkommen sind, gelebt:

Zum ersten Mal erschienen auf der Erde Könige, Diktatoren, Hohepriester, Kaiser, Ministerpräsidenten, Präsidenten, Gouverneure, Bürgermeister, Generäle, Admiräle, Polizeichefs, Richter, Anwälte und Gefängniswärter sowie Kerker, Gefängnisse, Strafvollzugsanstalten und Konzentrationslager. Unter staatlicher Aufsicht lernten die Menschen zum ersten Mal, wie man sich beugt, wälzt, kniet und küsst. In vielerlei Hinsicht war der Aufstieg des Staates der Abstieg der Welt von der Freiheit zur Sklaverei.

Die Geburt des Staates ging mit einem Klassenkampf zwischen Produzenten und Herrschern einher, ein Kampf, der bis heute weitgehend lebendig geblieben ist: Während die erste Gruppe die Früchte ihrer eigenen Arbeit bewahren will, strebt die zweite Gruppe danach, mit Gewalt in den Besitz dieser Früchte zu gelangen und ein System der Herrschaft und Ausbeutung einzuführen. Der ewige Konflikt durch die Geschichte hindurch ist also der zwischen Menschen der Freiheit und den Menschen der Herrschaft, zwischen Produktion und Parasitismus. Wie die folgenden Beispiele zeigen werden, wird der Fortschritt oder Niedergang der Zivilisationen durch den Trend dieses Kampfes bestimmt.

Gesellschaften der Bürokraten


1. Die alten Imperien

Seit den Anfängen der Geschichte lebte die große Mehrheit der Menschen erbärmlich unter den tyrannischsten Reichen, die sich über weite Gebiete erstreckten: die Babylonier, Ägypter, Chinesen, Perser, Inder, Spätrömer, Araber, Osmanen, Inka, Azteken. In diesen alten Imperien war der Fortschritt so langsam, dass er unbemerkt blieb, und die Gründe für eine solche Stagnation waren folgende: Die politische Macht in diesen Imperien hatte keinen Bedarf an Innovation, sondern Innovation wurde vielmehr aufgrund der Angst bekämpft, dass neue Entdeckungen das bestehende System stören würden; die bürokratische und militärische Elite, die regierte, kam durch Gewalt in den Besitz jedes Überschusses an Produktion und unterdrückte jedes kleine Zeichen von Widerstand; jede autonome Gesellschaft.

Diese alten Reiche waren Summen von Analphabeten, die von morgens bis abends arbeiteten, um sich selbst mit eiweißfreiem Gemüse versorgen zu können. Es überrascht nicht, dass sie sich nicht in einem viel besseren Zustand als ihre Ochsen befanden, und gleichzeitig wurden sie von den Kommandos ihrer Vorgesetzten, die lesen konnten und die als einzige das Recht besaßen, Waffen zu benutzen, völlig unterjocht. Die Tatsache, dass diese Gesellschaften Jahrtausende lang Bestand haben, klingt wie eine ernste Warnung: Es gibt keine innere Kraft für menschliche Aktivitäten, die materiellen und moralischen Fortschritt sichern kann. Tyrannei kann sich sehr lange selber erhalten, wenn sie ein mal etabliert wurde.

2. Perfektes Beispiel: Das chinesische Reich

Das tausendjährige Reich China kann als typisches Beispiel für eine geschlossene Gesellschaft dienen, die vollständig von Bürokraten beherrscht wurde. Wie der größte Historiker des alten China, Etienne Balasz, erklärt hat, war der konfuzianische Staat entscheidend totalitär. Keine Privatinitiative war erlaubt und kein Ausdruck des öffentlichen Lebens konnte sich der behördlichen Regulierung entziehen: Kleidung, private und öffentliche Bauten, Musik, Partys und sogar die Farben, die man tragen durfte, unterstanden der strengen Kontrolle des Staates. Darüber hinaus gab es Verordnung für Geburt und Tod, und der Staat überwachte mit erschreckender Aufmerksamkeit jeden Schritt seiner Untertanen, von der Wiege bis zum Grab.

China war zu Zeiten der Mandarinen ein Umfeld unveränderlicher Muster, Routinen, geprägt von Traditionalismus und Unbeweglichkeit und daher misstrauisch gegenüber jeder möglichen Art von Innovation und Initiative, geschweige denn freier Forschung und Unternehmertum. Der geniale und erfinderische Geist, der den Chinesen nicht fremd war, hätte das Land zweifellos bereichert, aber es war der Staat, der das Land daran hinderte, sich in ein Zeitalter des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Entwicklung zu begeben, indem er jede Art von Privatinitiative niederschlug, nur weil er mit den Interessen der bürokratischen Besetzung kollidierte. Fortschritt war einfach nicht im Interesse der Herrscher.

3. Ein moderner Fall: Die Sowjetunion

In unserer Epoche haben die kommunistischen Regime, wenn auch in einer blutigeren Form, die totalitäre Kontrolle zurückgebracht, die so charakteristisch für die alten orientalischen Gewaltherrschaften war. Die marxistische Ideologie mit ihrer radikalen Feindseligkeit gegenüber Eigentum, Handel und Unternehmertum erwies sich als die geeignetste Weltanschauung, um den Machtwillen der parasitären Klassen zu befriedigen. In jedem Land, in dem die politischen und bürokratischen Klassen versucht haben, den produktiven Sektor zu zerstören, fanden sie es nützlich, die marxistische Ideologie als ihre Legitimierung aufrechtzuerhalten.

Die extreme Ausbeutung, die von den kommunistischen Bürokratien gegen die produktiven Klassen verübt wurde, hatte speziell im Falle der Kulaken (d.h. wohlhabenden Bauern) das Stadium der körperlichen Vernichtung erreicht. Doch die tiefgründigste und einfühlsamste Analyse der bürokratischen Ausbeutung, die sich unter dem Kommunismus abspielte, ist in den Werken des genialen, autodidaktischen italienischen Gelehrten Bruno Rizzi aufzeigt wurden. Rizzi war wohl der erste, der begriff, dass eine parasitäre Klasse von Bürokraten 1917 die Macht an sich gerissen hatte, die aus "Staatsbeamten, Polizisten, Schriftstellern, Gewerkschaftlern und der ganzen Kommunistischen Partei im Block" bestand und die die Arbeiter auf die heftigste Art und Weise, die es je gab, plünderten.

Der Sowjetstaat nach 1917, so Rizzi, sei drastisch aufgebläht worden. Die Bürokraten mit ihren jeweiligen Familien bildeten eine Masse von 15 Millionen Menschen, die sich auf den oberen Ebenen der Verwaltung befanden und einen großen Teil des Sozialprodukts aussaugten. Im Kolchoz, d.h. den staatlichen landwirtschaftlichen Betrieben der Sowjetunion, blieben nur 37% der Produktion in den Händen der Arbeiter, während der Rest an den Staat ging, der sie dann der Bürokratie übergab. Staatliche Funktionäre haben darüber hinaus fortlaufend auf Kosten der Bürger Geschäfte gemacht, indem sie Löhne und Preise für verschiedene Produkte festlegten und die "Arbeiter" als ihre "Zwangskunden" behandelten, die sie verpflichteten, die Produkte in den staatlichen Geschäften zu kaufen, die teilweise bis zu 120% Umsatz erreichten.

Die Beamten des Staates erhielten außerdem bemerkenswerte Vorteile, indem sie viele der angesammelten Kapitalmittel, die für den Bau von öffentlichen Bauwerken vorgesehen waren, in Projekte umleiten konnten, die ausschließlich ihrer eigenen Klasse zugutekamen. Ein leuchtendes Beispiel dafür war das Hauptquartier der Bürokratie, das prächtige 360 Meter hohe Haus der Sowjets (die Arbeiter mussten sich stattdessen mit einer Wohnung zufriedengeben, die im Durchschnitt 5 Quadratmeter groß war). Während König ihre Leibeigenen zwangen, für sie prächtige Burgen zu bauen, während die Leibeigenen in schäbigen Hütten hausten, so zwangen die Kommunisten die Arbeiter für sie prächtige Regierungsgebäude zu bauen und zu finanzieren. Durch die totale Kontrolle der wirtschaftlichen Hebel, die von einem äußerst invasiven Polizeistaat in der UdSSR garantiert wurden, war die Bürokratie allmächtig. Und jede ihrer Handlungen war darauf ausgerichtet, ihre politischen Machtansprüche und ihre etablierten wirtschaftlichen Privilegien aufrechtzuerhalten.

Kaufmannsgesellschaften

1. Die Phönizier (ein semitisches Volk des Altertums) und die Griechen

Um das Jahr 1200 v. Chr. erlebten die Reiche der Bronzezeit (ägyptische, minoische, mykenische, hethitische und assyrische Reiche) eine Phase der Stagnation, die durch das fortschreitende Ersticken von produktiven und kaufmännischen Tätigkeiten verursacht wurde. Die Krise der Zentralmächte gab einigen kommerziellen Menschen im Nahen Osten Handlungsfreiheit, die vor allem aus dem modernen Libanon kamen und mit ihren Schiffen anfingen, im Seeverkehr Güter und Produkte aller Art zu befördern. Zum ersten Mal in der Geschichte hat sich im Mittelmeerraum ein ökonomisches System entwickelt, das auf einer integrierten Arbeitsteilung basiert, in der Märkte und Häfen bis hin zu etablierten Städten zu wachsen begannen. Der Handel wurde bald zum Motor der Innovation: Die Philister erfanden das Eisen, die Kanaaniter das Alphabet, die Phönizier entdeckten das Glas und verbesserten gleichzeitig Boote, Navigations- und Buchhaltungssysteme.

„In Wahrheit“, so schreibt Matt Ridley, „gab es je ein bewundernswerteres Volk als die Phönizier?" Diese alten Kaufleute verbanden nicht nur das gesamte Mittelmeer, sondern auch die zugänglichen Küsten des Atlantiks, das Rote Meer und die Überlandrouten Asiens, und doch hatten sie nie einen Kaiser und nahmen nie an einer denkwürdigen Schlacht teil. Um zu blühen, brauchten sich die phönizischen Städte nicht in einer einzigen politischen Einheit zusammenzuschließen und gingen daher nie über eine sehr bescheidene Föderation hinaus.

Selbst das griechische Wunder bestätigt die wichtige Lektion, die zuerst von David Hume formuliert wurde, dass die politische Zersplitterung, indem sie die Ausweitung der politischen Macht unterbricht, der wahre Verbündete des wirtschaftlichen Fortschritts ist. Darüber hinaus hat die Verbreitung von Ideen, die der zunehmende Handel ermöglichte, die grandiosen Entdeckungen der Zeit hervorgebracht. Die Lehre des griechischen Wunders lautet: Es ist immer der Kaufmann, der dem Philosophen die Tür öffnet, nicht umgekehrt, indem er die Stadt bereichert und sie durch den Außenhandel für neue Ideen öffnet. Leider starb diese Zeit der griechischen Erleuchtung aus, sobald neue Reiche auftauchten: zuerst die Athener, dann die Mazedonier und schließlich die Römer.

2. Die Gemeinden des mittelalterlichen Europa

Der Untergang des Römischen Reiches im Jahre 476 n. Chr. stellte das glücklichste Ereignis in der Geschichte des alten Kontinents dar. Dank der Umstände, die man als Wunder bezeichnen könnte, kehrte Europa nach den wiederholten Fehlschlägen Karls des Großen und der germanischen Kaiser nicht mehr zu einer geeinten politischen Einheit zurück. Der Mangel an politischer Einheit ermöglichte ein weitverbreitetes soziales Experiment, das zu einem kreativen Wettbewerb zwischen Tausenden unabhängigen politischen Einheiten führte, deren Nebenprodukt ein rasanter wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Fortschritt war. Die Schwäche der zentralen Autorität begünstigte die Städte, die im 11. Jahrhundert zu Führern einer politischen und kommerziellen Revolution wurden, die den institutionellen Rahmen Europas für die kommenden Jahrhunderte prägen sollte. In jahrhundertelangen Kämpfen entkamen die Bewohner der Städte der Herrschaft der Kaiser und Feudalherren und bauten die Gesellschaft durch Selbstverwaltung von unten nach oben wieder auf. Die Bewohner dieser Gemeinden orientierten sich an der Wirtschaft und nicht an der Politik, weil ihnen im Gegensatz zu den alten Städten eine große Masse an Sklaven fehlte, welche normalerweise das übliche Mittel zur Steigerung des Wohlstandes waren. Also sahen sie sich gezwungen, diese Ausbeutung von Sklaven aufzugeben und sich in der Produktion und im Handel zu betätigen. Das sorgte dafür, dass sich Europa und westliche Zivilisation mit der Zeit auf der Weltbühne als eine wohlhabende, freie und innovative Gesellschaft herauskristallisierte. Auf diese Weise erweiterte die mittelalterliche Mittelschicht die Marktwirtschaft über die Grenzen der feudalen Welt hinaus und schon um 1200 n. Chr. war Europa eine Region voller arbeitender Männer, Bauern, Unternehmer, Handwerker und Kaufleuten, die auf den vielen Märkten die Früchte ihrer eigenen Arbeit austauschten. Friedlicher Handel ersetze Unterdrückung und Barbarei. Dies war ein ganz anderes Szenario als in anderen Gebieten der Welt, wo die Massen weiterhin unterjocht wurden.

3. Drei moderne Fälle: Holland, England und die Vereinigten Staaten

Vergleichen wir zuerst das freien Holland mit dem bürokratischen Spanien der Neuzeit. Das 17. Jahrhundert bestätigt den unglaublichen Erfolg des kleinen Landes Holland und die katastrophale Ruine des spanischen Reiches, d.h. die Überlegenheit der Handelsgesellschaft gegenüber der bürokratischen. In Spanien hatte sich in diesen Jahren eine neue anti-bürgerliche Ideologie unter ihrer Elite entwickelt. Eine Ideologie, die mit großer Abscheu und Verachtung die Anhäufung von Reichtum durch wertsteigernde Arbeit sah. Man könnte von einer proto-sozialistischen Ideologie reden. Der spanische bürokratische Staat wurde in der Folge von Männern geleitet, die der Wirtschafts- und Geschäftswelt völlig fremd waren und das Land zu einer Wirtschaftspolitik zwangen, die sich als Katastrophe für Handel und Industrie entpuppte.

In Holland waren die Dinge damals anders. Laissez-faire war eine voll legitimierte Praxis, und der Erfolg, den Holland durch die Einführung des Freihandels erlangte, löste in ganz Europa Bewunderung, Erstaunen und Neid aus. Die Niederländer waren 1670 mit Abstand die größten Akteure im internationalen Handel, so dass ihre Handelsmarine größer und mächtiger war als die von Frankreich, Schottland, Deutschland, Spanien und Portugal zusammen. Holland im 17. Jahrhundert war ein Laboratorium, in dem man eine kapitalistische und marktwirtschaftliche Gesellschaft in einer reinen Form beobachten und studieren konnte. Ihr Beispiel sendete ein klares Signal an den Rest der Welt: Die niederländische Realität zu ignorieren bedeutete, sich selbst zur weiteren Stagnation zu verurteilen.

Die Engländer waren die ersten, die begriffen, wie eng der Wohlstand Hollands mit der Freiheit verbunden war, die Einzelpersonen und Wirtschaftsakteure dort genossen, und sie begannen, durch Nachahmung der Niederländer, die Grundlage ihrer Weltherrschaft zu errichten. Im 19. Jahrhundert beschloss England einseitig eine Reihe von Maßnahmen, die ihre Häfen für den Rest der Welt öffneten, und ein solch drastischer und beispielloser Schritt provozierte eine Senkung der Zolltarife in allen wichtigen Ländern über einen Wettbewerbsprozess. Schließlich konnte die Menschheit die Entstehung einer freien und authentischen international funktionierenden Marktwirtschaft erleben: Handel im weltweiten Maßstab. Jedes Land, das an dieser internationalen Arbeitsteilung teilnahm, profitierte davon, und das zeigt sich daran, dass die Weltwirtschaft in diesem Zeitraum um das 3-fache gewachsen ist. Aber in den beiden marktwirtschaftlichsten Ländern, nämlich England und den Vereinigten Staaten, übertraf das Wirtschaftswachstum das der übrigen Welt um ein Vielfaches: Von 1820 bis 1913 wuchs das englische Bruttoinlandsprodukt um das 6-fache, das amerikanische um das 41-fache. In den USA lebte nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung, aber trotzdem erzeugten die Menschen dort über die Hälfte des Gesamtwohlstandes der Welt. Die einfachen Menschen wurden stetig wohlhabender.

Ausschlaggebend für den Erfolg Englands und den jungen Vereinigten Staaten war laut dem Wirtschaftshistoriker Deirdre McCloskey das Durchsetzen einer bürgerlichen Mentalität, die den einfachen Mann lobte und ehrte, der sein Glück durch Arbeit, Engagement, Kreativität und Einfallsreichtum schuf. Vom Tellerwäscher zu Millionär: Die Idee für sein eigenes Schicksal verantwortlich zu sein. Anstatt den Wohlstand anderer Menschen zu verabscheuen, schätzte man harte Arbeit und Erfolg. Nichts symbolisiert den kulturellen Sieg der produktiven Gesellschaftsschichten besser als die 1825 in der Westminster Abtei zu Ehren von James Watt, dem Erfinder der Dampfmaschine, aufgestellte Statue.

Für eine liberale Geschichtsschreibung

Man kann also sehen, dass die großen intellektuellen und materiellen Schöpfungen, die die menschliche Zivilisation im Laufe der Jahrhunderte befördert haben, nicht das Produkt von Bürokraten, sondern von Produzenten, Händlern und Unternehmern waren, von denen einige verschleiert, ausgebeutet, misshandelt und andere einfach vergessen wurden. Die Protagonisten der menschlichen Entwicklung sind nicht die Kaiser, Könige, Präsidenten, Minister oder Generäle, die am häufigsten in unseren herkömmlichen Geschichtsbüchern erscheinen, sondern die Bauern, Handwerker, Unternehmer und Kaufleute, die die vielen Künste, Techniken und Berufe verbessert haben. Die Mutigsten unter ihnen haben die Freiheit und die Zivilisation verteidigt, indem sie sich weigerten, von den Mächten ihrer Zeit unterworfen zu werden.

Der rote Faden in der Menschheitsgeschichte ist der endlose Konflikt zwischen Steuerzahlern und Steuerkonsumenten, der uns zu folgendem Schluss bringt: Liberale Gelehrte sollten geschichtliche Ereignisse durch die Linsen jener Männer erzählen, die die Ideen der Freiheit und nicht die der Macht vertraten. Die Zivilisation, sollte man bedenken, ist von jenen Männern erbaut worden, die der Macht widerstanden haben, nicht von denen, die sie ausgeübt haben.

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Sehr guter Artikel! Nur zur Neolithische Revolution gibt es mittlerweile alternative Erklärungsansätze. Wesentliche Triebfedern für den Schritt in die Seßhaftigkeit sind Spiritualität + Alkohol. Siehe hier auch beispielsweise die These von Josef Reichholf „Am Anfang war das Bier". Inhalt der These ist, dass der Ursprung von Ackerbau und Sesshaftwerdung des Menschen zunächst die Lagerhaltung und Verarbeitung von berauschenden Nahrungsmitteln gewesen sei. Im Osten beginne mit dem Mohn die „Opiumzone“, am Indischen Ozean sind es entsprechend Betelnuss und Khat, in Mittelamerika ist es der Peyote-Kaktus und in Südamerika der Koka-Strauch. Im Mittleren Osten sei die Bierbrauerei auf Basis des Gerstenanbaus lange vor der Erfindung der Brotbäckerei eine wesentliche Triebkraft gewesen. Bier als Nahrungsmittel war im Gegensatz zu Getreide lagerfähig und man konnte berauschende gemeinschaftliche Feste feiern. Die Aufbewahrung von Bier wie auch der Getreidevorräte und die dazu benötigten Tontöpfe und -fässer hätten die Mobilität der Jäger und Sammler verringert. Reichholf widerspricht der gängigen These, dass die Sesshaftwerdung des Menschen mit einer Verknappung von jagdbarem Wild einhergegangen war.
Nicht nur Reichholf, sondern auch andere Wissenschaftler vertreten diese Ansicht. Hier tritt gerade ein Umdenken ein.

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