Man kann Angst nur durch Wiederholungen verdünnen, auch so weit, bis sie keine Rolle mehr spielt im Seelenfrieden. Am besten, man beginnt damit sofort nach dem Angstmoment, sobald man sich beruhigt hat.
Das hier ist der einfachste Zugang zum schönsten Riff hier in der Gegend. Es ist zwar ein langweiliger 4km Fußmarsch auf der Nationalstraße bis hierher, aber besser geht es nicht. Es gibt einen sandigen, felsenfreien Zugang durch die gesamte Breite des Lavagesteins bis hin zum offenen Meer.
Von hier kann man entweder nach rechts schnorcheln, um den Privatpier und die Ecke dahinter herum zum Sandstrand, wo ich meist schwimme.
Oder, wenn der Wind und die Wellen von da kommen, schwimmt man nach links übers Riff bis zu einer weiteren sandigen Stelle, wo man ohne Abschürfungen oder Zehenbrüchen wieder an Land kann. Das Riff ist so flach abfallend und die Felsbrocken so scharfkantig, dass man wirklich nicht drüber klettern kann, nicht mal mit Stiefel, die ich ja beim Schnorcheln anhabe.
Also, wenn man einmal draußen ist, muss man entweder ca 1.5 km nach rechts oder einen Kilometer nach links... oder man muss zurück an den Einstieg, um aus dem Wasser zu kommen.
Das letzte Mal, als ich hier Schnorcheln war,ist schon wieder fast 3 Monate her. Danach kam der Umzug, die Regenzeit, wo es keinen Spaß macht, weil das Wasser zu trüb ist und meine temporäre Faulheit, die langweiligen 4km zu laufen.
Ich bin damals bei Flut nach rechts um die Ecke geschwommen, das Wasser war klar und schön kühl, ein traumhafter Tag zur Mittagszeit unter wolkenlosen Himmel über einem intaktem Riff voller Leben.
Direkt an der Ecke sah ich zum ersten Mal hier einen "Babyhai", vielleicht einen halben Meter lang, wie er am Grund einem Nemo hinterher war, vielleicht nur 5 Meter unter mir. Und weil Clownfische höchst ungern ihre Anemone verlassen, Nemo also nur Haken schlug und wieder zurückschwamm, Babyhai immer hinter ihm her, brauchte ich mich nicht mal bewegen, nur die Strömung und die Wellen ausgleichen, ich lag also nur auf dem Wasser. Das mag vielleicht 10 Minuten so gegangen sein, wo ich rätselte, welche Haiart der "Babyhai" denn sei. Es sah aus wie ein Bambushai, aber sicher bin ich nicht.
Wie auch immer, irgendwann, drehte ich mich mal um und sah einen ausgewachsenen Hai direkt hinter mir liegende Achten ziehen, mich beobachtend.
Keine 20 Meter hinter mir, größer als ein ausgewachsener Schwarzspitzenhai und ohne schwarze Rückenflosse.
Panik!
Ich war ca 150 Meter entfernt von der nächsten Stelle, wo das Wasser weniger als 1 Meter Tiefe hat und raus konnte ich an diesem Abschnitt nicht.
Noch mehr Panik!
Nun muss ich hier dazusagen, dass es längst nicht meine erste Begnung mit Haien ist, aber die erste als Schnorchler. In meiner Zeit als Tauchlehrer auf Phuket hieß es:
"Ein Hai? Lass schnell hinschwimmen und gucken"
Wir sind sogar ab und an morgens um 5 losgefahren, um die ersten in einer Unterwasserhöhle bei der Maja-beach zu sein, wo Blacktips sehr oft schliefen und rein in die Höhle, um Haie und Langusten zu gucken (Video). Übrigens das Dümmste, was ich als Tauchlehrer gemacht habe.
Aber als Taucher hat man einen entscheidenden Vorteil beim Haigucken. Man muss sich nicht bewegen und man muss nicht auftauchen, um Luft zu holen. Als Schwimmer muss man beides und verliert dabei den Sichtkontakt, die Kontrolle.
So passierte es auch, ich musste mal mit dem Kopf aus dem Wasser, um mich zu orientieren und als ich wieder gucken konnte, war er weg.
Nun bin ich ziemlich sicher, das es kein gefährlicher Hai war. Für einen Tigerhai war er zu klein, nur etwa 2Meter, für einen jungen Tigerhai fehlten die Strefen. Und für alles andere, was hier rumschwimmt, Schwarzspitzen-, Weißspitzen-, Silberspitzen-, Seiden- und Ammenhai hat die Farbe oder Form nicht gepasst. Es war fast mit Sicherheit nur ein neugieriger Grauhai, der sich mal angucken wollte, was in seinem Revier da Seltsames rumpaddelt.
Ich bin der einzige Mensch hier, der Schwimmen oder Schnorcheln geht, habe zumindest noch nie in meiner Zeit hier jemanden gesehen, der hier schnorchelt, schon gar nicht so weit draußen.
Wenn der Strand überfüllt ist in der Hochsaison im April und Mai, dann sieht der so aus. Weiter als Brusttiefe geht hier kein Filipino ins Wasser und Ausländer gibt es nicht.
Aber in den meisten Monaten sieht es an allen Stränden hier so aus.
Auch ein Grund, warum es mir hier so gut gefällt. Ein Touristenparadies ohne Touristen.
Zurück zur Panik
All das Obige über Haiarten und ihr Verhalten sind Überlegungen, die man macht, wenn man Zeit und Muße hat, die man als erfahrener Taucher gerne Neulingen erzählt, die aber keinem Platz im Kopf haben, wenn man entdeckt, dass man von einem 2 Meter Hai beobachtet wird und eigentlich nicht aus dem Wasser kann.
Ich habe versucht ruhig zu bleiben, im Wasser zu "stehen", konnte aber nicht aus meinem Kopf kriegen, dass ich ja meine Arme und Flossen bewegen muss.
Also Rückzug!
Ich bin dann an dieser Stelle aus dem Wasser, zuerst rückwärts schwimmend, dann über die Felsbrocken, mit Abschürfungen an Unterarmen und Waden. Zum Glück hat mich "erfahrener Taucher" dabei niemand gesehen. Das war kein überlegter Rückzug.
Dann kam die Regenzeit, abheilen musste es auch erstmal und so dauerte es bis vorgestern, bis ich wieder hier Schnorcheln war. Alles so wie immer, aber ich habe gemerkt, ich bin nicht so entspannt wie sonst. Jeder Schatten am Rand der Sichtbarkeitsgrenze versetzte mich etwas in Alarmstimmung. Es war keine fast Meditation wie sonst und ich war froh, als ich an Land war.
Gestern bin deshalb wieder a meinem "Hausstrand" schnorcheln gewesen. Hier war ich sicherlich mehr als 100 Mal bisher, auch viel weiter draußen, da der flache Bereich, bis 10 Meter Tiefe, fast 1 Kilometer breit ist. Hier ist der Grund zwar langweilig sandig mit einzelnen korallenbewachsenen Felsen und Seegraswiesen samt Schildkröten, aber auch sehr vertraut. Ich kenne hier mittlerweile jeden größeren Felsen, weiß welche Fischarten dort leben, welche Korallen, wo der nächste ist, wann die Schildkröten unterwegs sind, wo die Stachelrochen schlafen. Es ist wie ein Spaziergang über die Wiese hintern eigenen Haus, langweilig aber entspannend.
Und das wars dann zum Glück auch.
Aber um meinen Seelenfrieden wiederzuerlangen, muss ich wohl in den nächsten Wochen, sofort es die Wellen und die Strömung zulassen, um diese Ecke schnorcheln. Heute am Sonntag geht es nicht, an jenem Strand sind viele kleine Resorts und sonntags schallt das Karaoke über die gesamte Bucht. Das ist wirklich zu nervig beim Schnorcheln.
Aber Morgen hoffentlich.
Noch wichtiger als mein momentaner Seelenfrieden ist für mich Gewicht zu verlieren, denn zurzeit passe ich weder ich mein Taucheranzug oder in mein Tauchjacket, ich kann also gar nicht tauchen gehen, um den Haien wieder hinterher zu schwimmen.
Danke für Lesen, ich freue mich auf jede Reaktion von euch, außer Downvotes.
Habt einen schönen Sonntag.