Heute schreibe ich meine ganz persönliche Bildungsgeschichte nieder und hoffe, dass ihr diese mit Eurem Bildungsweg vergleicht und in den Kommentaren von euren Erfahrungen berichten werdet. Mit meiner Wochenserie zum Thema Behindert! möchte ich zum Dialog einladen und gleichzeitig Einblick in ein Feld geben, das, wie mir immer mehr bewusst wird, für viele unsichtbar ist. Ich freue mich auf den Austausch.
Zum Verständnis: Ich bin hier in Deutschland erst mit acht Jahren eingeschult worden, weil ich erst als 7 jährige nach Deutschland kam und zunächst einige Zeit in der Klinik verbrachte. Meine Diagnose habe ich erst in Deutschland bekommen. Über meine Zeit vor der Einschulung werde ich ein anderes Mal schreiben.
Schule für Köper- und Geistigbehinderte
Meine erste Schule in Deutschland war eine Schule für Köper- und Geistigbehinderte. (In den 90gern sprach man noch nicht von Menschen mit Behinderung. ) Zu meinem großen Glück fanden meine Lehrer, dass ich auf einer Regelschule, also auf einer Schule, wo nicht behinderte Kinder lernen, besser aufgehoben bin. Diese Lehrer haben den Kontakt zu einer Schule bei mir im Ort hergestellt und dafür gesorgt, dass ich in einer normalen Grundschule eingeschult wurde. Der Schulstoff machte mir keine Probleme. Die Ausflüge waren da schon ein anderes Thema. Da war ich nie dabei. Ich hatte den Tag einfach schulfrei und verdiente mir meist noch einen schönen Stempel, wenn ich über meinen freien Tag eine Geschichte schrieb. - Meine Klassenlehrerin wollte mich einfach nicht mitnehmen. Es war ihr zu viel Aufwand.
Tatjana - Dienst im Gymnasium
Nach der Grundschule kam ich auf ein Gymnasium. Dort war ich sogar bei einer Klassenfahrt dabei. Bei den Ausflügen wurde ich immer noch ausgeklammert, aber das war für mich normal. Ich dachte da garnicht drüber nach. Was mir richtig zu schaffen machte, war meine Stellung in der Klasse. Meine Klassenlehrer haben es sich leicht gemacht und einfach einen Tatjana Dienst eingeführt. Ich bin damals noch mit einem Rollator gelaufen und konnte die Türen nicht alleine öffnen. Meine Lehrer teilten dazu praktischer Weise meine Mitschüler ein und trugen sie für diesen Dienst ins Klassenbuch ein. - Viele Freunde hatte ich in dieser Klasse nicht, eigentlich keine.
Endlich überall dabei sein!
Zum Glück änderte sich alles, als meine Familie umziehen musste. Ich sagte meinen Eltern, dass ich nicht wieder auf ein Gymnasium will und kam auf eine Gesamtschule. Dort war ich dann von der 8ten bis zur 13ten Klasse und zwar fast schon von morgens bis abends. Hier wurde ich nicht darüber unterrichtet, dass ich nicht zur Schule kommen muss, wenn alle wegfahren. Man sagte mir einfach nur, welche Fahrten anstehen! Ich war überall dabei! Bei jeder AG auf jedem Sommerfest und jedem Austausch. Ich war in England, in Frankreich und in der 12 Klasse sogar in Afrika. - Die Zeit in der Gesamtschule hat mich wirklich wachsen lassen.
Warum bin ich die Einzige?
Am Ende meiner Schullaufbahn stand ich da, mit einer Menge wunderbarer Erinnerungen und einem Abi. Da fragte ich mich: Warum bin ich eigentlich die Einzige, die ich kenne, die eine Behinderung hat? Es muss doch mehr Kinder geben, die auch eine normale Schule besuchen können? - Tatsächlich kannte ich auf dem Gymnasium ein Mädchen, die auch eine körperliche Behinderung hatte, eine Stufe unter mir, aber mit der hatte ich nie wirklich Kontakt und in meinem Freundeskreis waren keine Behinderten.
Auch heute geht die Inklusionsdebatte sehr schleppend voran. Kinder mit Behinderung sind jetzt auf Föderschulen, nicht mehr auf Sonderschulen, aber noch immer separat. Noch immer haben Lehrer an Regelschulen keine Idee, dass sie auch Kinder mit Behinderung mitnehmen können, wenn die Klasse einen Ausflug macht. Ich denke, wir verbauen uns hier sehr viel Potential. Deshalb muss Bildung barrierefrei sein.
Ich würde gerne von Euch wissen, was ihr dazu denkt. Hattet ihr vielleicht einen Mitschüler, der eine Behinderung hatte?
Hello my friend
Happy day ... @sumsum
Das ist ein sehr schöner und berührender Artikel liebe @sumsum. Glasklarer Resteem :-)
ganz herzlichen Dank!
Sehr gerne :-)
Sehr schöner Artikel! Das macht mich jetzt ein bisschen traurig (bin da immer so ein bisschen anfällig für sowas), aber es ist gut, das ganze aus deiner Sicht zu erfahren! Wusste das gar nicht mit dir... Ich bin da ganz deiner Meinung, dass jedem Menschen eine Chance gegeben werden sollte, an einem normalen Leben teilzuhaben.
Viele Menschen sehen Behinderte immer als etwas fremdes wie einen Außerirdischen, da sie nie gelernt haben, wie man damit umgehen soll und nicht wissen, dass sie in den meisten Fällen ganz normale Menschen sind.
Mir selbst viel es früher auch immer schwer, mit Behinderten in Kontakt zu treten, genau aus dem genannten Grund, aber zum Glück habe ich erkannt, wie die Realität wirklich aussieht. Eine Bekannte von mir arbeitet bei Vorwerk mit geistig Behinderten zusammen und es ist immer erstaunlich zu erfahren, was für nette Menschen das doch sind und wie wenig man in Wahrheit von dem ganzen Thema verstanden hat.
Wir selbst sind gefragt, damit sich das ändert und wir endlich alle Menschen gleich behandeln. Gute und sehr wichtige Message!
Resteeming ;) Peace ~
Du hast völlig recht, Behinderte werden oft als Fremde gesehen. Aus meiner Sicht passiert das, weil sie von Anfang an ausgeschlossen werden. Eigentlich sollen die Förderschulen helfen, die Kinder sollen eine gute Förderung erhalten. Aber das Gegenteil wird erreicht. Behinderte werden nicht gefördert, nicht im Sinne von Ermutigung, sondern sie werden eher eingegliedert in ein Hilfesystem. Ein Hilfesystem, was sie am Leben hält, aber vom Rest abkapselt. Einfach, weil man ihnen von Anfang an nicht viel zutraut. Am Ende trauen sie sich dann selbst kaum etwas zu. Aber ich hoffe, das entwickelt sich gerade zum Positiven.
Ja das stimmt. Wenn Junge Menschen sehen, dass es der normale Weg ist, Behinderte auszuschließen, werden sie vermutlich ihre Meinung so schnell auch nicht von selbst ändern. Man bekommt das dadurch indirekt beigebracht irgendwie.
Sowieso wird das Wort "behindert" ja oft mit etwas anderem in Verbindung gebracht, als es tatsächlich bedeutet. Viele denken dabei an "dumm", ohne sich die Frage zu stellen, ob sie nicht vielleicht selbst der Dumme sind. Und in meinen Augen sind wir alle auf die eine oder andere Art behindert. Also ich auf jeden Fall... ^^
Ich hatte als Kind einen Sprachfehler und konnte einige Wörter nicht aussprechen. Ein bisschen lispel ich noch heute, aber ich habe gelernt damit umzugehen. Und psychisch sind mit Sicherheit ganz viele Leute behindert in der Welt, ohne dass sie es jemals so genannt haben.
Das wichtigste ist, dass man sich nicht unterkriegen lässt und die Freude am Leben nicht verliert. Du bist das beste Beispiel für jemanden, der es genau richtig macht. Ich meine, du strahlst mit deinem Lächeln ja deutlich heller als viele nicht behinderte in diesem Land ;)
Danke für das liebe Kompliment. Ich bin auch froh, dass ich ein positiver Mensch bin. :)
Hey Tatjana.
Ich will nicht sagen das es eine schöne Geschichte ist, aber sie hat zumindest ein gutes Ende genommen. Freu mich für dich das du dich durch diese nicht so schönen Erlebnisse und Nachteile nicht hängen hast lassen und so ein gut gelaunter lebensfroher Mensch bist!
Ich kenne ein paar Leute mit Behinderungen, egal ob geistig oder körperlich und die meisten sind nicht gerade glückliche Menschen. In meinem früheren Umfeld gab es darunter hauptsächlich Suchtkranke (Alkoholiker oder schlimmeres). Wahrscheinlich um ihre Behinderung zu kompensieren. Ich kann das gut verstehen aber finde es trotzdem sehr schade.
Ich denke, die Probleme, im Umgang mit Menschen mit Behinderungen, fangen bei der Erziehung der Eltern an, von jenen Kindern, die keine körperlichen Nachteile haben. Kinder können so gemein sein. Hast du ja selbst in der Schule erlebt. Ich finde das schade, aber so scheint die Welt zu sein. Ignorant gegenüber .. so gut wie allem. Ist aber natürlich auch eine Ansichtssache. Es gibt auch Menschen, die ein Herz für alles und jeden haben. Aber leider viel zu wenige. Zum Thema Bildungssystem will ich allgemein nicht viel dazu sagen, da es eine Frechheit ist, das überhaupt Bildung zu nennen. Die Lehrer sind total "überfordert" mit Kindern. Und so gibt es weniger Bildung an sich, und mehr Ausbildung! Aber alles Ansichtssache, denk ich.. Man kann es so oder so sehen.
Herzlichen Dank für deinen Kommentar! - Ich denke das Problem ist nicht das der Eltern. Es ist ein Strukturelles Problem. Behinderte sind von beginn an ausgegliedert. Man sieht sie kaum im Alltag. Das führt selbstverständlich dazu, dass sie zu Fremden werden. Sie fühlen sich dann auch häufig fremd und falsch. Vielleicht führt das auch dann häufig zu Suchkrankheiten und Depressionen. Wir haben noch einen sehr langen weg vor uns, wenn wir Inklusion wirklich erst meinen.
Wenn Kinder in der Schule andere Kinder mit Nachteilen diskriminieren, dann ist es sehr wohl Schuld der Eltern , meiner Meinung nach..
Das stimmt, Eltern spielen natürlich auch eine Rolle. Nur sind diese Eltern auch nur Teil des Systems.
Wir sind alle Teil des Systems. Ich hab einen Sinn für das Gute und Schlechte. Ich bin ein Virus in deren System. Von demher liegt es an jeden einzelnen und nicht am System, meiner Meinung nach!
Wünsche dir noch einen schönen Tag :)
Sehr interessanter Post, danke!! :)
Bitte. Danke fürs Lesen. So langsam komme ich dahinter, das es wichtig ist solche Geschichten zu teilen. :)
Es ist sehr bereichernd so etwas mal aus deiner Sicht zu sehen. Ich denke das es sehr viele, die nicht direkt davon betroffen sind, einfach gar nicht wirklich war nehmen bzw realisieren.
Deswegen danke das du es mit uns geteilt hast. Daumen hoch!
ich folge dir. + Resteem!
Danke, dafür dass du dich auf dieses Thema einlässt und mit mir auf Reisen gehst.