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in Deutsch D-A-CH8 days ago (edited)
Authored by @BeeSmart

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Am 03. April 2025 besuchten wir, eine Gruppe von etwa 20 Personen unserer Firma, die Geothermie-Bohrbaustelle in der Aspern Seestadt Wien. Zu sehen war der 50 Meter hohe Bohrturm, der aktuell die dritte von insgesamt drei geplanten Bohrungen durchführt – eine Pilotbohrung zur Erkundung, eine Förderbohrung und eine Injektionsbohrung. Diese Bohrungen reichen bis zu 3.400 Meter in die Tiefe, um das heiße Formationswasser des Aderklaaer Konglomerats, eines natürlichen Heißwasservorkommens unter Wien, zu erschließen.

Während einer informativen Führung wurden uns die Hintergründe des Projekts erläutert: Das Joint Venture „deeep“ von Wien Energie (Einer unserer Kunden) und OMV nutzt dieses Thermalwasser, das Temperaturen von über 100 Grad Celsius erreicht, um klimaneutrale Fernwärme zu erzeugen. Übrigens, das Wasser ist sehr salzhaltig und für nicht anderes als zum Wärmetausch geeignet. Die Anlage in Aspern soll ab 2028 bis zu 20 Megawatt Leistung liefern und etwa 20.000 Wiener Haushalte versorgen, wobei das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf zurückgeführt wird.

Langfristig streben die Partner an, mit bis zu sieben Anlagen eine Gesamtleistung von 200 Megawatt zu erreichen, um 200.000 Haushalte zu versorgen und bis 2040 einen wesentlichen Beitrag zur klimaneutralen Fernwärme in Wien zu leisten.

Auch die Perspektiven des Projekts wurden besprochen: Nach Abschluss der Bohrungen im Sommer 2025 folgen Fördertests, um Temperatur, Förderrate und chemische Zusammensetzung des Wassers zu überprüfen. Ab 2026 soll dann die oberirdische Anlage gebaut werden. Wer also noch nie eine solche Bohrung gesehen hat, dem empfehle ich, die Zeit bis zum Sommer 2025 zu nutzen und sich das anzuschauen. Besonders beeindruckend war die Betonung der Nachhaltigkeit - die Anlage soll jährlich bis zu 54.000 Tonnen CO₂ einsparen. Natürlich musste das mit der CO₂-Einsparung betont werden. Aber von allen anderen alternativen Energiegewinnungen halte ich die Geothermie derzeit für die beste, weil sie keine Speicher benötigt und grundlastfähig ist, also unabhängig vom Wetter. Und man geht von einer Nutzungsdauer von 100 Jahren aus. Na, das ist doch mal ein Wort.

Ein Infocenter vor Ort, direkt an der Seestadtstraße 17, bietet zudem Interessierten die Möglichkeit, den Fortschritt live zu verfolgen. Der Besuch verdeutlichte, wie Tiefengeothermie als regionale, erneuerbare Energiequelle Wien unabhängiger von fossilen Brennstoffen macht sondern auch unabhängiger von dritten Parteien ob diese in Russland, Nahen Osten oder USA sitzen.

Hier noch ein paar Bilder:

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Das rote ist das Aderklaaer Konglomerats unterhalb Wiens und die zwei kaum sichtbaren Verbindungen zu Plexiglasplatte stellen die Bohrlöcher dar.

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Flexible Bohrstangen

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Bohrstangen

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Interessant! Aber ist das auch rentabel im Vergleich zu herkömmlichen Heizquellen? Das heiße Wasser aus 3km Tiefe hochzupumpen wird auch nicht wenig Strom brauchen und die initialen Anschaffungskosten sind x-fach größer als die einer Gasheizung.

Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust, aber eine absolut berechtigte Frage, die ich übrigens auch dort gestellt habe, bei 90 Mio. € Anschaffungskosten.

  • Man muss nicht mehr 3 km hochpumpen, sondern nur noch ca. 120 m. Auf diese Höhe wird das heiße Wasser aus dem Aderklaaer Konglomerat gepresst.

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  • Der Standort Aspern Seestadt wurde nicht umsonst gewählt. Dieser ganz auf Effizienz getrimmte Stadtteil verfügt bereits über eine ideale Fernwärmeinfrastruktur, um direkt an die heiße Quelle angeschlossen zu werden. Und die wirklich großen Kosten sind immer die Rohrleitungen für die Fernwärme.

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  • Die Laufzeit von 100 Jahren nivelliert die Kosten erheblich
  • Damit kommen wir zu dem Faktor, der am schwierigsten einzuschätzen ist - ob es sich lohnt hängt von der Entwicklung der Energiepreise an sich ab. Wenn die Preise wieder sinken, weil man z.B. wieder billiges Gas aus Russland bekommt oder auf Atomkraft setzt, dann rechnet es sich wahrscheinlich nicht, wenn die Preise gleich bleiben oder sogar steigen, dann rechnet es sich auf jeden Fall.

Für mich wäre ein weiterer wichtiger Punkt - Unabhängigkeit & Resilienz - wie kann man das messen? Gute Frage - Freiheit und Unabhängigkeit gibt es nie umsonst - damit ist man weniger abhängig und erpressbar.

Und mein zweites Herz, das man in dem Bericht schlagen hört: Als Technikfreak einfach - rrroooowww - mehr Power. Es ist schon beeindruckend. Eine Geothermieanlage hat mir in meiner Besuchssammlung noch gefehlt, bisher habe ich Kohle- und Gaskraftwerke besucht, Pumpspeicherkraftwerke, Atomkraftwerke, war bei Windkraftanlagen und riesigen Solaranlagen, aber eine Geothermieanlage hat mir noch gefehlt. Und wichtig in diesem Zusammenhang, die Anlage ist eine hydrothermale Anlage und keine petrochemische Anlage - also kein Fracking und kein Einbringen von irgendwelchen Chemikalien oder Stoffen, die Gesteinsschichten sprengen.

Ich hoffe das beantwortet ein wenig deine Frage - ansonsten - musst du dir das selber anschauen - macht auf jeden Fall Spaß.

Danke für die ausführliche Antwort.
Mir ist das ganze Projekt Seestadt zu "ideologisch", zu autofeindlich, zu sozialistisch. Da wird von oben herab vorgedacht für die Einwohner, wie sie unterwegs sind, wie sie heizen, wie sie einkaufen sollen. Da ist mir zuwenig individuelle Freiheit dabei. Aber wer dort gerne hinziehen will und sich komplett abhängig machen will von der Stadt Wien und seinen Planern wird vielleicht glücklich damit werden.

Jedenfalls haben die hohen Anschaffungskosten alle Steuerzahler gezahlt, aber demnächst sind ja hier Wahlen, vielleicht passiert ein Wunder und die Roten werden abgewählt...

Zum Thema Freiheit kann ich voll mitgehen. Mir ist Unabhängigkeit auch extrem wichtig. 15 Minuten Städte lassen grüßen. Aber technisch ist es trotzdem interessant.

Und zu Wahlen - bewirken die noch irgend etwas? Die Hoffnung stirbt wie immer. ..😁