Wir erleben gerade eine tiefgreifende Energiekrise, die größtenteils auf massive politische Fehlsteuerungen zurückzuführen ist. Die Ursache sehe ich dabei nicht im Ukrainekrieg oder der deutschen Abhängigkeit von russischem Gas, und auch nicht in der Energiewende an sich oder dem Atomausstieg.
Für mich ist es vielmehr eine Ballung von Inkompetenz und Ideologie auf vielen Ebenen des öffentlichen Lebens, mit dem viele interessante und machbare Lösungen entweder verworfen werden, oder aber sie kommen erst gar nicht auf, weil kaum jemand mehr über den Tellerrand der eigenen Interessen blicken kann oder will.
Aber ich will nicht nur meckern, sondern möchte meine Kritik im folgenden in einen konstruktiven Vorschlag packen, der aufzeigen soll, dass es nicht nur anders ginge, sondern die Problemlösung bereits auf dem Tisch liegt und man es nur machen müsste – oder eher machen wollen müsste.
Dreckschleuder Binnenschifffahrt
Als die Debatte um Feinstaubbelastung hochgekocht wurde, weil wir keine anderen Probleme hatten, meldeten sich einige zweifelnde Stimmen zu Wort, die meinten, dass der verhasste PKW und LKW Verkehr nur einen kleinen Anteil am Feinstaub in unseren Städten hat. Sie verwiesen auf allerlei andere Quellen, die rein gar nichts, oder nur sehr bedingt mit den Autoabgasen zu tun haben.
Immer wieder wurden Binnenschiffe als eine Hauptquellen für den Feinstaub genannt. Für sie gelten weit weniger strenge Emissionsrichtlinien als etwa für LKW, obwohl sie einen sehr hohen Ausstoß haben. Die Kritiker wurden schnell in die übliche Ecke verwiesen und ignoriert, denn im Vergleich zu den 40 Mio PKW sind in Deutschland nicht einmal 2.000 Binnenfrachtschiffe registriert. Es gibt sie kaum, man sieht sie selten und daher können sie wohl kaum ein Emissionstreiber sein.
Wie wenig das stimmt, wird deutlich, wenn man sich deren Frachtkapazitäten anschaut. Die Europaschiffklasse beispielsweise hat eine Tragfähigkeit von 1.350 Tonnen und kann fast alle deutschen Wasserstraßen befahren. Eines dieser Schiffe hat damit die Kapazität von bis zu 50 großen LKW.
Die Binnenschifffahrt steht viel zu sehr im Abseits der Aufmerksamkeit und wenn sie doch einmal erwähnt wird, dann als „klimaschonend“, da mit einem Schiff sehr viel transportiert werden kann. Dies ist durchaus korrekt, der Verbrauch pro Transportmenge erheblich kleiner als bei LKW. Was dabei aber unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass ein Binnenschiff alleine schon aufgrund der großen Transportkapazität erhebliche Mengen an Abgasen emittieren, auch wenn sie auf die Transportmenge gerechnet erheblich vorteilhafter als LKW sind, wie die folgende Grafik zeigt.
Binnenschiffe elektrifizieren leicht gemacht
Für elektrische PKW gibt es hohe finanzielle Förderungen und für LKW entstehen Stromautobahnen. Über Schiffe habe ich bislang noch nichts derartiges gehört, dabei wäre deren Elektrifizierung erheblich einfacher und günstiger zu haben, als für die anderen Verkehrsmittel. Erstens gibt es erheblich weniger Binnenschiffe als LKW (ca 2 Mio) und noch weniger als PKW (ca 40 Mio), was die Zahl der Umrüstungen reduziert. Zudem gibt es zweitens erheblich weniger Wasserstraßen in Deutschland als Autobahnen (7.500km vergichen mit 13.000km)
Wollte man sämtliche Wasserstraßen elektrifizieren, dann würde es die Hälfte kosten und man wäre doppelt so schnell fertig damit. Gleichzeitig müsste nur ein Tausendstel der Transportfahrzeuge einer Umrüstung unterzogen werden. Wenn das keine guten Argumente sind, was dann? Weiterhin müssten nicht alle Wasserstraßen mit Oberleitungen versehen werden, sondern man könnte sich auf die meistbefahrenen Strecken beschränken, oder Flussweise vorgehen, da die meisten Binnenschiffe eine feste Route haben.
Die Elektrifizierung der Weser kostet 3 Milliarden Euro
Auch kostenseitig wäre eine Umrüstung der Flüsse eine relativ überschaubare Aufgabe. Alle Flüsse und Kanäle müssten beidseitig mit Hochspannungsmasten versehen werden. Diese werden dann über den Fluss mit einem Stahlseil verbunden, das als Träger für die längs der Strecke verlaufenden Stromkabel fungieren würde. Ein Kilometer Hochspannungsleitung kostet bis zu 1,5 Mio Euro. Diese Summe müsste mit drei multipliziert werden für jeweils beide Flussseiten und dann noch die über dem Fluss laufenden Stromkabel.
Inklusive unverbaubarer Stellen, an denen die Stromtrasse einen Umweg über Land machen muss, wären dies realistische Kilometerkosten von unter 6 Mio Euro. Brücken und andere Hindernisse über dem Wasser müssen dabei nicht berücksichtigt werden, da die Schiffe weiterhin ihre Dieselmotoren haben, so dass eine durchgängige Trasse über dem Wassern nicht notwendig ist. Wollte man beispielsweise die auf 452km befahrbare Weser komplett elektrifizieren, dann würde dies in etwa 2,7 Mrd Euro kosten.
Neben den Kosten für die Trasse, kommen noch die Kosten für die Umrüstung der Schiffe hinzu. Diese müssen mit einem Elektromotor und einem Stromabnehmer analog zu E-Loks ausgestattet werden. Eine Batterie ist nicht notwendig, da der Strom direkt aus der Leitung kommt. Mit vielleicht 600 infrage kommenden Binnenschiffen auf der Weser, deren Umrüstung einmalig 500.000 Euro kostet, kämen insgesamt 300 Mio Euro zu den Gesamtinvestitionskosten hinzu.
Warum Südlink in die Erde und nicht über die Weser?
Südlink ist der Name eines großen Bauvorhabens im Rahmen der politisch betriebenen Energiewende in Deutschlands. Große Mengen Windstrom aus dem Norden müssen über Stromtrassen in den Süden zu den Verbrauchern transportiert werden. Südlink ist dabei die Trasse, mit der dies bewerkstelligt werden soll.
Gemäß aktueller Planungen soll die Haupttrasse in Hamburg beginnend mittig durch Deutschland gehen und irgendwo im Raum Würzburg enden. Die Kosten werden derzeit auf mindestens eine hohe einstellige Milliardensumme geschätzt. Trotz Dringlichkeit ist kaum etwas davon im Bau, wobei vor allem die Verlegung unter der Erde die Kosten hochtreibt und zu Zeitverzögerungen führt.
Schaut man sich nun einmal an, wo genau Südlink verlaufen soll und vergleicht dies mit dem Lauf der Weser, dann fällt auf, dass beide parallel verlaufen und sich dabei quasi spiegeln. Die Weser ist zwar nur etwa halb so lang und mündete bei Bremen anstelle von Hamburg. Allerdings wäre es im Gesamtzusammenhang eher wohl ein nachrangiges Problem, den Strom über Land 100km von Hamburg nach Bremen zu schaffen oder vielleicht sogar die Anlandestelle für den Offshore Windstrom aus der Nordsee nach Bremen zu verlegen.
Ab Bremen und bis hinunter nach Kassel könnte die Elektrifizierung der Weser als Träger des unzuverlässig fließenden Stroms verwendet werden, um ihn in die Nähe der großen Industriezentren des Südens zu transportieren – oder vielleicht auch, um ihn direkt als Treibstoff für die Binnenschiffen zu verwenden.
„Weserlink“ wäre logistisch, ökologisch und finanziell sinnvoll
Das mit Südlink einhergehende logistische Problem könnte mit einer Weserlink Verbindung hinreichend gelöst werden. Der Verlauf würde zwar etwas von der geplanten Route abweichen, jedoch gibt es heute schon vor Ort genügend Transformatoren und Hochspannungsnetze, die als Abnahmestationen des Stroms dienen können. Die mit dem Verlauf über die Weser zusätzlich entstehenden Kosten wären sehr wahrscheinlich gering.
Ökologisch wäre Weserlink vor allem dann sinnvoll, wenn der erzeugte Strom für die Binnenschifffahrt verwendet werden kann. Es würden zwar zahlreiche Transformatoren benötigt, die den Gleichspannungsstrom in Wechselstrom mit niedrigerer Spannung umwandeln, jedoch gehört auch das technisch zum üblichen Stand der Technik und wäre finanziell machbar. Selbst acht Transformatoren (einer pro 50km) zum Preis von 50 Mio Euro entlang der Strecke würde sich mit insgesamt 500 Mio Euro in den Gesamtkosten des Systems nur bedingt bemerkbar machen.
Schließlich ist auch die finanzielle Seite einer Elektrifizierung der Weser mit der Nebenaufgabe als Stromtrasse wesentlich vorteilhafter als Südlink. Denn neben den Gesamtkosten für das System, die auf den Kilometer gerechnet nicht höher wären als jene für Südlink, stünden auf der Einnahmeseite gleich zwei interessierte Kunden bereit: Die Stromkonzerne und die Binnenschiffer, wobei letztere in mehrfacher Hinsicht gewinnen könnten:
- Netto ist Strom erheblich günstiger als die selbe Energiemenge aus der Dieselverbrennung.
- Sie würden genau dann ganz besonders günstig fahren, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, was vor allem nachts der Fall ist.
- Dank ihrer leisen und emissionsfreien Elektromotoren gibt es keinen Grund mehr für ein Nachtfahrverbot.
Mit diesen Vorteilen für die Binnenschifffahrt hätten Logistiker deutliche finanzielle Vorteile, was zu einem höheren Transportangebot führen würde. Dies würde die Geldbeutel und Straßen des Landes entlasten und dies bei gleichzeitig erheblich geringeren Schadstoffemissionen. Die Elektrifizierung der Weser und anderer deutscher Schifffahrtswege hätte nur Vorteile, wobei die Vorteile möglicherweise so groß sind, dass der Staat eventuell nicht einmal als Geldgeber auftreten müsste. Alle würden dabei gewinnen.
Ich sehe da ein großes Problem, es wurde versuch ein Stromtrasse vom Norden in den Süden zubauen. Damit Strom von den Windparks in der Ostsee und Nordsee in den Süden zu bringen. Was folgte ist eine Klagewelle von Kommunen und Privat Personen. So ist es heute noch, gute Ideen aber zuviele Menschen das nicht wollen. Ich höre immer wieder, das brauchen wir nicht, das haben wir immer so gemacht.
Gruß von der Ostsee
Hornet-on-tour
Ja, das ist mir bekannt. Südlink sollte schon längst fertig sein, Hochspannungsleitungen über Land bauen ist recht simpel und preisgünstig. Das Problem ist die Verlegung unter der Erde. Mit einem Verlauf über die Weser könnten die Proteste ausgehebelt werden, weil...
Im Text hab ichs nicht erwähnt, aber die Binnenschifffahrt verbraucht in etwa 8% des gesamten Sprits, der in Deutschland jährlich verfahren wird. Die sind ein derart massiver Verbraucher, dass selbst ein relativ kleiner Fluss wie die Weser (fünftwichtigster dt. Schifffahrtsweg) Strom ziehen würde als gäbs kein Morgen.
spannende Überlegung
wobei ich mich frage wie lange die Windkrafträder überhaupt halten?
und gab es da nicht auch aufkommende Probleme bezüglich gegenseitigem Windschatten?
@tipu curate
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Frage ich mich auch. Ich habe ohnehin Zweifel, was die Langfristigkeit der Investition in Windräder betrifft, da sie an spezifischen Orten gebaut werden müssen und auch ohne Querverbindung durchs halbe Land massiv Übertragungsinfrastruktur benötigen.
Bis in 10-15 Jahren werden Batterieno billig genug sein, dass es sich lohnt, sich vom Netz abzukoppeln und dafür PV aufs Dach zu bauen und eine Batterie in Keller zu stellen. Sobald das passiert, müssen die Netzkosten auf immer weniger Köpfe verteilt werden und es setzt ein Kaskadeneffekt ein; Der Strombezug aus dem Netz immer teurer wird während relativ dazu der autonome Inselbetrieb immer billiger wird.
Ich denke mal, dass der letzte Vogelschredder bis zur Jahrhundertmitte hin wieder abgebaut sein wird. Es ist alles einfach nur noch dumm, was aktuell gemacht wird. Selbst die Idee mit der Trasse ist nicht mehr als ein Vorschlag, um wenigstens die schlimmsten Auswirkungen dieser Dummheit etwas abzudämpfen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass rein gar nichts anderes mehr gemacht wird, als sich gegen die Idiotie zu wehr zu setzen. Jede Innovation auf der Welt dient dem Ausweichen von Dummheit. Es hat den genuinen Fortschritt fast gänzlich verdrängt. Selbst Bitcoin gehört größtenteils in die erste Kategorie.
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